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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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mehr oder minder rundlich, die Schläfengruben tief, die Leisten zum
Ansatze der Beißmuskeln meist so stark entwickelt, daß sie einen hohen
Kamm bilden, der sich über den ganzen Raum des Mittelhauptes er-
streckt. Die Jochbogen sind breit, sehr bedeutend nach außen gebogen,
um den mächtigen Beißmuskeln den Durchgang zu gestatten; die Augen-
höhlen nach hinten in die Schläfengruben geöffnet; die Kiefer sind um
so kräftiger und gedrungener, der aufsteigende Ast des Unterkiefers um
so entwickelter, je raubgieriger das Thier ist. Die Bezahnung ist

[Abbildung] Fig. 1424.

Oberkieferzähne des Hundes.
a b c Schneidezähne. d Eckzahn. e f g Lückenzähne. h i j Backzähne.
h Reißzahn.

mannigfaltiger, als in irgend einer anderen Gruppe, da die Formen
der Backzähne so sehr unter sich abweichen, daß man mehrfache Arten
derselben unterscheiden kann. Die Schneidezähne sind in der Regel
nur klein, quergestellt, scharf schneidend und in beiden Kinnladen stets
in der Zahl von sechs vorhanden; die Eckzähne sind fast stets gekrümmt
und um so schärfer, je mehr das Thier ausschließlich von Fleisch-
nahrung lebt; meist greifen die Eckzähne so in einander, daß beim
Schließen des Maules der des Unterkiefers in eine Lücke zwischen den
Schneidezähnen und den oberen Eckzähnen eingreift; hinter den Eck-
zähnen folgen meist einige kleine, gewöhnlich kegelförmige, spitzige,
einwurzelige Zähne, welche man die falschen Backzähne oder die Lücken-
zähne genannt hat. Die Reihe der eigentlichen mehrwurzeligen Back-
zähne wird gewöhnlich von einem großen, messerscharfen, mehrspitzigen
Zahne begonnen, dem Reiß- oder Fleischzahne, dem einige mehrwurze-
lige höckerige Backzähne folgen. Je raubgieriger das Naturell, desto
weniger zahlreich sind diese Backzähne, desto schärfer, sägenartiger
ihre Kronen; -- je mehr das Thier sich auch zugleich mit Pflanzenkost
begnügt, desto breiter werden die Kronen und erhalten mehr oder
minder spitze Höcker und nach innen vorspringende Ansätze, welche die
Kaufläche des Zahnes verbreitern und beim Schließen des Maules in
einander greifen. Die weichen Lippen der Raubthiere sind stets mit

mehr oder minder rundlich, die Schläfengruben tief, die Leiſten zum
Anſatze der Beißmuskeln meiſt ſo ſtark entwickelt, daß ſie einen hohen
Kamm bilden, der ſich über den ganzen Raum des Mittelhauptes er-
ſtreckt. Die Jochbogen ſind breit, ſehr bedeutend nach außen gebogen,
um den mächtigen Beißmuskeln den Durchgang zu geſtatten; die Augen-
höhlen nach hinten in die Schläfengruben geöffnet; die Kiefer ſind um
ſo kräftiger und gedrungener, der aufſteigende Aſt des Unterkiefers um
ſo entwickelter, je raubgieriger das Thier iſt. Die Bezahnung iſt

[Abbildung] Fig. 1424.

Oberkieferzähne des Hundes.
a b c Schneidezähne. d Eckzahn. e f g Lückenzähne. h i j Backzähne.
h Reißzahn.

