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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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wöhnlich bei anderen Säugethieren vorhanden sind. Der Kopf erscheint
von dem übrigen Körper durchaus nicht abgesetzt, dr Schädel ist sehr
platt, der Gehirntheil oft ungemein klein; das Gesicht dagegen groß
und die Kiefer meist bedeutend vorgezogen. Das Hinterhauptsgelenk
steht vollkommen an der hinteren Fläche des Schädels in senkrechter
Stellung und es fehlen jene starken Leisten und Vorsprünge, so wie
die Dornfortsätz der Halswirbel, an welchen bei den Landsäugethieren
besonders das den Kopf tragende Nackenband sich anheftet, dessen
Funktion hier unnöthig geworden ist, da das Gewicht des mit großen
Fettzellen versehenen Schädels hauptsächlich von dem Wasser getragen
wird. Ein äußeres Ohr fehlt allen Cetaceen, die meist nur sehr kleine
einfache Oeffnung läßt sich nur schwer auffinden. Der ganze Körper
ist unter der dicken, meist haarlosen oder nur mit zerstreuten Borsten
besetzten Haut von einer dicken Specklage umhüllt, zu deren Gewin-
nung besonders auf die Thiere dieser Ordnung Jagd gemacht wird.
Wir unterscheiden drei Unterordnungen, die sich besonders durch ihre
Bezahnung charakterisiren.

Die eigentlichen Walthiere (Cetacea) haben so sehr vor
allen anderen die Fischgestalt, daß sie an den meisten Küsten nicht
von den gewöhnlichen Fischen unterschieden werden; zur Vermehrung
dieser Aehnlichkeit besitzen viele dieser Thiere noch eine Rückenflosse,
die indeß nur durch Faserknorpel gestützt ist. Der Kopf ist ungemein
groß, so daß er bei manchen ein Drittel der ganzen Länge des Thie-
res einnimmt und der Schädel meist in der Art unsymmetrisch ausge-
bildet, daß die der rechten Seite angehörigen Knochen größer und
länger, die Oeffnungen der linken Seite (Nasenloch etc.) größer sind.
Eine besondere Eigenthümlichkeit des Schädelbaues liegt noch in der
Struktur des Felsenbeines, welches von elfenbeinerner Härte und mit
den übrigen Theilen des Schläfenbeines nicht verwachsen, sondern nur
durch Bandmasse und Fasern verbunden ist, so daß es bei der Fäul-
niß der Theile lose wird; eine Bildung, die übrigens auch den See-
kühen eigen ist. Der Rachen ungeheuer weit gespalten, die Kiefer bei
den Jungen stets, bei den Alten nicht immer mit einer großen Anzahl
spitzer, kegelförmiger Zähne bewaffnet, die in der ganzen Länge des
Kiefers keinen Unterschied zeigen und mit einer einfachen Wurzel in
den Zahnhöhlen der Kinnladen stecken. Das Gehirn der Wale ist
auffallend in die Breite entwickelt -- seine Windungen meist tief und
zahlreich. Das Auge der Walthiere ist verhältnißmäßig sehr klein

wöhnlich bei anderen Säugethieren vorhanden ſind. Der Kopf erſcheint
von dem übrigen Körper durchaus nicht abgeſetzt, dr Schädel iſt ſehr
platt, der Gehirntheil oft ungemein klein; das Geſicht dagegen groß
und die Kiefer meiſt bedeutend vorgezogen. Das Hinterhauptsgelenk
ſteht vollkommen an der hinteren Fläche des Schädels in ſenkrechter
Stellung und es fehlen jene ſtarken Leiſten und Vorſprünge, ſo wie
die Dornfortſätz der Halswirbel, an welchen bei den Landſäugethieren
beſonders das den Kopf tragende Nackenband ſich anheftet, deſſen
Funktion hier unnöthig geworden iſt, da das Gewicht des mit großen
Fettzellen verſehenen Schädels hauptſächlich von dem Waſſer getragen
wird. Ein äußeres Ohr fehlt allen Cetaceen, die meiſt nur ſehr kleine
einfache Oeffnung läßt ſich nur ſchwer auffinden. Der ganze Körper
iſt unter der dicken, meiſt haarloſen oder nur mit zerſtreuten Borſten
beſetzten Haut von einer dicken Specklage umhüllt, zu deren Gewin-
nung beſonders auf die Thiere dieſer Ordnung Jagd gemacht wird.
Wir unterſcheiden drei Unterordnungen, die ſich beſonders durch ihre
Bezahnung charakteriſiren.

