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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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Stelle flehte ich zu Ini, und Götterkraft durch¬
glühte mich!

"Wahrlich, die Prüfung in jenem Tribunal
scheint dich hoch zu entflammen."

Diese Bemerkung des Lehrers war richtig.
Guido sann, von diesem Tage an, öfter einsam
nach, warf Gedanken über manche Völkerange¬
legenheiten aufs Papier, schnelle Röthe überzog
seine Wange, wenn edle Monarchen und ihre
Thaten genannt wurden. Oft sprach er von dem
Tempel der Unsterblichkeit und erklärte, einen
heißen Drang zu fühlen, ihn zu sehn. Habe Ge¬
duld, versetzte Gelino, wir werden nach Rom
kommen.

Die Wanderer besuchten nun hier verschiedene
Lehrstühle, denn, wie der Norden von Teutonien
für das gelehrteste Land galt, nannte dies wie¬
der die hohe Schule zu Berlin die gelehrteste.

Ein Lehrer trug die Geometrie vor, handelte
von den seit etwa drei Jahrhunderten erfunde¬
nen neuen Lehrsätzen, und lächelte dabei über
die geringfügigen Konzepzionen eines Archimedes,
Galilei, Newton, la Place. Doch setzte er auch
billig hinzu: Diese Männer bleiben dennoch im
Verhältniß zu ihren Zeiten vorteffliche Köpfe, daß

die

Stelle flehte ich zu Ini, und Goͤtterkraft durch¬
gluͤhte mich!

„Wahrlich, die Pruͤfung in jenem Tribunal
ſcheint dich hoch zu entflammen.„

Dieſe Bemerkung des Lehrers war richtig.
Guido ſann, von dieſem Tage an, oͤfter einſam
nach, warf Gedanken uͤber manche Voͤlkerange¬
legenheiten aufs Papier, ſchnelle Roͤthe uͤberzog
ſeine Wange, wenn edle Monarchen und ihre
Thaten genannt wurden. Oft ſprach er von dem
Tempel der Unſterblichkeit und erklaͤrte, einen
heißen Drang zu fuͤhlen, ihn zu ſehn. Habe Ge¬
duld, verſetzte Gelino, wir werden nach Rom
kommen.

Die Wanderer beſuchten nun hier verſchiedene
Lehrſtuͤhle, denn, wie der Norden von Teutonien
fuͤr das gelehrteſte Land galt, nannte dies wie¬
der die hohe Schule zu Berlin die gelehrteſte.

Ein Lehrer trug die Geometrie vor, handelte
von den ſeit etwa drei Jahrhunderten erfunde¬
nen neuen Lehrſaͤtzen, und laͤchelte dabei uͤber
die geringfuͤgigen Konzepzionen eines Archimedes,
Galilei, Newton, la Place. Doch ſetzte er auch
billig hinzu: Dieſe Maͤnner bleiben dennoch im
Verhaͤltniß zu ihren Zeiten vorteffliche Koͤpfe, daß

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[208/0220] Stelle flehte ich zu Ini, und Goͤtterkraft durch¬ gluͤhte mich! „Wahrlich, die Pruͤfung in jenem Tribunal ſcheint dich hoch zu entflammen.„ Dieſe Bemerkung des Lehrers war richtig. Guido ſann, von dieſem Tage an, oͤfter einſam nach, warf Gedanken uͤber manche Voͤlkerange¬ legenheiten aufs Papier, ſchnelle Roͤthe uͤberzog ſeine Wange, wenn edle Monarchen und ihre Thaten genannt wurden. Oft ſprach er von dem Tempel der Unſterblichkeit und erklaͤrte, einen heißen Drang zu fuͤhlen, ihn zu ſehn. Habe Ge¬ duld, verſetzte Gelino, wir werden nach Rom kommen. Die Wanderer beſuchten nun hier verſchiedene Lehrſtuͤhle, denn, wie der Norden von Teutonien fuͤr das gelehrteſte Land galt, nannte dies wie¬ der die hohe Schule zu Berlin die gelehrteſte. Ein Lehrer trug die Geometrie vor, handelte von den ſeit etwa drei Jahrhunderten erfunde¬ nen neuen Lehrſaͤtzen, und laͤchelte dabei uͤber die geringfuͤgigen Konzepzionen eines Archimedes, Galilei, Newton, la Place. Doch ſetzte er auch billig hinzu: Dieſe Maͤnner bleiben dennoch im Verhaͤltniß zu ihren Zeiten vorteffliche Koͤpfe, daß die

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/220>, abgerufen am 24.04.2024.