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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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nicht ahnen konnte. Dann wechselte man sie oft
und unvermuthet. Ferner hatten sie den feinen
Takt des Volkes zu fürchten, das über die Ge¬
rechtigkeit ihrer Verhandlungen scharf fühlte, und
ihre Ehrliebe hätte ein mißbilligend Geräusch,
seit länger als einem Jahrhunderte nicht erfolgt,
kaum getragen. Eben auch stand dem Kaiser das
Recht zu, den mit der Strafe ewiger Entehrung
zu belegen, der nicht furchtlose Tugend zu seiner
Richtschnur wählte. Endlich durften die Könige
insgesammt, wenn ihre Stimmenmehrheit das
Verfahren dieses Gerichtes tadelnswürdig fand,
Einspruch thun, und sich selbst in seinem Pal¬
laste versammeln, um statt desselben zu richten,
wo denn der Kaiser in Person vorsaß und das
Recht der Billigung oder Verwerfung übte.
Alle diese Maaßregeln erhielten die Ehre des
Senats unsträflich.

Guido redete viel mit seinem Lehrer über
die Antworten des Thronkandidaten. Er behaup¬
tete sehr keck, sie besser gegeben haben zu wür¬
den, und Gelino ermahnte ihn, im Gefühl sei¬
nes Feuers auch nicht weiter zu dringen als
Bescheidenheit es gestatte.

Aber, rief der Jüngling, war es denn nicht

nicht ahnen konnte. Dann wechſelte man ſie oft
und unvermuthet. Ferner hatten ſie den feinen
Takt des Volkes zu fuͤrchten, das uͤber die Ge¬
rechtigkeit ihrer Verhandlungen ſcharf fuͤhlte, und
ihre Ehrliebe haͤtte ein mißbilligend Geraͤuſch,
ſeit laͤnger als einem Jahrhunderte nicht erfolgt,
kaum getragen. Eben auch ſtand dem Kaiſer das
Recht zu, den mit der Strafe ewiger Entehrung
zu belegen, der nicht furchtloſe Tugend zu ſeiner
Richtſchnur waͤhlte. Endlich durften die Koͤnige
insgeſammt, wenn ihre Stimmenmehrheit das
Verfahren dieſes Gerichtes tadelnswuͤrdig fand,
Einſpruch thun, und ſich ſelbſt in ſeinem Pal¬
laſte verſammeln, um ſtatt deſſelben zu richten,
wo denn der Kaiſer in Perſon vorſaß und das
Recht der Billigung oder Verwerfung uͤbte.
Alle dieſe Maaßregeln erhielten die Ehre des
Senats unſtraͤflich.

Guido redete viel mit ſeinem Lehrer uͤber
die Antworten des Thronkandidaten. Er behaup¬
tete ſehr keck, ſie beſſer gegeben haben zu wuͤr¬
den, und Gelino ermahnte ihn, im Gefuͤhl ſei¬
nes Feuers auch nicht weiter zu dringen als
Beſcheidenheit es geſtatte.

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[206/0218] nicht ahnen konnte. Dann wechſelte man ſie oft und unvermuthet. Ferner hatten ſie den feinen Takt des Volkes zu fuͤrchten, das uͤber die Ge¬ rechtigkeit ihrer Verhandlungen ſcharf fuͤhlte, und ihre Ehrliebe haͤtte ein mißbilligend Geraͤuſch, ſeit laͤnger als einem Jahrhunderte nicht erfolgt, kaum getragen. Eben auch ſtand dem Kaiſer das Recht zu, den mit der Strafe ewiger Entehrung zu belegen, der nicht furchtloſe Tugend zu ſeiner Richtſchnur waͤhlte. Endlich durften die Koͤnige insgeſammt, wenn ihre Stimmenmehrheit das Verfahren dieſes Gerichtes tadelnswuͤrdig fand, Einſpruch thun, und ſich ſelbſt in ſeinem Pal¬ laſte verſammeln, um ſtatt deſſelben zu richten, wo denn der Kaiſer in Perſon vorſaß und das Recht der Billigung oder Verwerfung uͤbte. Alle dieſe Maaßregeln erhielten die Ehre des Senats unſtraͤflich. Guido redete viel mit ſeinem Lehrer uͤber die Antworten des Thronkandidaten. Er behaup¬ tete ſehr keck, ſie beſſer gegeben haben zu wuͤr¬ den, und Gelino ermahnte ihn, im Gefuͤhl ſei¬ nes Feuers auch nicht weiter zu dringen als Beſcheidenheit es geſtatte. Aber, rief der Juͤngling, war es denn nicht

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/218>, abgerufen am 28.03.2024.