Die eigentlichen Walthiere (Cetacea) haben ſo ſehr vor
allen anderen die Fiſchgeſtalt, daß ſie an den meiſten Küſten nicht
von den gewöhnlichen Fiſchen unterſchieden werden; zur Vermehrung
dieſer Aehnlichkeit beſitzen viele dieſer Thiere noch eine Rückenfloſſe,
die indeß nur durch Faſerknorpel geſtützt iſt. Der Kopf iſt ungemein
groß, ſo daß er bei manchen ein Drittel der ganzen Länge des Thie-
res einnimmt und der Schädel meiſt in der Art unſymmetriſch ausge-
bildet, daß die der rechten Seite angehörigen Knochen größer und
länger, die Oeffnungen der linken Seite (Naſenloch etc.) größer ſind.
Eine beſondere Eigenthümlichkeit des Schädelbaues liegt noch in der
Struktur des Felſenbeines, welches von elfenbeinerner Härte und mit
den übrigen Theilen des Schläfenbeines nicht verwachſen, ſondern nur
durch Bandmaſſe und Faſern verbunden iſt, ſo daß es bei der Fäul-
niß der Theile loſe wird; eine Bildung, die übrigens auch den See-
kühen eigen iſt. Der Rachen ungeheuer weit geſpalten, die Kiefer bei
den Jungen ſtets, bei den Alten nicht immer mit einer großen Anzahl
ſpitzer, kegelförmiger Zähne bewaffnet, die in der ganzen Länge des
Kiefers keinen Unterſchied zeigen und mit einer einfachen Wurzel in
den Zahnhöhlen der Kinnladen ſtecken. Das Gehirn der Wale iſt
auffallend in die Breite entwickelt — ſeine Windungen meiſt tief und
zahlreich. Das Auge der Walthiere iſt verhältnißmäßig ſehr klein

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[447/0453] wöhnlich bei anderen Säugethieren vorhanden ſind. Der Kopf erſcheint von dem übrigen Körper durchaus nicht abgeſetzt, dr Schädel iſt ſehr platt, der Gehirntheil oft ungemein klein; das Geſicht dagegen groß und die Kiefer meiſt bedeutend vorgezogen. Das Hinterhauptsgelenk ſteht vollkommen an der hinteren Fläche des Schädels in ſenkrechter Stellung und es fehlen jene ſtarken Leiſten und Vorſprünge, ſo wie die Dornfortſätz der Halswirbel, an welchen bei den Landſäugethieren beſonders das den Kopf tragende Nackenband ſich anheftet, deſſen Funktion hier unnöthig geworden iſt, da das Gewicht des mit großen Fettzellen verſehenen Schädels hauptſächlich von dem Waſſer getragen wird. Ein äußeres Ohr fehlt allen Cetaceen, die meiſt nur ſehr kleine einfache Oeffnung läßt ſich nur ſchwer auffinden. Der ganze Körper iſt unter der dicken, meiſt haarloſen oder nur mit zerſtreuten Borſten beſetzten Haut von einer dicken Specklage umhüllt, zu deren Gewin- nung beſonders auf die Thiere dieſer Ordnung Jagd gemacht wird. Wir unterſcheiden drei Unterordnungen, die ſich beſonders durch ihre Bezahnung charakteriſiren. Die eigentlichen Walthiere (Cetacea) haben ſo ſehr vor allen anderen die Fiſchgeſtalt, daß ſie an den meiſten Küſten nicht von den gewöhnlichen Fiſchen unterſchieden werden; zur Vermehrung dieſer Aehnlichkeit beſitzen viele dieſer Thiere noch eine Rückenfloſſe, die indeß nur durch Faſerknorpel geſtützt iſt. Der Kopf iſt ungemein groß, ſo daß er bei manchen ein Drittel der ganzen Länge des Thie- res einnimmt und der Schädel meiſt in der Art unſymmetriſch ausge- bildet, daß die der rechten Seite angehörigen Knochen größer und länger, die Oeffnungen der linken Seite (Naſenloch etc.) größer ſind. Eine beſondere Eigenthümlichkeit des Schädelbaues liegt noch in der Struktur des Felſenbeines, welches von elfenbeinerner Härte und mit den übrigen Theilen des Schläfenbeines nicht verwachſen, ſondern nur durch Bandmaſſe und Faſern verbunden iſt, ſo daß es bei der Fäul- niß der Theile loſe wird; eine Bildung, die übrigens auch den See- kühen eigen iſt. Der Rachen ungeheuer weit geſpalten, die Kiefer bei den Jungen ſtets, bei den Alten nicht immer mit einer großen Anzahl ſpitzer, kegelförmiger Zähne bewaffnet, die in der ganzen Länge des Kiefers keinen Unterſchied zeigen und mit einer einfachen Wurzel in den Zahnhöhlen der Kinnladen ſtecken. Das Gehirn der Wale iſt auffallend in die Breite entwickelt — ſeine Windungen meiſt tief und zahlreich. Das Auge der Walthiere iſt verhältnißmäßig ſehr klein

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/453>, abgerufen am 25.04.2024.