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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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Kiemensäcken, rundem Saugmunde ohne Kiefer, nur durch Lippen-
knorpel gestützt und einem Herzen, dessen Arterienstiel faserig ist und
an dem Ursprunge zwei Klappen besitzt.

Die Knorpelfische (Selachia) mit knorpeligem Skelette, das
aber meist getrennte Wirbel zeigt, einfacher knorpeliger Schädelkapsel,
an welcher niemals eine Spur von Deckplatten entwickelt ist, ange-
wachsenen Kiemen und einem muskulösen Arterienstiel, der mehrere
Reihen von Klappen im Innern zeigt.

Die Schmelzschupper (Ganoidea) mit bald knorpeligem, bald
knöchernem Skelette, Deckplatten am Schädel, freien Kiemen, welche
durch einen Kiemendeckel beschützt werden und einem muskulösen Arte-
rienstiele, in dessen Innerem sich mehrere Reihen von Klappen be-
finden.

Die eigentlichen Knochenfische (Teleostia) mit knöchernem
Skelette, freien Kiemen und Kiemendeckeln und fasrigem Arterienstiele
ohne Muskelbeleg, an dessen Ursprunge nur zwei halbmondförmige
Klappen sich befinden.

Mehrere dieser Ordnungen haben wieder Unterordnungen, welche
zahlreiche Familien einschließen, wie denn überhaupt die Fische nächst
den Vögeln die zahlreichste Wirbelthierklasse ausmachen.

Die geologische Entwicklung der Klasse der Fische ist
besonders um dessenwillen wichtig, weil diese niedersten Wirbelthiere
zugleich die einzigen sind, welche von der frühesten Zeit an durch alle
Perioden der Erdgeschichte hindurch in so zahlreichen Typen sich fin-
den, daß man etwa fünfzehnhundert Arten bis jetzt gefunden hat.
Von den Röhrenherzen, sowie von den Rundmäulern, welche durch-
aus keine festen Theile besitzen, die bei der Versteinerung sich erhalten
konnten, sind keine Spuren auf uns gekommen; dagegen besitzen wir
von den drei übrigen Ordnungen Knochen, Zähne und harte Haut-
bedeckungen in oft überraschender Erhaltung. In den ältesten Schich-
ten bis zu der Kreide hin finden sich einzig nur Knorpelfische und
Schmelzschupper, dagegen durchaus keine eigentlichen Knochenfische vor,
die erst mit der Kreidezeit auftreten. Je älter die Formation, desto
abweichender sind auch die Formen und während man bis jetzt keine
einzige fossile Art gefunden hat, welche mit einer lebenden identifizirt
werden könnte, so beginnen auch erst in der Tertiärperiode Gattungen
aufzutreten, wenn auch sehr sparsam in den älteren Schichten, welche
mit den jetzigen übereinstimmen und nur verschiedene Arten zeigen.
In den ältesten Schichten, wie namentlich in dem alten rothen Sand-
steine, treten jene bizarren Formen der Ganoiden auf, welche man

Kiemenſäcken, rundem Saugmunde ohne Kiefer, nur durch Lippen-
knorpel geſtützt und einem Herzen, deſſen Arterienſtiel faſerig iſt und
an dem Urſprunge zwei Klappen beſitzt.

Die Knorpelfiſche (Selachia) mit knorpeligem Skelette, das
aber meiſt getrennte Wirbel zeigt, einfacher knorpeliger Schädelkapſel,
an welcher niemals eine Spur von Deckplatten entwickelt iſt, ange-
wachſenen Kiemen und einem muskulöſen Arterienſtiel, der mehrere
Reihen von Klappen im Innern zeigt.

Die Schmelzſchupper (Ganoidea) mit bald knorpeligem, bald
knöchernem Skelette, Deckplatten am Schädel, freien Kiemen, welche
durch einen Kiemendeckel beſchützt werden und einem muskulöſen Arte-
rienſtiele, in deſſen Innerem ſich mehrere Reihen von Klappen be-
finden.

Die eigentlichen Knochenfiſche (Teleostia) mit knöchernem
Skelette, freien Kiemen und Kiemendeckeln und faſrigem Arterienſtiele
ohne Muskelbeleg, an deſſen Urſprunge nur zwei halbmondförmige
Klappen ſich befinden.

Mehrere dieſer Ordnungen haben wieder Unterordnungen, welche
zahlreiche Familien einſchließen, wie denn überhaupt die Fiſche nächſt
den Vögeln die zahlreichſte Wirbelthierklaſſe ausmachen.

