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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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Diener schweifen weit umher, Guido wird nicht
gefunden. Endlich kann Niemand mehr an sein
Leben glauben, die Sorge für eigne Rettung
mahnt, abzufahren, denn die Lebensvorräthe
sind berechnet. Man läßt jedoch, auf den un¬
denkbaren Fall, einen kleinen Schlitten zurück,
den Bären davor, Speise, Getränke und Feue¬
rung. Den mag er nehmen und nacheilen, wenn
er ja wiederkehrt; keiner der Knechte entschließt
sich, zu weilen.

Guido hat unterdessen auch fruchtlos den
Rückweg gesucht, seine Angst um den Alten ihn
zu weit in die Entfernung getrieben. Die Schüsse
hat er nicht mehr vernommen, kein Feuer er¬
blickt. Endlich, nach vielen bangen Stunden,
fast verzweifelt in Gram, das Haar emporge¬
sträubt durch die eigne Noth, da er kaum noch
ein Glied zu regen vermag, gelingt es ihm,
auf den Polarstern blickend und durch schnellen
Lauf sein Blut in Bewegung erhaltend, nach
dem Platze zu kommen, wo die Karavane stand.
Er sieht einen Schlitten, und athmet wieder
Hoffnung. Ohne weiter um sich zu sehn, wirft
er sich hinein, die wärmere Luft ist das drin¬
gendste. Vielleicht kam Gelino selbst, denkt er,

Diener ſchweifen weit umher, Guido wird nicht
gefunden. Endlich kann Niemand mehr an ſein
Leben glauben, die Sorge fuͤr eigne Rettung
mahnt, abzufahren, denn die Lebensvorraͤthe
ſind berechnet. Man laͤßt jedoch, auf den un¬
denkbaren Fall, einen kleinen Schlitten zuruͤck,
den Baͤren davor, Speiſe, Getraͤnke und Feue¬
rung. Den mag er nehmen und nacheilen, wenn
er ja wiederkehrt; keiner der Knechte entſchließt
ſich, zu weilen.

Guido hat unterdeſſen auch fruchtlos den
Ruͤckweg geſucht, ſeine Angſt um den Alten ihn
zu weit in die Entfernung getrieben. Die Schuͤſſe
hat er nicht mehr vernommen, kein Feuer er¬
blickt. Endlich, nach vielen bangen Stunden,
faſt verzweifelt in Gram, das Haar emporge¬
ſtraͤubt durch die eigne Noth, da er kaum noch
ein Glied zu regen vermag, gelingt es ihm,
auf den Polarſtern blickend und durch ſchnellen
Lauf ſein Blut in Bewegung erhaltend, nach
dem Platze zu kommen, wo die Karavane ſtand.
Er ſieht einen Schlitten, und athmet wieder
Hoffnung. Ohne weiter um ſich zu ſehn, wirft
er ſich hinein, die waͤrmere Luft iſt das drin¬
gendſte. Vielleicht kam Gelino ſelbſt, denkt er,

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[318/0330] Diener ſchweifen weit umher, Guido wird nicht gefunden. Endlich kann Niemand mehr an ſein Leben glauben, die Sorge fuͤr eigne Rettung mahnt, abzufahren, denn die Lebensvorraͤthe ſind berechnet. Man laͤßt jedoch, auf den un¬ denkbaren Fall, einen kleinen Schlitten zuruͤck, den Baͤren davor, Speiſe, Getraͤnke und Feue¬ rung. Den mag er nehmen und nacheilen, wenn er ja wiederkehrt; keiner der Knechte entſchließt ſich, zu weilen. Guido hat unterdeſſen auch fruchtlos den Ruͤckweg geſucht, ſeine Angſt um den Alten ihn zu weit in die Entfernung getrieben. Die Schuͤſſe hat er nicht mehr vernommen, kein Feuer er¬ blickt. Endlich, nach vielen bangen Stunden, faſt verzweifelt in Gram, das Haar emporge¬ ſtraͤubt durch die eigne Noth, da er kaum noch ein Glied zu regen vermag, gelingt es ihm, auf den Polarſtern blickend und durch ſchnellen Lauf ſein Blut in Bewegung erhaltend, nach dem Platze zu kommen, wo die Karavane ſtand. Er ſieht einen Schlitten, und athmet wieder Hoffnung. Ohne weiter um ſich zu ſehn, wirft er ſich hinein, die waͤrmere Luft iſt das drin¬ gendſte. Vielleicht kam Gelino ſelbſt, denkt er,

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/330>, abgerufen am 16.04.2024.