mannigfaltiger, als in irgend einer anderen Gruppe, da die Formen
der Backzähne ſo ſehr unter ſich abweichen, daß man mehrfache Arten
derſelben unterſcheiden kann. Die Schneidezähne ſind in der Regel
nur klein, quergeſtellt, ſcharf ſchneidend und in beiden Kinnladen ſtets
in der Zahl von ſechs vorhanden; die Eckzähne ſind faſt ſtets gekrümmt
und um ſo ſchärfer, je mehr das Thier ausſchließlich von Fleiſch-
nahrung lebt; meiſt greifen die Eckzähne ſo in einander, daß beim
Schließen des Maules der des Unterkiefers in eine Lücke zwiſchen den
Schneidezähnen und den oberen Eckzähnen eingreift; hinter den Eck-
zähnen folgen meiſt einige kleine, gewöhnlich kegelförmige, ſpitzige,
einwurzelige Zähne, welche man die falſchen Backzähne oder die Lücken-
zähne genannt hat. Die Reihe der eigentlichen mehrwurzeligen Back-
zähne wird gewöhnlich von einem großen, meſſerſcharfen, mehrſpitzigen
Zahne begonnen, dem Reiß- oder Fleiſchzahne, dem einige mehrwurze-
lige höckerige Backzähne folgen. Je raubgieriger das Naturell, deſto
weniger zahlreich ſind dieſe Backzähne, deſto ſchärfer, ſägenartiger
ihre Kronen; — je mehr das Thier ſich auch zugleich mit Pflanzenkoſt
begnügt, deſto breiter werden die Kronen und erhalten mehr oder
minder ſpitze Höcker und nach innen vorſpringende Anſätze, welche die
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[491/0497] mehr oder minder rundlich, die Schläfengruben tief, die Leiſten zum Anſatze der Beißmuskeln meiſt ſo ſtark entwickelt, daß ſie einen hohen Kamm bilden, der ſich über den ganzen Raum des Mittelhauptes er- ſtreckt. Die Jochbogen ſind breit, ſehr bedeutend nach außen gebogen, um den mächtigen Beißmuskeln den Durchgang zu geſtatten; die Augen- höhlen nach hinten in die Schläfengruben geöffnet; die Kiefer ſind um ſo kräftiger und gedrungener, der aufſteigende Aſt des Unterkiefers um ſo entwickelter, je raubgieriger das Thier iſt. Die Bezahnung iſt [Abbildung Fig. 1424. Oberkieferzähne des Hundes. a b c Schneidezähne. d Eckzahn. e f g Lückenzähne. h i j Backzähne. h Reißzahn.] mannigfaltiger, als in irgend einer anderen Gruppe, da die Formen der Backzähne ſo ſehr unter ſich abweichen, daß man mehrfache Arten derſelben unterſcheiden kann. Die Schneidezähne ſind in der Regel nur klein, quergeſtellt, ſcharf ſchneidend und in beiden Kinnladen ſtets in der Zahl von ſechs vorhanden; die Eckzähne ſind faſt ſtets gekrümmt und um ſo ſchärfer, je mehr das Thier ausſchließlich von Fleiſch- nahrung lebt; meiſt greifen die Eckzähne ſo in einander, daß beim Schließen des Maules der des Unterkiefers in eine Lücke zwiſchen den Schneidezähnen und den oberen Eckzähnen eingreift; hinter den Eck- zähnen folgen meiſt einige kleine, gewöhnlich kegelförmige, ſpitzige, einwurzelige Zähne, welche man die falſchen Backzähne oder die Lücken- zähne genannt hat. Die Reihe der eigentlichen mehrwurzeligen Back- zähne wird gewöhnlich von einem großen, meſſerſcharfen, mehrſpitzigen Zahne begonnen, dem Reiß- oder Fleiſchzahne, dem einige mehrwurze- lige höckerige Backzähne folgen. Je raubgieriger das Naturell, deſto weniger zahlreich ſind dieſe Backzähne, deſto ſchärfer, ſägenartiger ihre Kronen; — je mehr das Thier ſich auch zugleich mit Pflanzenkoſt begnügt, deſto breiter werden die Kronen und erhalten mehr oder minder ſpitze Höcker und nach innen vorſpringende Anſätze, welche die Kaufläche des Zahnes verbreitern und beim Schließen des Maules in einander greifen. Die weichen Lippen der Raubthiere ſind ſtets mit

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/497>, abgerufen am 29.03.2024.