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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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Wirbelthieren erhält das Ei von dem Eierstocke aus soviel Dottersub-
stanz mit, daß der Embryo sich vollständig auf deren Kosten ausbilden
kann und keiner weiteren Stoffzufuhr, sei es von Seiten des mütter-
lichen Organismus oder von außen her, bedarf. In diesen Fällen
wird das Ei gewöhnlich noch in dem Eileiter von verschiedenen Hül-
len, von Eiweiß und Schalenbildungen, eingeschlossen und dann nach
der Ausstoßung in solche Verhältnisse gebracht, welche zur Entwickelung
des Embryos nothwendig sind, wozu namentlich ein gewisser Grad
von Wärme und Feuchtigkeit und der Zutritt[ ]von Sauerstoff gehören; --
Bedingungen, die sich bald von selbst finden, bald, wie bei den brü-
tenden Thieren, von den sorgsamen Eltern beschafft werden. Bei dem
anderen extremen Endpunkte dieser Beziehungen zwischen Mutter und
Frucht findet sich bei dem ursprünglichen Eie nur eine kleine Dotter-
masse vor, ungenügend, die Ausbildung des Embryos zu bestreiten,
der dann durch besondere Gefäße in innige Wechselwirkung mit den
Gefäßen des mütterlichen Organismus tritt und aus dem Blute des-
selben die zu seiner Ausbildung nöthigen Stoffe bezieht. Zwischen
diesen beiden Verhältnissen liegen mannigfache Zwischenstufen, indem
bei den Einen es nur auf äußere Zufälligkeiten ankommt, ob die losen
Eier sich außerhalb oder innerhalb des mütterlichen Organismus ent-
wickeln, während bei Anderen die Entwickelung im Inneren zwar
Regel ist, der Embryo oder das Ei aber deßhalb in keine nähere Ver-
bindung mit den Organen tritt, sondern frei in der Höhle des Eilei-
ters liegt und nur durch Aufsaugung aus der Flüssigkeit, welche diese
erfüllt, sich weitere Stoffe aneignen kann.

Die Entwickelung des Embryos geschieht bei dem Kreise
der Wirbelthiere allgemein nach einem gemeinschaftlichen Grundplane,
der sich indessen bei den verschiedenen Klassen und Ordnungen in
mannigfacher Weise modifizirt. Ueberall ist der Dotter von einer
deutlichen Dotterhaut umgeben, die zuweilen sogar eine ziemlich bedeu-
tende Dicke erreicht und die allmählig verschwindet, sobald der Embryo
sich seine Hüllen aufgebaut hat. Die Entwickelung geht stets, wie bei
den Kopffüßlern und Gliederthieren, von einem bestimmten Punkte
aus und läuft kreis-wellenförmig um das Ei herum, so daß der Embryo-
naltheil anfangs eine mehr oder minder dicke Hohlscheibe darstellt,
welche sich eines Theils allmählig verbreitert und so den Dotter ein-
faßt, anderen Theils in ihrer Mitte sich erhebt und hier eine Axe
entstehen läßt, welche in der That die Mittellinie des werdenden Thie-
res ist und das Centralnervensystem und die Wirbelaxe in sich vereinigt.
Der Gegensatz zwischen Dotter und Embryo tri[t]t fast überall scharf

Vogt. Zoologische Briefe. II. 2

Wirbelthieren erhält das Ei von dem Eierſtocke aus ſoviel Dotterſub-
ſtanz mit, daß der Embryo ſich vollſtändig auf deren Koſten ausbilden
kann und keiner weiteren Stoffzufuhr, ſei es von Seiten des mütter-
lichen Organismus oder von außen her, bedarf. In dieſen Fällen
wird das Ei gewöhnlich noch in dem Eileiter von verſchiedenen Hül-
len, von Eiweiß und Schalenbildungen, eingeſchloſſen und dann nach
der Ausſtoßung in ſolche Verhältniſſe gebracht, welche zur Entwickelung
des Embryos nothwendig ſind, wozu namentlich ein gewiſſer Grad
von Wärme und Feuchtigkeit und der Zutritt[ ]von Sauerſtoff gehören; —
Bedingungen, die ſich bald von ſelbſt finden, bald, wie bei den brü-
tenden Thieren, von den ſorgſamen Eltern beſchafft werden. Bei dem
anderen extremen Endpunkte dieſer Beziehungen zwiſchen Mutter und
Frucht findet ſich bei dem urſprünglichen Eie nur eine kleine Dotter-
maſſe vor, ungenügend, die Ausbildung des Embryos zu beſtreiten,
der dann durch beſondere Gefäße in innige Wechſelwirkung mit den
Gefäßen des mütterlichen Organismus tritt und aus dem Blute des-
ſelben die zu ſeiner Ausbildung nöthigen Stoffe bezieht. Zwiſchen
dieſen beiden Verhältniſſen liegen mannigfache Zwiſchenſtufen, indem
bei den Einen es nur auf äußere Zufälligkeiten ankommt, ob die loſen
Eier ſich außerhalb oder innerhalb des mütterlichen Organismus ent-
wickeln, während bei Anderen die Entwickelung im Inneren zwar
Regel iſt, der Embryo oder das Ei aber deßhalb in keine nähere Ver-
bindung mit den Organen tritt, ſondern frei in der Höhle des Eilei-
ters liegt und nur durch Aufſaugung aus der Flüſſigkeit, welche dieſe
erfüllt, ſich weitere Stoffe aneignen kann.

