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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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endlich, und man beschloß, den Rath zu voll¬
ziehn, was auch geschah.

Das Faß mit dem Ertränkten wurde in einem
festen Gewölbe bewahrt, vor dessen Thür der
Rath sein Siegel legte. Ein Protokoll berichtete
der Nachwelt die Thatsache und bat daneben:
falls der Verbrecher wirklich wieder zum Dasein
gelangen sollte, dann die weitere Strafe, in Be¬
tracht der erlittenen Todesangst, aufzuheben. --

Jetzt waren die funfzig Jahre verstrichen.
Der Tag des Versuches wurde beraumt. Die Na¬
turkundigen schrieben für und gegen jenes, schon
lange gestorbenen, Arztes Meinung. Man stellte
Wetten an, ganz Paris sprach von nichts, als
dem Manne im Spiritus.

Gelino hatte, durch bedeutende Fürsprache,
die Erlaubniß des näheren Zutritts für sich und
seinen Zögling empfangen. Man brach die Siegel,
fand das Gefäß unversehrt, das nun in den
Saal der Anatomie geschafft wurde.

Auf Erhöhungen saßen die eingelassenen Zu¬
schauer, die Naturkundigen hatten sich um den
Tisch, in der Mitte des runden Saales, gedrängt.

Der Körper ward aus seinem feuchten Grabe
gezogen, auf den Tisch gelegt. Alle Theile wa¬

endlich, und man beſchloß, den Rath zu voll¬
ziehn, was auch geſchah.

Das Faß mit dem Ertraͤnkten wurde in einem
feſten Gewoͤlbe bewahrt, vor deſſen Thuͤr der
Rath ſein Siegel legte. Ein Protokoll berichtete
der Nachwelt die Thatſache und bat daneben:
falls der Verbrecher wirklich wieder zum Daſein
gelangen ſollte, dann die weitere Strafe, in Be¬
tracht der erlittenen Todesangſt, aufzuheben. —

Jetzt waren die funfzig Jahre verſtrichen.
Der Tag des Verſuches wurde beraumt. Die Na¬
turkundigen ſchrieben fuͤr und gegen jenes, ſchon
lange geſtorbenen, Arztes Meinung. Man ſtellte
Wetten an, ganz Paris ſprach von nichts, als
dem Manne im Spiritus.

Gelino hatte, durch bedeutende Fuͤrſprache,
die Erlaubniß des naͤheren Zutritts fuͤr ſich und
ſeinen Zoͤgling empfangen. Man brach die Siegel,
fand das Gefaͤß unverſehrt, das nun in den
Saal der Anatomie geſchafft wurde.

Auf Erhoͤhungen ſaßen die eingelaſſenen Zu¬
ſchauer, die Naturkundigen hatten ſich um den
Tiſch, in der Mitte des runden Saales, gedraͤngt.

Der Koͤrper ward aus ſeinem feuchten Grabe
gezogen, auf den Tiſch gelegt. Alle Theile wa¬

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[267/0279] endlich, und man beſchloß, den Rath zu voll¬ ziehn, was auch geſchah. Das Faß mit dem Ertraͤnkten wurde in einem feſten Gewoͤlbe bewahrt, vor deſſen Thuͤr der Rath ſein Siegel legte. Ein Protokoll berichtete der Nachwelt die Thatſache und bat daneben: falls der Verbrecher wirklich wieder zum Daſein gelangen ſollte, dann die weitere Strafe, in Be¬ tracht der erlittenen Todesangſt, aufzuheben. — Jetzt waren die funfzig Jahre verſtrichen. Der Tag des Verſuches wurde beraumt. Die Na¬ turkundigen ſchrieben fuͤr und gegen jenes, ſchon lange geſtorbenen, Arztes Meinung. Man ſtellte Wetten an, ganz Paris ſprach von nichts, als dem Manne im Spiritus. Gelino hatte, durch bedeutende Fuͤrſprache, die Erlaubniß des naͤheren Zutritts fuͤr ſich und ſeinen Zoͤgling empfangen. Man brach die Siegel, fand das Gefaͤß unverſehrt, das nun in den Saal der Anatomie geſchafft wurde. Auf Erhoͤhungen ſaßen die eingelaſſenen Zu¬ ſchauer, die Naturkundigen hatten ſich um den Tiſch, in der Mitte des runden Saales, gedraͤngt. Der Koͤrper ward aus ſeinem feuchten Grabe gezogen, auf den Tiſch gelegt. Alle Theile wa¬

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/279>, abgerufen am 19.04.2024.