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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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bis dahin zu erhalten, bin ich nicht verloren;
also, neuen Muth!

Er suchte von den Vogeleiern eine beträchtliche
Menge zusammen, und trug sie an jenen Glet¬
scher hinauf, so weit er jetzt gelangen konnte.
In Vertiefungen, wohin die Sonne nicht drang,
meinte er, würden sie dauern. Späterhin fand
er junge Vögel in eben solcher Zahl, tödtete sie
und grub sie in den Schnee tiefer Hölen, der
nicht zerging. Manche wohlschmeckende Kräuter
und Wurzeln wurden dazu gelegt. Gras schnitt
er fleißig ab, breitete es auf den Boden. Ge¬
dörrt sollte es ihm einst zur Feuerung dienen.

Bald hatte er von dem allen so viel gesam¬
melt, daß er mit Zuversicht in den nächsten
Winter blicken konnte. Betrügt mich dann meine
Hoffnung nicht, sagte er zu sich, darf ich es
nicht bereuen, das wundervolle Schauspiel eines
halbjährigen Tags, der Erste von den Sterb¬
lichen, gesehn zu haben.

Nach gesammeltem Vorrath, gab er sich na¬
turkundigen Untersuchungen hin, entdeckte viel,
wovon die Gelehrsamkeit noch nichts wußte,
schrieb das Hauptsächliche seiner Bemerkungen,
so gut es gehn wollte, auf der Innenseite eines

bis dahin zu erhalten, bin ich nicht verloren;
alſo, neuen Muth!

Er ſuchte von den Vogeleiern eine betraͤchtliche
Menge zuſammen, und trug ſie an jenen Glet¬
ſcher hinauf, ſo weit er jetzt gelangen konnte.
In Vertiefungen, wohin die Sonne nicht drang,
meinte er, wuͤrden ſie dauern. Spaͤterhin fand
er junge Voͤgel in eben ſolcher Zahl, toͤdtete ſie
und grub ſie in den Schnee tiefer Hoͤlen, der
nicht zerging. Manche wohlſchmeckende Kraͤuter
und Wurzeln wurden dazu gelegt. Gras ſchnitt
er fleißig ab, breitete es auf den Boden. Ge¬
doͤrrt ſollte es ihm einſt zur Feuerung dienen.

Bald hatte er von dem allen ſo viel geſam¬
melt, daß er mit Zuverſicht in den naͤchſten
Winter blicken konnte. Betruͤgt mich dann meine
Hoffnung nicht, ſagte er zu ſich, darf ich es
nicht bereuen, das wundervolle Schauſpiel eines
halbjaͤhrigen Tags, der Erſte von den Sterb¬
lichen, geſehn zu haben.

Nach geſammeltem Vorrath, gab er ſich na¬
turkundigen Unterſuchungen hin, entdeckte viel,
wovon die Gelehrſamkeit noch nichts wußte,
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[330/0342] bis dahin zu erhalten, bin ich nicht verloren; alſo, neuen Muth! Er ſuchte von den Vogeleiern eine betraͤchtliche Menge zuſammen, und trug ſie an jenen Glet¬ ſcher hinauf, ſo weit er jetzt gelangen konnte. In Vertiefungen, wohin die Sonne nicht drang, meinte er, wuͤrden ſie dauern. Spaͤterhin fand er junge Voͤgel in eben ſolcher Zahl, toͤdtete ſie und grub ſie in den Schnee tiefer Hoͤlen, der nicht zerging. Manche wohlſchmeckende Kraͤuter und Wurzeln wurden dazu gelegt. Gras ſchnitt er fleißig ab, breitete es auf den Boden. Ge¬ doͤrrt ſollte es ihm einſt zur Feuerung dienen. Bald hatte er von dem allen ſo viel geſam¬ melt, daß er mit Zuverſicht in den naͤchſten Winter blicken konnte. Betruͤgt mich dann meine Hoffnung nicht, ſagte er zu ſich, darf ich es nicht bereuen, das wundervolle Schauſpiel eines halbjaͤhrigen Tags, der Erſte von den Sterb¬ lichen, geſehn zu haben. Nach geſammeltem Vorrath, gab er ſich na¬ turkundigen Unterſuchungen hin, entdeckte viel, wovon die Gelehrſamkeit noch nichts wußte, ſchrieb das Hauptſaͤchliche ſeiner Bemerkungen, ſo gut es gehn wollte, auf der Innenſeite eines

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/342>, abgerufen am 28.03.2024.