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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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Allein der Ausdruck eines so schönen Geistes
prägte sich auch immer vollendeter in seiner Ge¬
stalt aus. Er fühlte, sah es mit Frohlocken,
schrieb an Ini: Wenn sein Auge, vielmehr sein
Herz nicht lüge, müsse er nun sehr nahe an sei¬
nem Götterziele stehn. --

Man besah noch das Innere von Berlin em¬
sig. Ein altes Zeughaus lag in ehrwürdigen
Ruinen da. Es war nicht wieder erbaut worden,
indem bei der jetzigen, glücklichen Verfassung
von Europa, in der Mitte des Staates keine
Waffenvorräthe nöthig waren.

Ein Standbild Friedrichs II. zog Guidos
Blicke auf sich. Sein Lehrer sagte: Diesem
König war freilich Neigung zum blutigen Ruhm
vorzuwerfen, und er führte Kriege, die aller¬
dings zu vermeiden gewesen wären. Doch ent¬
schuldigt der rohe Charakter seiner Zeit viel
daran. Hingegen wußte er den Monarchenberuf,
der sich mit dem Ganzen zum Vortheil Aller
verinnigen, und das Staatsschiff im Strome der
Zeit dahin lenken soll, ohne seine Wogen vor¬
auseilen zu lassen, oder ihnen selbst voranzuflie¬
gen, so richtig zu erfüllen, daß manche Züge
seines Regentenlebens, sogar jetzt noch, jungen

Allein der Ausdruck eines ſo ſchoͤnen Geiſtes
praͤgte ſich auch immer vollendeter in ſeiner Ge¬
ſtalt aus. Er fuͤhlte, ſah es mit Frohlocken,
ſchrieb an Ini: Wenn ſein Auge, vielmehr ſein
Herz nicht luͤge, muͤſſe er nun ſehr nahe an ſei¬
nem Goͤtterziele ſtehn. —

Man beſah noch das Innere von Berlin em¬
ſig. Ein altes Zeughaus lag in ehrwuͤrdigen
Ruinen da. Es war nicht wieder erbaut worden,
indem bei der jetzigen, gluͤcklichen Verfaſſung
von Europa, in der Mitte des Staates keine
Waffenvorraͤthe noͤthig waren.

Ein Standbild Friedrichs II. zog Guidos
Blicke auf ſich. Sein Lehrer ſagte: Dieſem
Koͤnig war freilich Neigung zum blutigen Ruhm
vorzuwerfen, und er fuͤhrte Kriege, die aller¬
dings zu vermeiden geweſen waͤren. Doch ent¬
ſchuldigt der rohe Charakter ſeiner Zeit viel
daran. Hingegen wußte er den Monarchenberuf,
der ſich mit dem Ganzen zum Vortheil Aller
verinnigen, und das Staatsſchiff im Strome der
Zeit dahin lenken ſoll, ohne ſeine Wogen vor¬
auseilen zu laſſen, oder ihnen ſelbſt voranzuflie¬
gen, ſo richtig zu erfuͤllen, daß manche Zuͤge
ſeines Regentenlebens, ſogar jetzt noch, jungen

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[215/0227] Allein der Ausdruck eines ſo ſchoͤnen Geiſtes praͤgte ſich auch immer vollendeter in ſeiner Ge¬ ſtalt aus. Er fuͤhlte, ſah es mit Frohlocken, ſchrieb an Ini: Wenn ſein Auge, vielmehr ſein Herz nicht luͤge, muͤſſe er nun ſehr nahe an ſei¬ nem Goͤtterziele ſtehn. — Man beſah noch das Innere von Berlin em¬ ſig. Ein altes Zeughaus lag in ehrwuͤrdigen Ruinen da. Es war nicht wieder erbaut worden, indem bei der jetzigen, gluͤcklichen Verfaſſung von Europa, in der Mitte des Staates keine Waffenvorraͤthe noͤthig waren. Ein Standbild Friedrichs II. zog Guidos Blicke auf ſich. Sein Lehrer ſagte: Dieſem Koͤnig war freilich Neigung zum blutigen Ruhm vorzuwerfen, und er fuͤhrte Kriege, die aller¬ dings zu vermeiden geweſen waͤren. Doch ent¬ ſchuldigt der rohe Charakter ſeiner Zeit viel daran. Hingegen wußte er den Monarchenberuf, der ſich mit dem Ganzen zum Vortheil Aller verinnigen, und das Staatsſchiff im Strome der Zeit dahin lenken ſoll, ohne ſeine Wogen vor¬ auseilen zu laſſen, oder ihnen ſelbſt voranzuflie¬ gen, ſo richtig zu erfuͤllen, daß manche Zuͤge ſeines Regentenlebens, ſogar jetzt noch, jungen

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/227>, abgerufen am 29.03.2024.