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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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kann, den Mann der funfzig Jahre irgend einen
Beruf rühmlich verwaltete, das Ehepaar, in ei¬
ner langen Reihe von Jahren durch häusliche
Tugenden ehrwürdig, den alten treubewährten
Diener, und ertheilen ihm öffentlich Lob oder
Ehrenzeichen. Die ältesten, tadellosesten, weise¬
sten unter allen Mosespriestern, bilden in der
Hauptstadt des Königs den zweiten Rath. --
Im Tempel der Maria fleht die Liebe, der
Ehen heiliges Band wird dort geknüpft, die
schönen das Leben schmückenden Künste, die Poesie,
die aufgeblühte Jugend wähnen sich in der Obhut
der Heiligen. Unter ihren Priesterinnen steht nun
das ganze weibliche Geschlecht. In alter Zeit
wurde es herabwürdigend beengt, wir aber sahen
ein, daß Vernunftwesen eine andere Stellung
in der Gesellschaft gebührt, und ihre Moralität
so durchaus gewinnen muß. Darum üben sie
eignen erhebenden Kultus, werden in Reden
edler Priesterinnen an die Gattinpflicht gemahnt,
ihnen die Grundsätze der frühesten Kinderzucht
erläutert, ihr Sinn für das Schöne und Gute
geschärft, wodurch sie an Anmuth und Lie¬
benswürdigkeit zunehmen. Bei uneinigen Ehen
wird der Frauen Recht wahrgenommen, im seltnen

kann, den Mann der funfzig Jahre irgend einen
Beruf ruͤhmlich verwaltete, das Ehepaar, in ei¬
ner langen Reihe von Jahren durch haͤusliche
Tugenden ehrwuͤrdig, den alten treubewaͤhrten
Diener, und ertheilen ihm oͤffentlich Lob oder
Ehrenzeichen. Die aͤlteſten, tadelloſeſten, weiſe¬
ſten unter allen Moſesprieſtern, bilden in der
Hauptſtadt des Koͤnigs den zweiten Rath. —
Im Tempel der Maria fleht die Liebe, der
Ehen heiliges Band wird dort geknuͤpft, die
ſchoͤnen das Leben ſchmuͤckenden Kuͤnſte, die Poeſie,
die aufgebluͤhte Jugend waͤhnen ſich in der Obhut
der Heiligen. Unter ihren Prieſterinnen ſteht nun
das ganze weibliche Geſchlecht. In alter Zeit
wurde es herabwuͤrdigend beengt, wir aber ſahen
ein, daß Vernunftweſen eine andere Stellung
in der Geſellſchaft gebuͤhrt, und ihre Moralitaͤt
ſo durchaus gewinnen muß. Darum uͤben ſie
eignen erhebenden Kultus, werden in Reden
edler Prieſterinnen an die Gattinpflicht gemahnt,
ihnen die Grundſaͤtze der fruͤheſten Kinderzucht
erlaͤutert, ihr Sinn fuͤr das Schoͤne und Gute
geſchaͤrft, wodurch ſie an Anmuth und Lie¬
benswuͤrdigkeit zunehmen. Bei uneinigen Ehen
wird der Frauen Recht wahrgenommen, im ſeltnen

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[194/0206] kann, den Mann der funfzig Jahre irgend einen Beruf ruͤhmlich verwaltete, das Ehepaar, in ei¬ ner langen Reihe von Jahren durch haͤusliche Tugenden ehrwuͤrdig, den alten treubewaͤhrten Diener, und ertheilen ihm oͤffentlich Lob oder Ehrenzeichen. Die aͤlteſten, tadelloſeſten, weiſe¬ ſten unter allen Moſesprieſtern, bilden in der Hauptſtadt des Koͤnigs den zweiten Rath. — Im Tempel der Maria fleht die Liebe, der Ehen heiliges Band wird dort geknuͤpft, die ſchoͤnen das Leben ſchmuͤckenden Kuͤnſte, die Poeſie, die aufgebluͤhte Jugend waͤhnen ſich in der Obhut der Heiligen. Unter ihren Prieſterinnen ſteht nun das ganze weibliche Geſchlecht. In alter Zeit wurde es herabwuͤrdigend beengt, wir aber ſahen ein, daß Vernunftweſen eine andere Stellung in der Geſellſchaft gebuͤhrt, und ihre Moralitaͤt ſo durchaus gewinnen muß. Darum uͤben ſie eignen erhebenden Kultus, werden in Reden edler Prieſterinnen an die Gattinpflicht gemahnt, ihnen die Grundſaͤtze der fruͤheſten Kinderzucht erlaͤutert, ihr Sinn fuͤr das Schoͤne und Gute geſchaͤrft, wodurch ſie an Anmuth und Lie¬ benswuͤrdigkeit zunehmen. Bei uneinigen Ehen wird der Frauen Recht wahrgenommen, im ſeltnen

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/206>, abgerufen am 25.04.2024.