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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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diesmal so schnell, daß Beide, unweit Paris ein
wenig entschlummernd, nicht ehe als über Lon¬
don wieder erwachten, und deshalb auch den
Damm zwischen Calais und Dover nicht sahn,
welchen man eben zur engeren Verbindung Frank¬
reichs mit Brittanien anlegte. Er lief von bei¬
den Küsten ins Meer, von ungeheuren einge¬
senkten Felsstücken erhöht, und, damit der See¬
strom den freien Durchgang behielte, von Hundert
Klaftern zu Hundert Klaftern mit Brücken aus
Hangewerk unterbrochen, die jedoch sämmtlich
höher waren, als das Gewölbe des Rialto zu
Venedig. Denn die größten Kriegschiffe fanden
mit allen aufgezogenen Segeln kein Hinderniß.

London fanden sie jetzt wahrhaft reich, durch
seine glückliche, zum Handel bequeme Lage, und
einen edlen Wetteifer im Kunstfleiß, ohne den
unsinnigen frevelhaften Vorsatz, alle übrigen Na¬
zionen der Erde zu Grunde richten zu wollen.

Gelino sagte: Vor dem traurigen Ruin, den
sich England Ehedem zuzog, sah man hier auch
Reichthum, doch, mehr dem Schein als der
Wirklichkeit nach. Das Land war seine ganze
Habe mehr als dreifach schuldig. Das baare
Geld, oder vielmehr seine Darstellung in Papier,

diesmal ſo ſchnell, daß Beide, unweit Paris ein
wenig entſchlummernd, nicht ehe als uͤber Lon¬
don wieder erwachten, und deshalb auch den
Damm zwiſchen Calais und Dover nicht ſahn,
welchen man eben zur engeren Verbindung Frank¬
reichs mit Brittanien anlegte. Er lief von bei¬
den Kuͤſten ins Meer, von ungeheuren einge¬
ſenkten Felsſtuͤcken erhoͤht, und, damit der See¬
ſtrom den freien Durchgang behielte, von Hundert
Klaftern zu Hundert Klaftern mit Bruͤcken aus
Hangewerk unterbrochen, die jedoch ſaͤmmtlich
hoͤher waren, als das Gewoͤlbe des Rialto zu
Venedig. Denn die groͤßten Kriegſchiffe fanden
mit allen aufgezogenen Segeln kein Hinderniß.

London fanden ſie jetzt wahrhaft reich, durch
ſeine gluͤckliche, zum Handel bequeme Lage, und
einen edlen Wetteifer im Kunſtfleiß, ohne den
unſinnigen frevelhaften Vorſatz, alle uͤbrigen Na¬
zionen der Erde zu Grunde richten zu wollen.

Gelino ſagte: Vor dem traurigen Ruin, den
ſich England Ehedem zuzog, ſah man hier auch
Reichthum, doch, mehr dem Schein als der
Wirklichkeit nach. Das Land war ſeine ganze
Habe mehr als dreifach ſchuldig. Das baare
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[274/0286] diesmal ſo ſchnell, daß Beide, unweit Paris ein wenig entſchlummernd, nicht ehe als uͤber Lon¬ don wieder erwachten, und deshalb auch den Damm zwiſchen Calais und Dover nicht ſahn, welchen man eben zur engeren Verbindung Frank¬ reichs mit Brittanien anlegte. Er lief von bei¬ den Kuͤſten ins Meer, von ungeheuren einge¬ ſenkten Felsſtuͤcken erhoͤht, und, damit der See¬ ſtrom den freien Durchgang behielte, von Hundert Klaftern zu Hundert Klaftern mit Bruͤcken aus Hangewerk unterbrochen, die jedoch ſaͤmmtlich hoͤher waren, als das Gewoͤlbe des Rialto zu Venedig. Denn die groͤßten Kriegſchiffe fanden mit allen aufgezogenen Segeln kein Hinderniß. London fanden ſie jetzt wahrhaft reich, durch ſeine gluͤckliche, zum Handel bequeme Lage, und einen edlen Wetteifer im Kunſtfleiß, ohne den unſinnigen frevelhaften Vorſatz, alle uͤbrigen Na¬ zionen der Erde zu Grunde richten zu wollen. Gelino ſagte: Vor dem traurigen Ruin, den ſich England Ehedem zuzog, ſah man hier auch Reichthum, doch, mehr dem Schein als der Wirklichkeit nach. Das Land war ſeine ganze Habe mehr als dreifach ſchuldig. Das baare Geld, oder vielmehr ſeine Darſtellung in Papier,

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/286>, abgerufen am 25.04.2024.