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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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Schicksals. Es war Guido bekannt, daß er,
wenn der Lehrer schweigen wollte, umsonst bat,
er mußte sich also mit Geduld waffnen, obgleich
die Neugier über seine Herkunft jetzt heißer als
je erwachte, und manche sonderbare Ahnung in
ihm aufstieg. Er tröstete sich wohl über den
Mängel an Kindesliebe, weil ihn Inis Liebe
beseligte, und sein Herz so warm an den
edlen Lehrer hing, doch meinte er immer wieder,
dies Herz sei weit genug noch mehr Liebe glü¬
hend zu umfassen.

Gelino hatte schon zuvor nach Paris geschrie¬
ben, und einen Miethpallast, wie es deren für
sehr reiche Wanderer gab, auf die Tage ihrer
Anwesenheit bestellt. Sie kamen nun dort, von
den Dienern des Wechslers geleitet, an. Er war
aus rothem und weißen Marmor gebaut, hatte
ein stark übergoldet Bleidach, das im Strahl
der Sonne prangend leuchtete. Eine zahlreiche,
glänzende Dienerschaft, stand am Portal. Die
innere Einrichtung entsprach der äußeren Pracht
vollkommen. Man erblickte Zimmer, deren Wände
mit dem köstlichsten Mosaik bekleidet waren, an¬
dere mit staunenerregenden Meisterwerken der
Malerei umhangen. Es befand sich ein Konzert¬

Schickſals. Es war Guido bekannt, daß er,
wenn der Lehrer ſchweigen wollte, umſonſt bat,
er mußte ſich alſo mit Geduld waffnen, obgleich
die Neugier uͤber ſeine Herkunft jetzt heißer als
je erwachte, und manche ſonderbare Ahnung in
ihm aufſtieg. Er troͤſtete ſich wohl uͤber den
Maͤngel an Kindesliebe, weil ihn Inis Liebe
beſeligte, und ſein Herz ſo warm an den
edlen Lehrer hing, doch meinte er immer wieder,
dies Herz ſei weit genug noch mehr Liebe gluͤ¬
hend zu umfaſſen.

Gelino hatte ſchon zuvor nach Paris geſchrie¬
ben, und einen Miethpallaſt, wie es deren fuͤr
ſehr reiche Wanderer gab, auf die Tage ihrer
Anweſenheit beſtellt. Sie kamen nun dort, von
den Dienern des Wechslers geleitet, an. Er war
aus rothem und weißen Marmor gebaut, hatte
ein ſtark uͤbergoldet Bleidach, das im Strahl
der Sonne prangend leuchtete. Eine zahlreiche,
glaͤnzende Dienerſchaft, ſtand am Portal. Die
innere Einrichtung entſprach der aͤußeren Pracht
vollkommen. Man erblickte Zimmer, deren Waͤnde
mit dem koͤſtlichſten Moſaik bekleidet waren, an¬
dere mit ſtaunenerregenden Meiſterwerken der
Malerei umhangen. Es befand ſich ein Konzert¬

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[244/0256] Schickſals. Es war Guido bekannt, daß er, wenn der Lehrer ſchweigen wollte, umſonſt bat, er mußte ſich alſo mit Geduld waffnen, obgleich die Neugier uͤber ſeine Herkunft jetzt heißer als je erwachte, und manche ſonderbare Ahnung in ihm aufſtieg. Er troͤſtete ſich wohl uͤber den Maͤngel an Kindesliebe, weil ihn Inis Liebe beſeligte, und ſein Herz ſo warm an den edlen Lehrer hing, doch meinte er immer wieder, dies Herz ſei weit genug noch mehr Liebe gluͤ¬ hend zu umfaſſen. Gelino hatte ſchon zuvor nach Paris geſchrie¬ ben, und einen Miethpallaſt, wie es deren fuͤr ſehr reiche Wanderer gab, auf die Tage ihrer Anweſenheit beſtellt. Sie kamen nun dort, von den Dienern des Wechslers geleitet, an. Er war aus rothem und weißen Marmor gebaut, hatte ein ſtark uͤbergoldet Bleidach, das im Strahl der Sonne prangend leuchtete. Eine zahlreiche, glaͤnzende Dienerſchaft, ſtand am Portal. Die innere Einrichtung entſprach der aͤußeren Pracht vollkommen. Man erblickte Zimmer, deren Waͤnde mit dem koͤſtlichſten Moſaik bekleidet waren, an¬ dere mit ſtaunenerregenden Meiſterwerken der Malerei umhangen. Es befand ſich ein Konzert¬

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/256>, abgerufen am 16.04.2024.