Die Entwickelung des Embryos geſchieht bei dem Kreiſe
der Wirbelthiere allgemein nach einem gemeinſchaftlichen Grundplane,
der ſich indeſſen bei den verſchiedenen Klaſſen und Ordnungen in
mannigfacher Weiſe modifizirt. Ueberall iſt der Dotter von einer
deutlichen Dotterhaut umgeben, die zuweilen ſogar eine ziemlich bedeu-
tende Dicke erreicht und die allmählig verſchwindet, ſobald der Embryo
ſich ſeine Hüllen aufgebaut hat. Die Entwickelung geht ſtets, wie bei
den Kopffüßlern und Gliederthieren, von einem beſtimmten Punkte
aus und läuft kreis-wellenförmig um das Ei herum, ſo daß der Embryo-
naltheil anfangs eine mehr oder minder dicke Hohlſcheibe darſtellt,
welche ſich eines Theils allmählig verbreitert und ſo den Dotter ein-
faßt, anderen Theils in ihrer Mitte ſich erhebt und hier eine Axe
entſtehen läßt, welche in der That die Mittellinie des werdenden Thie-
res iſt und das Centralnervenſyſtem und die Wirbelaxe in ſich vereinigt.
Der Gegenſatz zwiſchen Dotter und Embryo tri[t]t faſt überall ſcharf

Vogt. Zoologiſche Briefe. II. 2
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[17/0023] Wirbelthieren erhält das Ei von dem Eierſtocke aus ſoviel Dotterſub- ſtanz mit, daß der Embryo ſich vollſtändig auf deren Koſten ausbilden kann und keiner weiteren Stoffzufuhr, ſei es von Seiten des mütter- lichen Organismus oder von außen her, bedarf. In dieſen Fällen wird das Ei gewöhnlich noch in dem Eileiter von verſchiedenen Hül- len, von Eiweiß und Schalenbildungen, eingeſchloſſen und dann nach der Ausſtoßung in ſolche Verhältniſſe gebracht, welche zur Entwickelung des Embryos nothwendig ſind, wozu namentlich ein gewiſſer Grad von Wärme und Feuchtigkeit und der Zutritt von Sauerſtoff gehören; — Bedingungen, die ſich bald von ſelbſt finden, bald, wie bei den brü- tenden Thieren, von den ſorgſamen Eltern beſchafft werden. Bei dem anderen extremen Endpunkte dieſer Beziehungen zwiſchen Mutter und Frucht findet ſich bei dem urſprünglichen Eie nur eine kleine Dotter- maſſe vor, ungenügend, die Ausbildung des Embryos zu beſtreiten, der dann durch beſondere Gefäße in innige Wechſelwirkung mit den Gefäßen des mütterlichen Organismus tritt und aus dem Blute des- ſelben die zu ſeiner Ausbildung nöthigen Stoffe bezieht. Zwiſchen dieſen beiden Verhältniſſen liegen mannigfache Zwiſchenſtufen, indem bei den Einen es nur auf äußere Zufälligkeiten ankommt, ob die loſen Eier ſich außerhalb oder innerhalb des mütterlichen Organismus ent- wickeln, während bei Anderen die Entwickelung im Inneren zwar Regel iſt, der Embryo oder das Ei aber deßhalb in keine nähere Ver- bindung mit den Organen tritt, ſondern frei in der Höhle des Eilei- ters liegt und nur durch Aufſaugung aus der Flüſſigkeit, welche dieſe erfüllt, ſich weitere Stoffe aneignen kann. Die Entwickelung des Embryos geſchieht bei dem Kreiſe der Wirbelthiere allgemein nach einem gemeinſchaftlichen Grundplane, der ſich indeſſen bei den verſchiedenen Klaſſen und Ordnungen in mannigfacher Weiſe modifizirt. Ueberall iſt der Dotter von einer deutlichen Dotterhaut umgeben, die zuweilen ſogar eine ziemlich bedeu- tende Dicke erreicht und die allmählig verſchwindet, ſobald der Embryo ſich ſeine Hüllen aufgebaut hat. Die Entwickelung geht ſtets, wie bei den Kopffüßlern und Gliederthieren, von einem beſtimmten Punkte aus und läuft kreis-wellenförmig um das Ei herum, ſo daß der Embryo- naltheil anfangs eine mehr oder minder dicke Hohlſcheibe darſtellt, welche ſich eines Theils allmählig verbreitert und ſo den Dotter ein- faßt, anderen Theils in ihrer Mitte ſich erhebt und hier eine Axe entſtehen läßt, welche in der That die Mittellinie des werdenden Thie- res iſt und das Centralnervenſyſtem und die Wirbelaxe in ſich vereinigt. Der Gegenſatz zwiſchen Dotter und Embryo tritt faſt überall ſcharf Vogt. Zoologiſche Briefe. II. 2

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/23>, abgerufen am 28.03.2024.