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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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und dessen Inseln mit Ausnahme des nördlichen Polarkreises, welcher
von einer anderen Art bewohnt wird. Die sämmtlichen Ureinwohner
Amerika's, so sehr auch ihre einzelnen Eigenthümlichkeiten abweichen
mögen, zeigen dennoch viele gemeinsame Charaktere und eine allge-
meine Aehnlichkeit ihrer hundertfach abweichenden Sprachen, besonders
in dem grammatikalischen Baue. Es zeichnen sich dieselben nämlich
dadurch aus, daß die Amerikaner einzelne Stücke von Worten oder
Stammwurzeln gewissermaßen aneinander leimen, um so zusammenge-
setzte Worte zu bilden, welche den Sinn ganzer Sätze haben, eine
Eigenthümlichkeit, welche man mit dem Namen der poly-synthetischen
Structur belegt hat. Die Hautfarbe der Amerikaner ist im Allgemei-
nen thonfarbig, im Norden mehr ins Rothe, Kupfrige, im Süden
mehr in's Braune und Schwärzliche spielend, auf den Gebirgen hel-
ler, in den Ebenen gesättigter. Das Haar ist stets schwarz, nur in
Ausnahmefällen eigenthümlich silbern blond, lang, schlicht und straff,
die Augenbrauen dick, die Augen im Allgemeinen kleiner als bei den
Europäern, scheinbar stumpf und schläfrig, die Nase groß und stets
gebogen, scharfrückig, die Nasenflügel aber breit und die Nasenöffnun-
gen so gestellt, daß beim Anschauen von unten herein sie mit den
Augenbogen parallel laufen. Die Stirn weicht gewöhnlich sehr zurück und
es wurde dieß bei manchen Stämmen für eine solche Schönheit gehalten,
daß man sogar durch künstliche Mittel bei den Säuglingen die Stirn ein-
drückte und nach hinten zu abplattete. Die Backenknochen sind stets
sehr breit, stark vorragend, die Schädel bei allen jetzt lebenden Ame-
rikanern mit vorspringenden Kiefern und schief gestellten Zähnen ver-
sehen. Im Norden wie im Süden Amerika's finden sich sowohl Lang-
köpfe als Breitköpfe unter den zahlreichen Indianerstämmen und zwar
zeigen hauptsächlich die Lenape's, die Iroquois und die Cherokeesen,
sowie die Mandanen und im Süden Botokuden und Karaiben die
verlängerte Kopfform, während die Osagen, die Natchez, die Creeks
und die Seminolen im Norden, sowie im Süden die Araukaner und
Peruaner die breite Kopfform zeigen. Nähere Untersuchungen müssen
noch angestellt werden, um nachzuweisen, was man bis jetzt noch als
zweifelhaft hingestellt hat, ob die alten Culturvölker der Indianer, die
Azteken in Mexiko und die Ynka's in Peru wirklich nicht zu den Schief-
zähnern, sondern zu den Geradzähnern gehörten. Es wäre dieß aller-
dings in so fern bedeutungsvoll, als die höhere Ausbildung dieser aus-
gestorbenen Volksstämme eine Unterstützung für die Ansicht geben würde,
daß die Culturperiode der amerikanischen Völkerschaften vorüber und
die ganze Art dem allmäligen Untergange geweiht sei.


und deſſen Inſeln mit Ausnahme des nördlichen Polarkreiſes, welcher
von einer anderen Art bewohnt wird. Die ſämmtlichen Ureinwohner
Amerika’s, ſo ſehr auch ihre einzelnen Eigenthümlichkeiten abweichen
mögen, zeigen dennoch viele gemeinſame Charaktere und eine allge-
meine Aehnlichkeit ihrer hundertfach abweichenden Sprachen, beſonders
in dem grammatikaliſchen Baue. Es zeichnen ſich dieſelben nämlich
dadurch aus, daß die Amerikaner einzelne Stücke von Worten oder
Stammwurzeln gewiſſermaßen aneinander leimen, um ſo zuſammenge-
ſetzte Worte zu bilden, welche den Sinn ganzer Sätze haben, eine
Eigenthümlichkeit, welche man mit dem Namen der poly-ſynthetiſchen
Structur belegt hat. Die Hautfarbe der Amerikaner iſt im Allgemei-
nen thonfarbig, im Norden mehr ins Rothe, Kupfrige, im Süden
mehr in’s Braune und Schwärzliche ſpielend, auf den Gebirgen hel-
ler, in den Ebenen geſättigter. Das Haar iſt ſtets ſchwarz, nur in
Ausnahmefällen eigenthümlich ſilbern blond, lang, ſchlicht und ſtraff,
die Augenbrauen dick, die Augen im Allgemeinen kleiner als bei den
Europäern, ſcheinbar ſtumpf und ſchläfrig, die Naſe groß und ſtets
gebogen, ſcharfrückig, die Naſenflügel aber breit und die Naſenöffnun-
gen ſo geſtellt, daß beim Anſchauen von unten herein ſie mit den
Augenbogen parallel laufen. Die Stirn weicht gewöhnlich ſehr zurück und
es wurde dieß bei manchen Stämmen für eine ſolche Schönheit gehalten,
daß man ſogar durch künſtliche Mittel bei den Säuglingen die Stirn ein-
drückte und nach hinten zu abplattete. Die Backenknochen ſind ſtets
ſehr breit, ſtark vorragend, die Schädel bei allen jetzt lebenden Ame-
rikanern mit vorſpringenden Kiefern und ſchief geſtellten Zähnen ver-
ſehen. Im Norden wie im Süden Amerika’s finden ſich ſowohl Lang-
köpfe als Breitköpfe unter den zahlreichen Indianerſtämmen und zwar
zeigen hauptſächlich die Lenape’s, die Iroquois und die Cherokeeſen,
ſowie die Mandanen und im Süden Botokuden und Karaiben die
verlängerte Kopfform, während die Oſagen, die Natchez, die Creeks
und die Seminolen im Norden, ſowie im Süden die Araukaner und
Peruaner die breite Kopfform zeigen. Nähere Unterſuchungen müſſen
noch angeſtellt werden, um nachzuweiſen, was man bis jetzt noch als
zweifelhaft hingeſtellt hat, ob die alten Culturvölker der Indianer, die
Azteken in Mexiko und die Ynka’s in Peru wirklich nicht zu den Schief-
zähnern, ſondern zu den Geradzähnern gehörten. Es wäre dieß aller-
dings in ſo fern bedeutungsvoll, als die höhere Ausbildung dieſer aus-
geſtorbenen Volksſtämme eine Unterſtützung für die Anſicht geben würde,
daß die Culturperiode der amerikaniſchen Völkerſchaften vorüber und
die ganze Art dem allmäligen Untergange geweiht ſei.


