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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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stand, mit welcher Ini ihn bezaubert hatte,
fühlte Guido dennoch die Rührung einfacher
und tief empfundener Melodien. Natur und
harmlose Lebenssitte hatten auch diese Menschen
so poetisch gemacht, daß auf Verlangen oder aus
eignem Drang, Hirten und Hirtinnen Lied und
Harmonien auf der Stelle erfanden und vor¬
trugen, was die Hörer in die Zeiten der Amphion
und Homer versetzte. Guido entwarf davon eine
anziehende Schilderung und sandte sie Ini.

Das Verlangen Athen bald zu sehen, reg¬
te sich nun lebhafter, denn zu viel hatte ihm
Gelino davon gesagt. Es wurde auch in kurzem
gestillt, man erblickte das alte Vorland Sunium,
die Berggipfel Parnes und Brilessus, und lag
bald darauf im Hafen Piräus vor Anker

Gelino unterrichtete ihn im Voraus über
die Erscheinungen, welche ihn auf diesem merk¬
würdigen Erdfleck belehren sollten.

Im achtzehnten Jahrhundert, hub er an,
ereignete sich in der Provinz Frankreich jene be¬
kannte Staatsveränderung, welche das Schick¬
sal bestimmt hatte, nach und nach allen Reichen
am Erdboden eine neue Gestalt zu geben. Nach
langen blutigen Kriegen, die bis tief ins neun¬

ſtand, mit welcher Ini ihn bezaubert hatte,
fuͤhlte Guido dennoch die Ruͤhrung einfacher
und tief empfundener Melodien. Natur und
harmloſe Lebensſitte hatten auch dieſe Menſchen
ſo poetiſch gemacht, daß auf Verlangen oder aus
eignem Drang, Hirten und Hirtinnen Lied und
Harmonien auf der Stelle erfanden und vor¬
trugen, was die Hoͤrer in die Zeiten der Amphion
und Homer verſetzte. Guido entwarf davon eine
anziehende Schilderung und ſandte ſie Ini.

Das Verlangen Athen bald zu ſehen, reg¬
te ſich nun lebhafter, denn zu viel hatte ihm
Gelino davon geſagt. Es wurde auch in kurzem
geſtillt, man erblickte das alte Vorland Sunium,
die Berggipfel Parnes und Brileſſus, und lag
bald darauf im Hafen Piraͤus vor Anker

Gelino unterrichtete ihn im Voraus uͤber
die Erſcheinungen, welche ihn auf dieſem merk¬
wuͤrdigen Erdfleck belehren ſollten.

Im achtzehnten Jahrhundert, hub er an,
ereignete ſich in der Provinz Frankreich jene be¬
kannte Staatsveraͤnderung, welche das Schick¬
ſal beſtimmt hatte, nach und nach allen Reichen
am Erdboden eine neue Geſtalt zu geben. Nach
langen blutigen Kriegen, die bis tief ins neun¬

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[41/0053] ſtand, mit welcher Ini ihn bezaubert hatte, fuͤhlte Guido dennoch die Ruͤhrung einfacher und tief empfundener Melodien. Natur und harmloſe Lebensſitte hatten auch dieſe Menſchen ſo poetiſch gemacht, daß auf Verlangen oder aus eignem Drang, Hirten und Hirtinnen Lied und Harmonien auf der Stelle erfanden und vor¬ trugen, was die Hoͤrer in die Zeiten der Amphion und Homer verſetzte. Guido entwarf davon eine anziehende Schilderung und ſandte ſie Ini. Das Verlangen Athen bald zu ſehen, reg¬ te ſich nun lebhafter, denn zu viel hatte ihm Gelino davon geſagt. Es wurde auch in kurzem geſtillt, man erblickte das alte Vorland Sunium, die Berggipfel Parnes und Brileſſus, und lag bald darauf im Hafen Piraͤus vor Anker Gelino unterrichtete ihn im Voraus uͤber die Erſcheinungen, welche ihn auf dieſem merk¬ wuͤrdigen Erdfleck belehren ſollten. Im achtzehnten Jahrhundert, hub er an, ereignete ſich in der Provinz Frankreich jene be¬ kannte Staatsveraͤnderung, welche das Schick¬ ſal beſtimmt hatte, nach und nach allen Reichen am Erdboden eine neue Geſtalt zu geben. Nach langen blutigen Kriegen, die bis tief ins neun¬

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/53>, abgerufen am 28.03.2024.