Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Befragte erröthete. Sanft munterte ihn
aber der Alte auf und fuhr fort:

Willst du den Thron deiner Väter besteigen?

"Wenn ihr, fromme Väter, mich dessen
würdig achtet."

Das kömmt nur auf dich selbst an. -- Was
denkst du hauptsächlich beim Regieren zu thun?

"Ueberall das Gute zu fördern."

Ei, dort falsche Bescheidenheit, hier große
Anmaaßung. Räume nur zuvor überall das Böse
hinweg, so wird das Gute von selbst folgen.

"Ich hoffe -- nicht zu irren -- wenn ich
strenge den Vater zum Vorbild wähle -- "

So? Du hoffst demnach so gut wie der Vater
zu regieren.

"Ganz so freilich nicht."

O, ihn zu übertreffen muß dein Vorsatz sein,
wie gerechtes Lob er auch fand. Die neue ent¬
wickeltere Zeit läßt dir ja ihr Licht flammen.
Durch deine Räthe empfängst du es, kannst seine
Strahlen, in deiner Vernunft gesammelt, wohl¬
thätig zurückgießen. -- Bist du vermählt?

"Noch nicht."

Seltsam! Und aus welchem Grunde?

Der Befragte erroͤthete. Sanft munterte ihn
aber der Alte auf und fuhr fort:

Willſt du den Thron deiner Vaͤter beſteigen?

„Wenn ihr, fromme Vaͤter, mich deſſen
wuͤrdig achtet.“

Das koͤmmt nur auf dich ſelbſt an. — Was
denkſt du hauptſaͤchlich beim Regieren zu thun?

„Ueberall das Gute zu foͤrdern.“

Ei, dort falſche Beſcheidenheit, hier große
Anmaaßung. Raͤume nur zuvor uͤberall das Boͤſe
hinweg, ſo wird das Gute von ſelbſt folgen.

„Ich hoffe — nicht zu irren — wenn ich
ſtrenge den Vater zum Vorbild waͤhle — „

So? Du hoffſt demnach ſo gut wie der Vater
zu regieren.

„Ganz ſo freilich nicht.“

O, ihn zu uͤbertreffen muß dein Vorſatz ſein,
wie gerechtes Lob er auch fand. Die neue ent¬
wickeltere Zeit laͤßt dir ja ihr Licht flammen.
Durch deine Raͤthe empfaͤngſt du es, kannſt ſeine
Strahlen, in deiner Vernunft geſammelt, wohl¬
thaͤtig zuruͤckgießen. — Biſt du vermaͤhlt?

„Noch nicht.“

Seltſam! Und aus welchem Grunde?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0215" n="203"/>
          <p>Der Befragte erro&#x0364;thete. Sanft munterte ihn<lb/>
aber der Alte auf und fuhr fort:</p><lb/>
          <p>Will&#x017F;t du den Thron deiner Va&#x0364;ter be&#x017F;teigen?</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wenn ihr, fromme Va&#x0364;ter, mich de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wu&#x0364;rdig achtet.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Das ko&#x0364;mmt nur auf dich &#x017F;elb&#x017F;t an. &#x2014; Was<lb/>
denk&#x017F;t du haupt&#x017F;a&#x0364;chlich beim Regieren zu thun?</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ueberall das Gute zu fo&#x0364;rdern.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Ei, dort fal&#x017F;che Be&#x017F;cheidenheit, hier große<lb/>
Anmaaßung. Ra&#x0364;ume nur zuvor u&#x0364;berall das Bo&#x0364;&#x017F;e<lb/>
hinweg, &#x017F;o wird das Gute von &#x017F;elb&#x017F;t folgen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich hoffe &#x2014; nicht zu irren &#x2014; wenn ich<lb/>
&#x017F;trenge den Vater zum Vorbild wa&#x0364;hle &#x2014; &#x201E;</p><lb/>
          <p>So? Du hoff&#x017F;t demnach &#x017F;o gut wie der Vater<lb/>
zu regieren.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ganz &#x017F;o freilich nicht.&#x201C;</p><lb/>
          <p>O, ihn zu u&#x0364;bertreffen muß dein Vor&#x017F;atz &#x017F;ein,<lb/>
wie gerechtes Lob er auch fand. Die neue ent¬<lb/>
wickeltere Zeit la&#x0364;ßt dir ja ihr Licht flammen.<lb/>
Durch deine Ra&#x0364;the empfa&#x0364;ng&#x017F;t du es, kann&#x017F;t &#x017F;eine<lb/>
Strahlen, in deiner Vernunft ge&#x017F;ammelt, wohl¬<lb/>
tha&#x0364;tig zuru&#x0364;ckgießen. &#x2014; Bi&#x017F;t du verma&#x0364;hlt?</p><lb/>
          <p>&#x201E;Noch nicht.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Selt&#x017F;am! Und aus welchem Grunde?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0215] Der Befragte erroͤthete. Sanft munterte ihn aber der Alte auf und fuhr fort: Willſt du den Thron deiner Vaͤter beſteigen? „Wenn ihr, fromme Vaͤter, mich deſſen wuͤrdig achtet.“ Das koͤmmt nur auf dich ſelbſt an. — Was denkſt du hauptſaͤchlich beim Regieren zu thun? „Ueberall das Gute zu foͤrdern.“ Ei, dort falſche Beſcheidenheit, hier große Anmaaßung. Raͤume nur zuvor uͤberall das Boͤſe hinweg, ſo wird das Gute von ſelbſt folgen. „Ich hoffe — nicht zu irren — wenn ich ſtrenge den Vater zum Vorbild waͤhle — „ So? Du hoffſt demnach ſo gut wie der Vater zu regieren. „Ganz ſo freilich nicht.“ O, ihn zu uͤbertreffen muß dein Vorſatz ſein, wie gerechtes Lob er auch fand. Die neue ent¬ wickeltere Zeit laͤßt dir ja ihr Licht flammen. Durch deine Raͤthe empfaͤngſt du es, kannſt ſeine Strahlen, in deiner Vernunft geſammelt, wohl¬ thaͤtig zuruͤckgießen. — Biſt du vermaͤhlt? „Noch nicht.“ Seltſam! Und aus welchem Grunde?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/215
Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/215>, abgerufen am 25.04.2024.