Die geologiſche Entwicklung der Klaſſe der Fiſche iſt
beſonders um deſſenwillen wichtig, weil dieſe niederſten Wirbelthiere
zugleich die einzigen ſind, welche von der früheſten Zeit an durch alle
Perioden der Erdgeſchichte hindurch in ſo zahlreichen Typen ſich fin-
den, daß man etwa fünfzehnhundert Arten bis jetzt gefunden hat.
Von den Röhrenherzen, ſowie von den Rundmäulern, welche durch-
aus keine feſten Theile beſitzen, die bei der Verſteinerung ſich erhalten
konnten, ſind keine Spuren auf uns gekommen; dagegen beſitzen wir
von den drei übrigen Ordnungen Knochen, Zähne und harte Haut-
bedeckungen in oft überraſchender Erhaltung. In den älteſten Schich-
ten bis zu der Kreide hin finden ſich einzig nur Knorpelfiſche und
Schmelzſchupper, dagegen durchaus keine eigentlichen Knochenfiſche vor,
die erſt mit der Kreidezeit auftreten. Je älter die Formation, deſto
abweichender ſind auch die Formen und während man bis jetzt keine
einzige foſſile Art gefunden hat, welche mit einer lebenden identifizirt
werden könnte, ſo beginnen auch erſt in der Tertiärperiode Gattungen
aufzutreten, wenn auch ſehr ſparſam in den älteren Schichten, welche
mit den jetzigen übereinſtimmen und nur verſchiedene Arten zeigen.
In den älteſten Schichten, wie namentlich in dem alten rothen Sand-
ſteine, treten jene bizarren Formen der Ganoiden auf, welche man

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[101/0107] Kiemenſäcken, rundem Saugmunde ohne Kiefer, nur durch Lippen- knorpel geſtützt und einem Herzen, deſſen Arterienſtiel faſerig iſt und an dem Urſprunge zwei Klappen beſitzt. Die Knorpelfiſche (Selachia) mit knorpeligem Skelette, das aber meiſt getrennte Wirbel zeigt, einfacher knorpeliger Schädelkapſel, an welcher niemals eine Spur von Deckplatten entwickelt iſt, ange- wachſenen Kiemen und einem muskulöſen Arterienſtiel, der mehrere Reihen von Klappen im Innern zeigt. Die Schmelzſchupper (Ganoidea) mit bald knorpeligem, bald knöchernem Skelette, Deckplatten am Schädel, freien Kiemen, welche durch einen Kiemendeckel beſchützt werden und einem muskulöſen Arte- rienſtiele, in deſſen Innerem ſich mehrere Reihen von Klappen be- finden. Die eigentlichen Knochenfiſche (Teleostia) mit knöchernem Skelette, freien Kiemen und Kiemendeckeln und faſrigem Arterienſtiele ohne Muskelbeleg, an deſſen Urſprunge nur zwei halbmondförmige Klappen ſich befinden. Mehrere dieſer Ordnungen haben wieder Unterordnungen, welche zahlreiche Familien einſchließen, wie denn überhaupt die Fiſche nächſt den Vögeln die zahlreichſte Wirbelthierklaſſe ausmachen. Die geologiſche Entwicklung der Klaſſe der Fiſche iſt beſonders um deſſenwillen wichtig, weil dieſe niederſten Wirbelthiere zugleich die einzigen ſind, welche von der früheſten Zeit an durch alle Perioden der Erdgeſchichte hindurch in ſo zahlreichen Typen ſich fin- den, daß man etwa fünfzehnhundert Arten bis jetzt gefunden hat. Von den Röhrenherzen, ſowie von den Rundmäulern, welche durch- aus keine feſten Theile beſitzen, die bei der Verſteinerung ſich erhalten konnten, ſind keine Spuren auf uns gekommen; dagegen beſitzen wir von den drei übrigen Ordnungen Knochen, Zähne und harte Haut- bedeckungen in oft überraſchender Erhaltung. In den älteſten Schich- ten bis zu der Kreide hin finden ſich einzig nur Knorpelfiſche und Schmelzſchupper, dagegen durchaus keine eigentlichen Knochenfiſche vor, die erſt mit der Kreidezeit auftreten. Je älter die Formation, deſto abweichender ſind auch die Formen und während man bis jetzt keine einzige foſſile Art gefunden hat, welche mit einer lebenden identifizirt werden könnte, ſo beginnen auch erſt in der Tertiärperiode Gattungen aufzutreten, wenn auch ſehr ſparſam in den älteren Schichten, welche mit den jetzigen übereinſtimmen und nur verſchiedene Arten zeigen. In den älteſten Schichten, wie namentlich in dem alten rothen Sand- ſteine, treten jene bizarren Formen der Ganoiden auf, welche man

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/107>, abgerufen am 28.03.2024.