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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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nicht. Nest bei Nest ward gefunden, die Eier
waren schmackhaft und nährend.

Seines Schlittens freute er nicht mehr. Der
stand auf dem Gletscher, der hoch über ihn
ragte. Aber es galt auch nicht mehr, sich gegen
Kälte zu schirmen, sondern gegen flammende
Hitze, die um so drückender war, als der leuch¬
tende Körper, von dem sie niederbrannte, nicht
mehr unterging. Guido empfand sogar Krank¬
heitanfälle von dem ungewohnten Wechsel, doch
waren auch Klüfte in den Thälern vorhanden,
wohin er sich bergen konnte, und er säumte
auch nicht, sie dicht mit Gras zu überdachen.
Zudem badete er oft in den kalten Gießbächen,
oder flüchtete hinter Gletscher, über welche auch
der anhaltende Sonnenschein nichts vermochte.
Uebrigens hielt die Witterung den gleichmäßig¬
sten Schritt. Stürme gab es an der Achse
nicht, weil nur der Umschwung des Erdballs
sie erzeugen kann. Auch kein Regen sank nach
dem Frühling mehr nieder, klar blieb der
Aether.

Nun entwarf Guido einen Plan für die Folge.
Ohne Zweifel, sagte er sich, langen im näch¬
sten Winter Reisende an, gelingt es mir, mich

nicht. Neſt bei Neſt ward gefunden, die Eier
waren ſchmackhaft und naͤhrend.

Seines Schlittens freute er nicht mehr. Der
ſtand auf dem Gletſcher, der hoch uͤber ihn
ragte. Aber es galt auch nicht mehr, ſich gegen
Kaͤlte zu ſchirmen, ſondern gegen flammende
Hitze, die um ſo druͤckender war, als der leuch¬
tende Koͤrper, von dem ſie niederbrannte, nicht
mehr unterging. Guido empfand ſogar Krank¬
heitanfaͤlle von dem ungewohnten Wechſel, doch
waren auch Kluͤfte in den Thaͤlern vorhanden,
wohin er ſich bergen konnte, und er ſaͤumte
auch nicht, ſie dicht mit Gras zu uͤberdachen.
Zudem badete er oft in den kalten Gießbaͤchen,
oder fluͤchtete hinter Gletſcher, uͤber welche auch
der anhaltende Sonnenſchein nichts vermochte.
Uebrigens hielt die Witterung den gleichmaͤßig¬
ſten Schritt. Stuͤrme gab es an der Achſe
nicht, weil nur der Umſchwung des Erdballs
ſie erzeugen kann. Auch kein Regen ſank nach
dem Fruͤhling mehr nieder, klar blieb der
Aether.

Nun entwarf Guido einen Plan fuͤr die Folge.
Ohne Zweifel, ſagte er ſich, langen im naͤch¬
ſten Winter Reiſende an, gelingt es mir, mich

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[329/0341] nicht. Neſt bei Neſt ward gefunden, die Eier waren ſchmackhaft und naͤhrend. Seines Schlittens freute er nicht mehr. Der ſtand auf dem Gletſcher, der hoch uͤber ihn ragte. Aber es galt auch nicht mehr, ſich gegen Kaͤlte zu ſchirmen, ſondern gegen flammende Hitze, die um ſo druͤckender war, als der leuch¬ tende Koͤrper, von dem ſie niederbrannte, nicht mehr unterging. Guido empfand ſogar Krank¬ heitanfaͤlle von dem ungewohnten Wechſel, doch waren auch Kluͤfte in den Thaͤlern vorhanden, wohin er ſich bergen konnte, und er ſaͤumte auch nicht, ſie dicht mit Gras zu uͤberdachen. Zudem badete er oft in den kalten Gießbaͤchen, oder fluͤchtete hinter Gletſcher, uͤber welche auch der anhaltende Sonnenſchein nichts vermochte. Uebrigens hielt die Witterung den gleichmaͤßig¬ ſten Schritt. Stuͤrme gab es an der Achſe nicht, weil nur der Umſchwung des Erdballs ſie erzeugen kann. Auch kein Regen ſank nach dem Fruͤhling mehr nieder, klar blieb der Aether. Nun entwarf Guido einen Plan fuͤr die Folge. Ohne Zweifel, ſagte er ſich, langen im naͤch¬ ſten Winter Reiſende an, gelingt es mir, mich

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/341>, abgerufen am 29.03.2024.