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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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Großes, Kräftiges, Entzückendes ist daraus her¬
vorgegangen, wenn gleich freilich immer noch ein
Grundsatz für die Tugend der Bürger mangelt,
der ihre Tugend gewiß, ächt und als solche er¬
kennbar macht. Ihn zu suchen ist das hohe
Geschäft der Zeit, wiewohl man noch nicht
glücklich darin war.

Vor der Hand merke aber so viel von jenen
Anordnungen:

Alle Völker von Europa sollten zur Sitten¬
einheit erzogen werden.

Man führte darum Ueberall dasselbe Maaß
in Schwere und Umfang, dasselbe Tauschmittel,
dieselben Satzungen des Rechtes, ein.

Die allgemeine Sprache durch ganz Europa
folgte.

Die Völker hatten ihre besonderen Fürsten,
da Eine Obergewalt unmöglich das weite Ganze
im Einzelnen überblicken konnte. Diesen Für¬
sten blieb die Würdeerblichkeit zugestanden, um
den Uebeln der Ehrsucht, List, Bestechung aus¬
zuweichen, doch haftete sie nicht an dem erstge¬
borenen, sondern an dem edelsten Sohn. Hier¬
über mußte das große Rechtstribunal schlichten,
welchem der Kaiser vorsaß und wo auch alle

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Großes, Kraͤftiges, Entzuͤckendes iſt daraus her¬
vorgegangen, wenn gleich freilich immer noch ein
Grundſatz fuͤr die Tugend der Buͤrger mangelt,
der ihre Tugend gewiß, aͤcht und als ſolche er¬
kennbar macht. Ihn zu ſuchen iſt das hohe
Geſchaͤft der Zeit, wiewohl man noch nicht
gluͤcklich darin war.

Vor der Hand merke aber ſo viel von jenen
Anordnungen:

Alle Voͤlker von Europa ſollten zur Sitten¬
einheit erzogen werden.

Man fuͤhrte darum Ueberall daſſelbe Maaß
in Schwere und Umfang, daſſelbe Tauſchmittel,
dieſelben Satzungen des Rechtes, ein.

Die allgemeine Sprache durch ganz Europa
folgte.

Die Voͤlker hatten ihre beſonderen Fuͤrſten,
da Eine Obergewalt unmoͤglich das weite Ganze
im Einzelnen uͤberblicken konnte. Dieſen Fuͤr¬
ſten blieb die Wuͤrdeerblichkeit zugeſtanden, um
den Uebeln der Ehrſucht, Liſt, Beſtechung aus¬
zuweichen, doch haftete ſie nicht an dem erſtge¬
borenen, ſondern an dem edelſten Sohn. Hier¬
uͤber mußte das große Rechtstribunal ſchlichten,
welchem der Kaiſer vorſaß und wo auch alle

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[49/0061] Großes, Kraͤftiges, Entzuͤckendes iſt daraus her¬ vorgegangen, wenn gleich freilich immer noch ein Grundſatz fuͤr die Tugend der Buͤrger mangelt, der ihre Tugend gewiß, aͤcht und als ſolche er¬ kennbar macht. Ihn zu ſuchen iſt das hohe Geſchaͤft der Zeit, wiewohl man noch nicht gluͤcklich darin war. Vor der Hand merke aber ſo viel von jenen Anordnungen: Alle Voͤlker von Europa ſollten zur Sitten¬ einheit erzogen werden. Man fuͤhrte darum Ueberall daſſelbe Maaß in Schwere und Umfang, daſſelbe Tauſchmittel, dieſelben Satzungen des Rechtes, ein. Die allgemeine Sprache durch ganz Europa folgte. Die Voͤlker hatten ihre beſonderen Fuͤrſten, da Eine Obergewalt unmoͤglich das weite Ganze im Einzelnen uͤberblicken konnte. Dieſen Fuͤr¬ ſten blieb die Wuͤrdeerblichkeit zugeſtanden, um den Uebeln der Ehrſucht, Liſt, Beſtechung aus¬ zuweichen, doch haftete ſie nicht an dem erſtge¬ borenen, ſondern an dem edelſten Sohn. Hier¬ uͤber mußte das große Rechtstribunal ſchlichten, welchem der Kaiſer vorſaß und wo auch alle D

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/61>, abgerufen am 23.04.2024.