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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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nen: wir wollten etwas zurück der Sonne nach, die Gegend
untersuchen gehen. Schweigend und gehend willigten Sie ein.
Bald wurde es bergigt, die Sonne gelb und abendlich, ich
ging voran, und um eine Ecke, einen gemachten Gartensteg
hinauf: mit einemmale Göttliches sehend: grüne hohe geschnitzte
Wände, und Aussichten in frische geputzte Thäler, durch ganz
freundlich aussehende frisch-grüne Berge hinab. Einer sah
besonders schön belaubt und dunkelgrünglänzend aus; sehen
Sie das, wandt' ich mich um, faßte Ihre Hand, die Sie
mir gaben, auch reichten; und wir küßten uns vor Freude
auf den Mund; so ging's wieder weiter, Sie hinter mir, der
Pfad führte mich in ein rundes, ganz kleines und umschlosse-
nes Bergthal, wie ein Hof; ich bog nochmal links, und fand
einen Hof, mit offenstehenden Zimmern, "was ist das? aber
ich besehe es!" sagte ich scheu; Sie mir nach! Eine Reihe
moderner Zimmer, mit Instrumenten, Büchern, Zeichen- und
Nähzeug, Blumentöpfen, Tüchern über den Stühlen; kurz,
ganz wohnig. Mit einemmale steht ein Herr vor mir, nach
fünfzig, ohne Hut, wie ein Abbe; er kam aus noch andern
Zimmern. -- Ja! im Hof waren schöne Hühner, Enten, al-
les lebendig -- "Mein Herr! sagte ich, verzeihen Sie! wir
haben uns, das so sehr Schöne und Sonderbare der Gegend
besehend, plötzlich in Ihrem Hof befunden, -- es war Mond-
schein geworden im Hof, -- da war aber niemand, hier auch
nicht; und so kam es, daß wir weiter gingen; verzeihen
Sie! aber wie so ist hier alles offen? nehmen Sie's ja nicht
übel! "Hier kommen Viele so herein, sagte der Mann; das
schadet nichts; und als ich ihn doch noch ansah, setzte er hinzu

nen: wir wollten etwas zurück der Sonne nach, die Gegend
unterſuchen gehen. Schweigend und gehend willigten Sie ein.
Bald wurde es bergigt, die Sonne gelb und abendlich, ich
ging voran, und um eine Ecke, einen gemachten Gartenſteg
hinauf: mit einemmale Göttliches ſehend: grüne hohe geſchnitzte
Wände, und Ausſichten in friſche geputzte Thäler, durch ganz
freundlich ausſehende friſch-grüne Berge hinab. Einer ſah
beſonders ſchön belaubt und dunkelgrünglänzend aus; ſehen
Sie das, wandt’ ich mich um, faßte Ihre Hand, die Sie
mir gaben, auch reichten; und wir küßten uns vor Freude
auf den Mund; ſo ging’s wieder weiter, Sie hinter mir, der
Pfad führte mich in ein rundes, ganz kleines und umſchloſſe-
nes Bergthal, wie ein Hof; ich bog nochmal links, und fand
einen Hof, mit offenſtehenden Zimmern, „was iſt das? aber
ich beſehe es!“ ſagte ich ſcheu; Sie mir nach! Eine Reihe
moderner Zimmer, mit Inſtrumenten, Büchern, Zeichen- und
Nähzeug, Blumentöpfen, Tüchern über den Stühlen; kurz,
ganz wohnig. Mit einemmale ſteht ein Herr vor mir, nach
fünfzig, ohne Hut, wie ein Abbé; er kam aus noch andern
Zimmern. — Ja! im Hof waren ſchöne Hühner, Enten, al-
les lebendig — „Mein Herr! ſagte ich, verzeihen Sie! wir
haben uns, das ſo ſehr Schöne und Sonderbare der Gegend
beſehend, plötzlich in Ihrem Hof befunden, — es war Mond-
ſchein geworden im Hof, — da war aber niemand, hier auch
nicht; und ſo kam es, daß wir weiter gingen; verzeihen
Sie! aber wie ſo iſt hier alles offen? nehmen Sie’s ja nicht
übel! „Hier kommen Viele ſo herein, ſagte der Mann; das
ſchadet nichts; und als ich ihn doch noch anſah, ſetzte er hinzu

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[470/0484] nen: wir wollten etwas zurück der Sonne nach, die Gegend unterſuchen gehen. Schweigend und gehend willigten Sie ein. Bald wurde es bergigt, die Sonne gelb und abendlich, ich ging voran, und um eine Ecke, einen gemachten Gartenſteg hinauf: mit einemmale Göttliches ſehend: grüne hohe geſchnitzte Wände, und Ausſichten in friſche geputzte Thäler, durch ganz freundlich ausſehende friſch-grüne Berge hinab. Einer ſah beſonders ſchön belaubt und dunkelgrünglänzend aus; ſehen Sie das, wandt’ ich mich um, faßte Ihre Hand, die Sie mir gaben, auch reichten; und wir küßten uns vor Freude auf den Mund; ſo ging’s wieder weiter, Sie hinter mir, der Pfad führte mich in ein rundes, ganz kleines und umſchloſſe- nes Bergthal, wie ein Hof; ich bog nochmal links, und fand einen Hof, mit offenſtehenden Zimmern, „was iſt das? aber ich beſehe es!“ ſagte ich ſcheu; Sie mir nach! Eine Reihe moderner Zimmer, mit Inſtrumenten, Büchern, Zeichen- und Nähzeug, Blumentöpfen, Tüchern über den Stühlen; kurz, ganz wohnig. Mit einemmale ſteht ein Herr vor mir, nach fünfzig, ohne Hut, wie ein Abbé; er kam aus noch andern Zimmern. — Ja! im Hof waren ſchöne Hühner, Enten, al- les lebendig — „Mein Herr! ſagte ich, verzeihen Sie! wir haben uns, das ſo ſehr Schöne und Sonderbare der Gegend beſehend, plötzlich in Ihrem Hof befunden, — es war Mond- ſchein geworden im Hof, — da war aber niemand, hier auch nicht; und ſo kam es, daß wir weiter gingen; verzeihen Sie! aber wie ſo iſt hier alles offen? nehmen Sie’s ja nicht übel! „Hier kommen Viele ſo herein, ſagte der Mann; das ſchadet nichts; und als ich ihn doch noch anſah, ſetzte er hinzu

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/484>, abgerufen am 25.04.2024.