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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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den u. s. w. ausgeführt werden, die der leicht
Unterrichtete vollkommen verstand. Einem Götter¬
idiom glich die herrliche Erfindung. Welchen Ein¬
druck mußte sie hervorbringen!

Bei der Tanzmusik entstanden oft Klagen der
Polizei, wenn sie zu üppige verführerische Klang¬
worte sprach. Wie jener Grieche einst die Sai¬
ten der Lira verminderte, wie Gregor VII. bei
dem Tempelchor auf größere Einfalt drang, ließ
sich jetzt eine Censur die Tanzstücke vorzeigen,
und strich manche Notenphrase. Bei den maskir¬
ten Bällen sah sie indessen hie und da nach,
vielleicht zu sehr, und so ging dem zu weit hin¬
gerissenen Jüngling, die alte Strenge gegen lei¬
denschaftliche Aufwallung, beinahe zu Grunde.

Guido knüpfte, mit seiner Tänzerin im Neben¬
zimmer ruhend, warme Unterredungen an. Sie
war im Anfang einsilbig, antwortete jedoch im¬
mer mit Witz und Gehalt. Auch tiefe, himmel¬
volle Empfindung verkündete sich in ihren Wor¬
ten. Guido sagte ihr, seiner nicht länger mäch¬
tig: Ich liebe ein Mädchen daheim, ach mehr
wie das Göttliche in der Natur, nimmer wankte
mein Herz -- als vor deinem Anblick!

Die Verschleierte gab zu Antwort: Der

den u. ſ. w. ausgefuͤhrt werden, die der leicht
Unterrichtete vollkommen verſtand. Einem Goͤtter¬
idiom glich die herrliche Erfindung. Welchen Ein¬
druck mußte ſie hervorbringen!

Bei der Tanzmuſik entſtanden oft Klagen der
Polizei, wenn ſie zu uͤppige verfuͤhreriſche Klang¬
worte ſprach. Wie jener Grieche einſt die Sai¬
ten der Lira verminderte, wie Gregor VII. bei
dem Tempelchor auf groͤßere Einfalt drang, ließ
ſich jetzt eine Cenſur die Tanzſtuͤcke vorzeigen,
und ſtrich manche Notenphraſe. Bei den maskir¬
ten Baͤllen ſah ſie indeſſen hie und da nach,
vielleicht zu ſehr, und ſo ging dem zu weit hin¬
geriſſenen Juͤngling, die alte Strenge gegen lei¬
denſchaftliche Aufwallung, beinahe zu Grunde.

Guido knuͤpfte, mit ſeiner Taͤnzerin im Neben¬
zimmer ruhend, warme Unterredungen an. Sie
war im Anfang einſilbig, antwortete jedoch im¬
mer mit Witz und Gehalt. Auch tiefe, himmel¬
volle Empfindung verkuͤndete ſich in ihren Wor¬
ten. Guido ſagte ihr, ſeiner nicht laͤnger maͤch¬
tig: Ich liebe ein Maͤdchen daheim, ach mehr
wie das Goͤttliche in der Natur, nimmer wankte
mein Herz — als vor deinem Anblick!

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[223/0235] den u. ſ. w. ausgefuͤhrt werden, die der leicht Unterrichtete vollkommen verſtand. Einem Goͤtter¬ idiom glich die herrliche Erfindung. Welchen Ein¬ druck mußte ſie hervorbringen! Bei der Tanzmuſik entſtanden oft Klagen der Polizei, wenn ſie zu uͤppige verfuͤhreriſche Klang¬ worte ſprach. Wie jener Grieche einſt die Sai¬ ten der Lira verminderte, wie Gregor VII. bei dem Tempelchor auf groͤßere Einfalt drang, ließ ſich jetzt eine Cenſur die Tanzſtuͤcke vorzeigen, und ſtrich manche Notenphraſe. Bei den maskir¬ ten Baͤllen ſah ſie indeſſen hie und da nach, vielleicht zu ſehr, und ſo ging dem zu weit hin¬ geriſſenen Juͤngling, die alte Strenge gegen lei¬ denſchaftliche Aufwallung, beinahe zu Grunde. Guido knuͤpfte, mit ſeiner Taͤnzerin im Neben¬ zimmer ruhend, warme Unterredungen an. Sie war im Anfang einſilbig, antwortete jedoch im¬ mer mit Witz und Gehalt. Auch tiefe, himmel¬ volle Empfindung verkuͤndete ſich in ihren Wor¬ ten. Guido ſagte ihr, ſeiner nicht laͤnger maͤch¬ tig: Ich liebe ein Maͤdchen daheim, ach mehr wie das Goͤttliche in der Natur, nimmer wankte mein Herz — als vor deinem Anblick! Die Verſchleierte gab zu Antwort: Der

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/235>, abgerufen am 28.03.2024.