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[562/0568] und deſſen Inſeln mit Ausnahme des nördlichen Polarkreiſes, welcher von einer anderen Art bewohnt wird. Die ſämmtlichen Ureinwohner Amerika’s, ſo ſehr auch ihre einzelnen Eigenthümlichkeiten abweichen mögen, zeigen dennoch viele gemeinſame Charaktere und eine allge- meine Aehnlichkeit ihrer hundertfach abweichenden Sprachen, beſonders in dem grammatikaliſchen Baue. Es zeichnen ſich dieſelben nämlich dadurch aus, daß die Amerikaner einzelne Stücke von Worten oder Stammwurzeln gewiſſermaßen aneinander leimen, um ſo zuſammenge- ſetzte Worte zu bilden, welche den Sinn ganzer Sätze haben, eine Eigenthümlichkeit, welche man mit dem Namen der poly-ſynthetiſchen Structur belegt hat. Die Hautfarbe der Amerikaner iſt im Allgemei- nen thonfarbig, im Norden mehr ins Rothe, Kupfrige, im Süden mehr in’s Braune und Schwärzliche ſpielend, auf den Gebirgen hel- ler, in den Ebenen geſättigter. Das Haar iſt ſtets ſchwarz, nur in Ausnahmefällen eigenthümlich ſilbern blond, lang, ſchlicht und ſtraff, die Augenbrauen dick, die Augen im Allgemeinen kleiner als bei den Europäern, ſcheinbar ſtumpf und ſchläfrig, die Naſe groß und ſtets gebogen, ſcharfrückig, die Naſenflügel aber breit und die Naſenöffnun- gen ſo geſtellt, daß beim Anſchauen von unten herein ſie mit den Augenbogen parallel laufen. Die Stirn weicht gewöhnlich ſehr zurück und es wurde dieß bei manchen Stämmen für eine ſolche Schönheit gehalten, daß man ſogar durch künſtliche Mittel bei den Säuglingen die Stirn ein- drückte und nach hinten zu abplattete. Die Backenknochen ſind ſtets ſehr breit, ſtark vorragend, die Schädel bei allen jetzt lebenden Ame- rikanern mit vorſpringenden Kiefern und ſchief geſtellten Zähnen ver- ſehen. Im Norden wie im Süden Amerika’s finden ſich ſowohl Lang- köpfe als Breitköpfe unter den zahlreichen Indianerſtämmen und zwar zeigen hauptſächlich die Lenape’s, die Iroquois und die Cherokeeſen, ſowie die Mandanen und im Süden Botokuden und Karaiben die verlängerte Kopfform, während die Oſagen, die Natchez, die Creeks und die Seminolen im Norden, ſowie im Süden die Araukaner und Peruaner die breite Kopfform zeigen. Nähere Unterſuchungen müſſen noch angeſtellt werden, um nachzuweiſen, was man bis jetzt noch als zweifelhaft hingeſtellt hat, ob die alten Culturvölker der Indianer, die Azteken in Mexiko und die Ynka’s in Peru wirklich nicht zu den Schief- zähnern, ſondern zu den Geradzähnern gehörten. Es wäre dieß aller- dings in ſo fern bedeutungsvoll, als die höhere Ausbildung dieſer aus- geſtorbenen Volksſtämme eine Unterſtützung für die Anſicht geben würde, daß die Culturperiode der amerikaniſchen Völkerſchaften vorüber und die ganze Art dem allmäligen Untergange geweiht ſei.

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/568>, abgerufen am 25.04.2024.