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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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sollst du umwandeln. Ich werde mir auch ein
Ideal meiner Gestalt entwerfen.

Eitles Mühn! wie könnte deine Phantasie
einen schöneren Traum erschaffen als die Wirk¬
lichkeit!

Schmeichelei, oder, wenn es dir so scheint,
Unvollkommenheit in deinem Urtheil. Es wird
sich stärken, dein Tadel erwachen, und das Streben,
mich vor dem Tadel zu retten, mir wohlthun.
Der Augenblick wo einem Mädchen zum Ersten¬
male Liebe bekannt wird, giebt neue Aussichten
in die Welt höherer Anmuth. Nach einem Jahre
sollst du mein Ideal sehen. Ehe nicht. Bis
dahin begnüge dich auch, an mich zu denken.

Wie, ich soll dich in dem langen Zeitraume
nicht erblicken?

"Die erste Prüfung! Auch eine nothwendig
ungestörte Frist!"

Unbegreifliche! -- Und dennoch erwacht mir
die Hoffnung, ich werde den hohen Sinn deiner
Worte faßen lernen.

"Frage den Geist der Liebe, sein Orakel tönt
in deiner Brust. Und nun nichts weiter. Lebe
wohl!"

Ehrerbietig entfernte sich Guido, irrte umher

ſollſt du umwandeln. Ich werde mir auch ein
Ideal meiner Geſtalt entwerfen.

Eitles Muͤhn! wie koͤnnte deine Phantaſie
einen ſchoͤneren Traum erſchaffen als die Wirk¬
lichkeit!

Schmeichelei, oder, wenn es dir ſo ſcheint,
Unvollkommenheit in deinem Urtheil. Es wird
ſich ſtaͤrken, dein Tadel erwachen, und das Streben,
mich vor dem Tadel zu retten, mir wohlthun.
Der Augenblick wo einem Maͤdchen zum Erſten¬
male Liebe bekannt wird, giebt neue Ausſichten
in die Welt hoͤherer Anmuth. Nach einem Jahre
ſollſt du mein Ideal ſehen. Ehe nicht. Bis
dahin begnuͤge dich auch, an mich zu denken.

Wie, ich ſoll dich in dem langen Zeitraume
nicht erblicken?

„Die erſte Pruͤfung! Auch eine nothwendig
ungeſtoͤrte Friſt!“

Unbegreifliche! — Und dennoch erwacht mir
die Hoffnung, ich werde den hohen Sinn deiner
Worte faßen lernen.

„Frage den Geiſt der Liebe, ſein Orakel toͤnt
in deiner Bruſt. Und nun nichts weiter. Lebe
wohl!“

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[13/0025] ſollſt du umwandeln. Ich werde mir auch ein Ideal meiner Geſtalt entwerfen. Eitles Muͤhn! wie koͤnnte deine Phantaſie einen ſchoͤneren Traum erſchaffen als die Wirk¬ lichkeit! Schmeichelei, oder, wenn es dir ſo ſcheint, Unvollkommenheit in deinem Urtheil. Es wird ſich ſtaͤrken, dein Tadel erwachen, und das Streben, mich vor dem Tadel zu retten, mir wohlthun. Der Augenblick wo einem Maͤdchen zum Erſten¬ male Liebe bekannt wird, giebt neue Ausſichten in die Welt hoͤherer Anmuth. Nach einem Jahre ſollſt du mein Ideal ſehen. Ehe nicht. Bis dahin begnuͤge dich auch, an mich zu denken. Wie, ich ſoll dich in dem langen Zeitraume nicht erblicken? „Die erſte Pruͤfung! Auch eine nothwendig ungeſtoͤrte Friſt!“ Unbegreifliche! — Und dennoch erwacht mir die Hoffnung, ich werde den hohen Sinn deiner Worte faßen lernen. „Frage den Geiſt der Liebe, ſein Orakel toͤnt in deiner Bruſt. Und nun nichts weiter. Lebe wohl!“ Ehrerbietig entfernte ſich Guido, irrte umher

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/25>, abgerufen am 25.04.2024.