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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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lich; ich liebe ihn. Man sieht die Ähnlichkeit einem Bilde an:
kennt man das Original auch nicht; wenn das Bild nur gut
ist. Vergiß meinen Antheil und meine Freundschaft nicht: und
unsre Einigkeit, die dich allerwärts begleitet. Schreiben kann
ich nicht. Fouque schrieb mir -- es war sein zweiter Brief --
so kläglich, daß ich ihm antworten mußte. Als ich den Brief
fertig hatte, war er so lyrisch, stellte so ganz und gar mich
dar, daß ich ihm, als ich ihn zuletzt bat, er möchte dir schrei-
ben, zuredete, er möchte dir ihn schicken, weil ich wohl fühlte,
ein zweites Lied sei unmöglich; dabei versprach ich ihm, daß
wenn er es wollte, so wollte ich ihm auch deinen schicken. Das
thu' ich nun nicht: weil ich grausame Gewissensbisse bekam:
und mir gleich hinterher vornahm, dich erst zu fragen. Des
Du's wegen, und der Versichrung, noch mit mir zu leben.
Sonnabend nur konnt' ich wegen Verdrüssen und Ermüdung
dir nicht schreiben. Fouque aber schickt dir meinen Brief
unfehlbar. -- Lieber, was ist das? Man schreibt mir, du
würdest deine und meine Briefe drucken lassen? Woher schreibt
sich nur das Gerede? Das sollte auch nicht existiren!
Sprich doch nicht mit Menschen von dergleichen; die es bis
zu unreinen Menschen hinsprechen! denn das sind doch die
gewiß, die es bis zum Theegespräch treiben. Zum Glück be-
sitze ich unsere Briefe. Sie kamen diesen Sommer auf deine
Addresse an; und der Briefträger brachte wie andere Päcke sie
mir. -- Aber auch die andern beiden Korrespondenzen schicke
mir; da du doch reisest, und wir noch nicht in Einem Orte
leben. Du kennst mich, und wie ich dir vertraue. Laß mich
aber immer antworten können: "Ich besitze die Briefe!" wenn

lich; ich liebe ihn. Man ſieht die Ähnlichkeit einem Bilde an:
kennt man das Original auch nicht; wenn das Bild nur gut
iſt. Vergiß meinen Antheil und meine Freundſchaft nicht: und
unſre Einigkeit, die dich allerwärts begleitet. Schreiben kann
ich nicht. Fouqué ſchrieb mir — es war ſein zweiter Brief —
ſo kläglich, daß ich ihm antworten mußte. Als ich den Brief
fertig hatte, war er ſo lyriſch, ſtellte ſo ganz und gar mich
dar, daß ich ihm, als ich ihn zuletzt bat, er möchte dir ſchrei-
ben, zuredete, er möchte dir ihn ſchicken, weil ich wohl fühlte,
ein zweites Lied ſei unmöglich; dabei verſprach ich ihm, daß
wenn er es wollte, ſo wollte ich ihm auch deinen ſchicken. Das
thu’ ich nun nicht: weil ich grauſame Gewiſſensbiſſe bekam:
und mir gleich hinterher vornahm, dich erſt zu fragen. Des
Du’s wegen, und der Verſichrung, noch mit mir zu leben.
Sonnabend nur konnt’ ich wegen Verdrüſſen und Ermüdung
dir nicht ſchreiben. Fouqué aber ſchickt dir meinen Brief
unfehlbar. — Lieber, was iſt das? Man ſchreibt mir, du
würdeſt deine und meine Briefe drucken laſſen? Woher ſchreibt
ſich nur das Gerede? Das ſollte auch nicht exiſtiren!
Sprich doch nicht mit Menſchen von dergleichen; die es bis
zu unreinen Menſchen hinſprechen! denn das ſind doch die
gewiß, die es bis zum Theegeſpräch treiben. Zum Glück be-
ſitze ich unſere Briefe. Sie kamen dieſen Sommer auf deine
Addreſſe an; und der Briefträger brachte wie andere Päcke ſie
mir. — Aber auch die andern beiden Korreſpondenzen ſchicke
mir; da du doch reiſeſt, und wir noch nicht in Einem Orte
leben. Du kennſt mich, und wie ich dir vertraue. Laß mich
aber immer antworten können: „Ich beſitze die Briefe!“ wenn

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[454/0468] lich; ich liebe ihn. Man ſieht die Ähnlichkeit einem Bilde an: kennt man das Original auch nicht; wenn das Bild nur gut iſt. Vergiß meinen Antheil und meine Freundſchaft nicht: und unſre Einigkeit, die dich allerwärts begleitet. Schreiben kann ich nicht. Fouqué ſchrieb mir — es war ſein zweiter Brief — ſo kläglich, daß ich ihm antworten mußte. Als ich den Brief fertig hatte, war er ſo lyriſch, ſtellte ſo ganz und gar mich dar, daß ich ihm, als ich ihn zuletzt bat, er möchte dir ſchrei- ben, zuredete, er möchte dir ihn ſchicken, weil ich wohl fühlte, ein zweites Lied ſei unmöglich; dabei verſprach ich ihm, daß wenn er es wollte, ſo wollte ich ihm auch deinen ſchicken. Das thu’ ich nun nicht: weil ich grauſame Gewiſſensbiſſe bekam: und mir gleich hinterher vornahm, dich erſt zu fragen. Des Du’s wegen, und der Verſichrung, noch mit mir zu leben. Sonnabend nur konnt’ ich wegen Verdrüſſen und Ermüdung dir nicht ſchreiben. Fouqué aber ſchickt dir meinen Brief unfehlbar. — Lieber, was iſt das? Man ſchreibt mir, du würdeſt deine und meine Briefe drucken laſſen? Woher ſchreibt ſich nur das Gerede? Das ſollte auch nicht exiſtiren! Sprich doch nicht mit Menſchen von dergleichen; die es bis zu unreinen Menſchen hinſprechen! denn das ſind doch die gewiß, die es bis zum Theegeſpräch treiben. Zum Glück be- ſitze ich unſere Briefe. Sie kamen dieſen Sommer auf deine Addreſſe an; und der Briefträger brachte wie andere Päcke ſie mir. — Aber auch die andern beiden Korreſpondenzen ſchicke mir; da du doch reiſeſt, und wir noch nicht in Einem Orte leben. Du kennſt mich, und wie ich dir vertraue. Laß mich aber immer antworten können: „Ich beſitze die Briefe!“ wenn

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/468>, abgerufen am 24.04.2024.