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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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Bei den Worten Vorkunde des Schönen
erglühte der Zögling und dachte an Ini, die
sinnige Malerin. Es soll mich wundern, sagte
er zu sich, ob die Bildner zu Athen meine
holde Geliebte an Zartheit und Imaginazion
übertreffen werden.

Man zog nun in die Stadt ein. Guidos
Herz wallte hoch auf, bei den rührenden Erinne¬
rungen an das edle Alterthum, so lebendig durch
die Nachahmung versinnlicht. Vor allen Häusern
standen Hermen, deren Vollkommenheit Staunen
erregte, das einfache und doch mit großem Eindruck
erfüllende Ebenmaaß der heiter-majestätischen
Tempel, legte entzückende Bewundrung auf.

Gelino besuchte mit seinem jungen Freund
die Werkstatt des gerühmtesten Meisters unter
den Bildhauern. Der Mann faßte den Jüng¬
ling fest ins Auge, und schien befremdet. Dann
zeigte er willig seine reichen Vorräthe, zu wel¬
chen die meisten Künstler von Belang ihre Ar¬
beiten geliefert hatten, die nun in den weitläuf¬
tigen Säälen dieser Werkstatt und unter vor¬
theilhafter Beleuchtung, dem Auge der Fremden
ausgestellt sein sollten.

Was als Kunstvorwurf gelten konnte, wurde

Bei den Worten Vorkunde des Schoͤnen
ergluͤhte der Zoͤgling und dachte an Ini, die
ſinnige Malerin. Es ſoll mich wundern, ſagte
er zu ſich, ob die Bildner zu Athen meine
holde Geliebte an Zartheit und Imaginazion
uͤbertreffen werden.

Man zog nun in die Stadt ein. Guidos
Herz wallte hoch auf, bei den ruͤhrenden Erinne¬
rungen an das edle Alterthum, ſo lebendig durch
die Nachahmung verſinnlicht. Vor allen Haͤuſern
ſtanden Hermen, deren Vollkommenheit Staunen
erregte, das einfache und doch mit großem Eindruck
erfuͤllende Ebenmaaß der heiter-majeſtaͤtiſchen
Tempel, legte entzuͤckende Bewundrung auf.

Gelino beſuchte mit ſeinem jungen Freund
die Werkſtatt des geruͤhmteſten Meiſters unter
den Bildhauern. Der Mann faßte den Juͤng¬
ling feſt ins Auge, und ſchien befremdet. Dann
zeigte er willig ſeine reichen Vorraͤthe, zu wel¬
chen die meiſten Kuͤnſtler von Belang ihre Ar¬
beiten geliefert hatten, die nun in den weitlaͤuf¬
tigen Saͤaͤlen dieſer Werkſtatt und unter vor¬
theilhafter Beleuchtung, dem Auge der Fremden
ausgeſtellt ſein ſollten.

Was als Kunſtvorwurf gelten konnte, wurde

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[53/0065] Bei den Worten Vorkunde des Schoͤnen ergluͤhte der Zoͤgling und dachte an Ini, die ſinnige Malerin. Es ſoll mich wundern, ſagte er zu ſich, ob die Bildner zu Athen meine holde Geliebte an Zartheit und Imaginazion uͤbertreffen werden. Man zog nun in die Stadt ein. Guidos Herz wallte hoch auf, bei den ruͤhrenden Erinne¬ rungen an das edle Alterthum, ſo lebendig durch die Nachahmung verſinnlicht. Vor allen Haͤuſern ſtanden Hermen, deren Vollkommenheit Staunen erregte, das einfache und doch mit großem Eindruck erfuͤllende Ebenmaaß der heiter-majeſtaͤtiſchen Tempel, legte entzuͤckende Bewundrung auf. Gelino beſuchte mit ſeinem jungen Freund die Werkſtatt des geruͤhmteſten Meiſters unter den Bildhauern. Der Mann faßte den Juͤng¬ ling feſt ins Auge, und ſchien befremdet. Dann zeigte er willig ſeine reichen Vorraͤthe, zu wel¬ chen die meiſten Kuͤnſtler von Belang ihre Ar¬ beiten geliefert hatten, die nun in den weitlaͤuf¬ tigen Saͤaͤlen dieſer Werkſtatt und unter vor¬ theilhafter Beleuchtung, dem Auge der Fremden ausgeſtellt ſein ſollten. Was als Kunſtvorwurf gelten konnte, wurde

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/65>, abgerufen am 29.03.2024.