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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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menstellen, edel genug ist ihre Bildung um hö¬
here Glückseligkeit, als die sinnlichen Genüsse
oder eitlen blutigen Ruhm, erkennen und em¬
pfinden zu lernen.

Es ist übrigens hergebracht, daß vor dem
dreißigsten Jahre kein Fürst das Szepter in die
Hand nehmen darf, wird ein Thron früher er¬
ledigt, folgt eine Regentschaft.

Worin bestehn hauptsächlich die Geschäfte ei¬
nes Königs? fragte Guido.

Er hat die Satzungen der drei Räthe ent¬
weder zu genehmigen oder zu verwerfen, und
läßt sie in jenem Falle mit Machtvollkommen¬
heit zur Vollziehung bringen, antwortete Ge¬
lino.

Aber könnten die Räthe nicht allein, durch
Stimmenmehrheit, entscheiden, und mit Gewalt
zum Vollbringen ausgerüstet sein? So bedürfte
es keiner Könige.

"Trennungen, Partheigeist, Unruhen, sind
dann, wie die Erfahrung bewies, leicht die Folge.
Wir würden sie zwar weniger zu fürchten haben,
als jene Zeiten, da beim Einzelnen die Sinn¬
lichkeit selten, die Vernunft meistens den herr¬
schenden Zügel führt, aber wenn alle Gewal¬

menſtellen, edel genug iſt ihre Bildung um hoͤ¬
here Gluͤckſeligkeit, als die ſinnlichen Genuͤſſe
oder eitlen blutigen Ruhm, erkennen und em¬
pfinden zu lernen.

Es iſt uͤbrigens hergebracht, daß vor dem
dreißigſten Jahre kein Fuͤrſt das Szepter in die
Hand nehmen darf, wird ein Thron fruͤher er¬
ledigt, folgt eine Regentſchaft.

Worin beſtehn hauptſaͤchlich die Geſchaͤfte ei¬
nes Koͤnigs? fragte Guido.

Er hat die Satzungen der drei Raͤthe ent¬
weder zu genehmigen oder zu verwerfen, und
laͤßt ſie in jenem Falle mit Machtvollkommen¬
heit zur Vollziehung bringen, antwortete Ge¬
lino.

Aber koͤnnten die Raͤthe nicht allein, durch
Stimmenmehrheit, entſcheiden, und mit Gewalt
zum Vollbringen ausgeruͤſtet ſein? So beduͤrfte
es keiner Koͤnige.

„Trennungen, Partheigeiſt, Unruhen, ſind
dann, wie die Erfahrung bewies, leicht die Folge.
Wir wuͤrden ſie zwar weniger zu fuͤrchten haben,
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lichkeit ſelten, die Vernunft meiſtens den herr¬
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[185/0197] menſtellen, edel genug iſt ihre Bildung um hoͤ¬ here Gluͤckſeligkeit, als die ſinnlichen Genuͤſſe oder eitlen blutigen Ruhm, erkennen und em¬ pfinden zu lernen. Es iſt uͤbrigens hergebracht, daß vor dem dreißigſten Jahre kein Fuͤrſt das Szepter in die Hand nehmen darf, wird ein Thron fruͤher er¬ ledigt, folgt eine Regentſchaft. Worin beſtehn hauptſaͤchlich die Geſchaͤfte ei¬ nes Koͤnigs? fragte Guido. Er hat die Satzungen der drei Raͤthe ent¬ weder zu genehmigen oder zu verwerfen, und laͤßt ſie in jenem Falle mit Machtvollkommen¬ heit zur Vollziehung bringen, antwortete Ge¬ lino. Aber koͤnnten die Raͤthe nicht allein, durch Stimmenmehrheit, entſcheiden, und mit Gewalt zum Vollbringen ausgeruͤſtet ſein? So beduͤrfte es keiner Koͤnige. „Trennungen, Partheigeiſt, Unruhen, ſind dann, wie die Erfahrung bewies, leicht die Folge. Wir wuͤrden ſie zwar weniger zu fuͤrchten haben, als jene Zeiten, da beim Einzelnen die Sinn¬ lichkeit ſelten, die Vernunft meiſtens den herr¬ ſchenden Zuͤgel fuͤhrt, aber wenn alle Gewal¬

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/197>, abgerufen am 28.03.2024.