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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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durch heuchlerische Schmeicheleien alles verdarb.
Man bildete das Faustrecht vor drei Jahrhunder¬
ten ab, wo ein europdisches Volk das andere
um nichtiger Ursachen willen bekriegte, und dies
mußte jetzt grade so viel Widerwillen erregen,
als eine Darstellung des kleineren Faustrechtes, zwi¬
schen den Gauen des vierzehnten Jahrhunderts,
wenn sie das neunzehnte sah. Die Thorheiten,
allerhand Sisteme der Philosophie zu wechseln,
durch Bücher voll Unsinn Irthümer auszubrei¬
ten, durch falsche Finanzoperationen ganze Län¬
der verarmen zu lassen, durch Verschiedenheit
der Dingenmaaße und Sprachen, den Ideen¬
tausch zu erschweren, überströmte eine witzige
Satire mit dem wohlverdienten Spott. Am
Ende begegnete sich alles in dem Ausruf: O
ihr grobe, grobe Narren der Vorzeit! Gelino
erläuterte aber der Versammlung, daß doch auch
nicht jeder damals die Schellenkappe getragen
habe, nannte ehrwürdige Namen von Männern,
die sich ein großes Verdienst in Bezeichnung der
besseren Pfade erworben hätten, und schloß: es
sei für die Menschheit nothwendig gewesen, durch
dies dunkle Labirinth zu gehen, um den Gegensatz
erhellter Vernunft wohlthätiger zu begreifen. --

durch heuchleriſche Schmeicheleien alles verdarb.
Man bildete das Fauſtrecht vor drei Jahrhunder¬
ten ab, wo ein europdiſches Volk das andere
um nichtiger Urſachen willen bekriegte, und dies
mußte jetzt grade ſo viel Widerwillen erregen,
als eine Darſtellung des kleineren Fauſtrechtes, zwi¬
ſchen den Gauen des vierzehnten Jahrhunderts,
wenn ſie das neunzehnte ſah. Die Thorheiten,
allerhand Siſteme der Philoſophie zu wechſeln,
durch Buͤcher voll Unſinn Irthuͤmer auszubrei¬
ten, durch falſche Finanzoperationen ganze Laͤn¬
der verarmen zu laſſen, durch Verſchiedenheit
der Dingenmaaße und Sprachen, den Ideen¬
tauſch zu erſchweren, uͤberſtroͤmte eine witzige
Satire mit dem wohlverdienten Spott. Am
Ende begegnete ſich alles in dem Ausruf: O
ihr grobe, grobe Narren der Vorzeit! Gelino
erlaͤuterte aber der Verſammlung, daß doch auch
nicht jeder damals die Schellenkappe getragen
habe, nannte ehrwuͤrdige Namen von Maͤnnern,
die ſich ein großes Verdienſt in Bezeichnung der
beſſeren Pfade erworben haͤtten, und ſchloß: es
ſei fuͤr die Menſchheit nothwendig geweſen, durch
dies dunkle Labirinth zu gehen, um den Gegenſatz
erhellter Vernunft wohlthaͤtiger zu begreifen. —

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[263/0275] durch heuchleriſche Schmeicheleien alles verdarb. Man bildete das Fauſtrecht vor drei Jahrhunder¬ ten ab, wo ein europdiſches Volk das andere um nichtiger Urſachen willen bekriegte, und dies mußte jetzt grade ſo viel Widerwillen erregen, als eine Darſtellung des kleineren Fauſtrechtes, zwi¬ ſchen den Gauen des vierzehnten Jahrhunderts, wenn ſie das neunzehnte ſah. Die Thorheiten, allerhand Siſteme der Philoſophie zu wechſeln, durch Buͤcher voll Unſinn Irthuͤmer auszubrei¬ ten, durch falſche Finanzoperationen ganze Laͤn¬ der verarmen zu laſſen, durch Verſchiedenheit der Dingenmaaße und Sprachen, den Ideen¬ tauſch zu erſchweren, uͤberſtroͤmte eine witzige Satire mit dem wohlverdienten Spott. Am Ende begegnete ſich alles in dem Ausruf: O ihr grobe, grobe Narren der Vorzeit! Gelino erlaͤuterte aber der Verſammlung, daß doch auch nicht jeder damals die Schellenkappe getragen habe, nannte ehrwuͤrdige Namen von Maͤnnern, die ſich ein großes Verdienſt in Bezeichnung der beſſeren Pfade erworben haͤtten, und ſchloß: es ſei fuͤr die Menſchheit nothwendig geweſen, durch dies dunkle Labirinth zu gehen, um den Gegenſatz erhellter Vernunft wohlthaͤtiger zu begreifen. —

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/275>, abgerufen am 29.03.2024.