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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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hierin übereins sind! Grüßen Sie Ternite von mir. Sie ha-
ben über ihn erschöpfend Recht. Sechster Punkt. Über das
Landrecht sind Sie eben so erschöpfend. Ich wußte aber,
daß es als Flicke gemacht worden ist, und also eine sein muß.
Ich bin überzeugt, daß das Alte Blatt vor Blatt vorgenom-
men worden ist, und ohne überhauptige Rück- oder Ansicht
nach der nächsten Bequemlichkeit geändert worden, aber daher
auch zum Gebrauch, zur Anwendung der Aussprüche, höchst
unbequem ist, wie denn die Welt empfindet und schreit. Sie-
benter Punkt. Ich danke, daß Sie meinem Gebot leben, und
nichts zurückhalten von dem, was Sie mir einmal geschrieben
haben. Bleiben Sie dabei! Ich lasse Ihnen auch ein Fenster
an mein Herz machen. Hier schicke ich Ihnen vielleicht wirk-
lich eine "Menge glühender Kohlen" auf Ihr "hübsches
Haupt" -- Sie wissen doch, daß ich Ihre klare Haare so
liebe. Nur geschrieben über die Propyläen! Und auch von
Aristoteles seiner Politik. Schonen Sie sich! Sie schreiben,
Sie sind sehr verdutzt, ich auch. Harscher kam ganz radiant,
Sch's hätten mich sehr liebenswürdig gefunden -- ich kann
mich schlechterdings nichts besinnen, als daß ich viel sprach
und mich ziemlich amüsirte, und sie bis halb 1 Uhr blieben.
Mad. Spazier war auch da -- und will heute Abend kom-
men. Ich sagte Ja. H. sagte ganz ingenument: "Waren
Sie noch krank? ich glaubte nicht, daß es was wäre." Ich
erzählte ihm, ja. Ich balge mich nicht mehr mit den Men-
schen. Denke aber, wie ich Ihnen schreibe. Man frug mich
auch gestern nach Ihnen. Auch heute H. Schreiben Sie
mir! welchen Tag Sie kommen. Ja, Lieber? o! ja. Adieu.

hierin übereins ſind! Grüßen Sie Ternite von mir. Sie ha-
ben über ihn erſchöpfend Recht. Sechſter Punkt. Über das
Landrecht ſind Sie eben ſo erſchöpfend. Ich wußte aber,
daß es als Flicke gemacht worden iſt, und alſo eine ſein muß.
Ich bin überzeugt, daß das Alte Blatt vor Blatt vorgenom-
men worden iſt, und ohne überhauptige Rück- oder Anſicht
nach der nächſten Bequemlichkeit geändert worden, aber daher
auch zum Gebrauch, zur Anwendung der Ausſprüche, höchſt
unbequem iſt, wie denn die Welt empfindet und ſchreit. Sie-
benter Punkt. Ich danke, daß Sie meinem Gebot leben, und
nichts zurückhalten von dem, was Sie mir einmal geſchrieben
haben. Bleiben Sie dabei! Ich laſſe Ihnen auch ein Fenſter
an mein Herz machen. Hier ſchicke ich Ihnen vielleicht wirk-
lich eine „Menge glühender Kohlen“ auf Ihr „hübſches
Haupt“ — Sie wiſſen doch, daß ich Ihre klare Haare ſo
liebe. Nur geſchrieben über die Propyläen! Und auch von
Ariſtoteles ſeiner Politik. Schonen Sie ſich! Sie ſchreiben,
Sie ſind ſehr verdutzt, ich auch. Harſcher kam ganz radiant,
Sch’s hätten mich ſehr liebenswürdig gefunden — ich kann
mich ſchlechterdings nichts beſinnen, als daß ich viel ſprach
und mich ziemlich amüſirte, und ſie bis halb 1 Uhr blieben.
Mad. Spazier war auch da — und will heute Abend kom-
men. Ich ſagte Ja. H. ſagte ganz ingénument: „Waren
Sie noch krank? ich glaubte nicht, daß es was wäre.“ Ich
erzählte ihm, ja. Ich balge mich nicht mehr mit den Men-
ſchen. Denke aber, wie ich Ihnen ſchreibe. Man frug mich
auch geſtern nach Ihnen. Auch heute H. Schreiben Sie
mir! welchen Tag Sie kommen. Ja, Lieber? o! ja. Adieu.

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[569/0583] hierin übereins ſind! Grüßen Sie Ternite von mir. Sie ha- ben über ihn erſchöpfend Recht. Sechſter Punkt. Über das Landrecht ſind Sie eben ſo erſchöpfend. Ich wußte aber, daß es als Flicke gemacht worden iſt, und alſo eine ſein muß. Ich bin überzeugt, daß das Alte Blatt vor Blatt vorgenom- men worden iſt, und ohne überhauptige Rück- oder Anſicht nach der nächſten Bequemlichkeit geändert worden, aber daher auch zum Gebrauch, zur Anwendung der Ausſprüche, höchſt unbequem iſt, wie denn die Welt empfindet und ſchreit. Sie- benter Punkt. Ich danke, daß Sie meinem Gebot leben, und nichts zurückhalten von dem, was Sie mir einmal geſchrieben haben. Bleiben Sie dabei! Ich laſſe Ihnen auch ein Fenſter an mein Herz machen. Hier ſchicke ich Ihnen vielleicht wirk- lich eine „Menge glühender Kohlen“ auf Ihr „hübſches Haupt“ — Sie wiſſen doch, daß ich Ihre klare Haare ſo liebe. Nur geſchrieben über die Propyläen! Und auch von Ariſtoteles ſeiner Politik. Schonen Sie ſich! Sie ſchreiben, Sie ſind ſehr verdutzt, ich auch. Harſcher kam ganz radiant, Sch’s hätten mich ſehr liebenswürdig gefunden — ich kann mich ſchlechterdings nichts beſinnen, als daß ich viel ſprach und mich ziemlich amüſirte, und ſie bis halb 1 Uhr blieben. Mad. Spazier war auch da — und will heute Abend kom- men. Ich ſagte Ja. H. ſagte ganz ingénument: „Waren Sie noch krank? ich glaubte nicht, daß es was wäre.“ Ich erzählte ihm, ja. Ich balge mich nicht mehr mit den Men- ſchen. Denke aber, wie ich Ihnen ſchreibe. Man frug mich auch geſtern nach Ihnen. Auch heute H. Schreiben Sie mir! welchen Tag Sie kommen. Ja, Lieber? o! ja. Adieu.

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/583>, abgerufen am 25.04.2024.