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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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verwirkt, und hatte er das furchtbare, gräßliche
Schauspiel unerhörter Frevel geben können, war
das Beispiel einer eben solchen öffentlichen Ahn¬
dung gerecht. Zuletzt entschied man denn für
seinen Tod, doch über die Art desselben konnte
man sich nicht einigen.

Da trat ein Lehrer der Zergliederungskunde
auf. Laßt ihn durch seinen Tod nützen, sprach
der Mann, er mag uns um eine wichtige Er¬
fahrung bereichern. Wir entdeckten eine geistige
Flüssigkeit, viel vervollkommnet gegen die, welcher
sich vormals die Anatomen bedienten, um thie¬
rische Organe dauernd aufzubewahren. Sie er¬
hält einen Körper genau in dem Zustande, worin
er ihr übergeben wird. Ich rathe, wir füllen
ein weites Gefäß mit diesem Fluidum. Der
Verbrecher werde entkleidet und darin ertränkt.
Dann soll aber das Gefäß verschlossen werden und
funfzig Jahre lang unberührt bleiben. Nach
Verlauf dieser Zeit aber soll man den Körper wie¬
der herausnehmen, und die gewöhnlichen Mittel,
welche im Wasser Verunglückte oft ins Leben
rufen, anwenden. Meine Theorie weissagt, man
werde sich nicht umsonst bemühn, denn die Le¬
benskraft ist nicht entflohn, alle Theile sind in

verwirkt, und hatte er das furchtbare, graͤßliche
Schauſpiel unerhoͤrter Frevel geben koͤnnen, war
das Beiſpiel einer eben ſolchen oͤffentlichen Ahn¬
dung gerecht. Zuletzt entſchied man denn fuͤr
ſeinen Tod, doch uͤber die Art deſſelben konnte
man ſich nicht einigen.

Da trat ein Lehrer der Zergliederungskunde
auf. Laßt ihn durch ſeinen Tod nuͤtzen, ſprach
der Mann, er mag uns um eine wichtige Er¬
fahrung bereichern. Wir entdeckten eine geiſtige
Fluͤſſigkeit, viel vervollkommnet gegen die, welcher
ſich vormals die Anatomen bedienten, um thie¬
riſche Organe dauernd aufzubewahren. Sie er¬
haͤlt einen Koͤrper genau in dem Zuſtande, worin
er ihr uͤbergeben wird. Ich rathe, wir fuͤllen
ein weites Gefaͤß mit dieſem Fluidum. Der
Verbrecher werde entkleidet und darin ertraͤnkt.
Dann ſoll aber das Gefaͤß verſchloſſen werden und
funfzig Jahre lang unberuͤhrt bleiben. Nach
Verlauf dieſer Zeit aber ſoll man den Koͤrper wie¬
der herausnehmen, und die gewoͤhnlichen Mittel,
welche im Waſſer Verungluͤckte oft ins Leben
rufen, anwenden. Meine Theorie weiſſagt, man
werde ſich nicht umſonſt bemuͤhn, denn die Le¬
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[265/0277] verwirkt, und hatte er das furchtbare, graͤßliche Schauſpiel unerhoͤrter Frevel geben koͤnnen, war das Beiſpiel einer eben ſolchen oͤffentlichen Ahn¬ dung gerecht. Zuletzt entſchied man denn fuͤr ſeinen Tod, doch uͤber die Art deſſelben konnte man ſich nicht einigen. Da trat ein Lehrer der Zergliederungskunde auf. Laßt ihn durch ſeinen Tod nuͤtzen, ſprach der Mann, er mag uns um eine wichtige Er¬ fahrung bereichern. Wir entdeckten eine geiſtige Fluͤſſigkeit, viel vervollkommnet gegen die, welcher ſich vormals die Anatomen bedienten, um thie¬ riſche Organe dauernd aufzubewahren. Sie er¬ haͤlt einen Koͤrper genau in dem Zuſtande, worin er ihr uͤbergeben wird. Ich rathe, wir fuͤllen ein weites Gefaͤß mit dieſem Fluidum. Der Verbrecher werde entkleidet und darin ertraͤnkt. Dann ſoll aber das Gefaͤß verſchloſſen werden und funfzig Jahre lang unberuͤhrt bleiben. Nach Verlauf dieſer Zeit aber ſoll man den Koͤrper wie¬ der herausnehmen, und die gewoͤhnlichen Mittel, welche im Waſſer Verungluͤckte oft ins Leben rufen, anwenden. Meine Theorie weiſſagt, man werde ſich nicht umſonſt bemuͤhn, denn die Le¬ benskraft iſt nicht entflohn, alle Theile ſind in

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/277>, abgerufen am 23.04.2024.