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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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schiefer Richtung an, warf durch sie Massen von
Erde dahin, und bedeckte die Festung in kurzer
Zeit mit einem ganzen Berg, wobei die Alter¬
thumskundigen bewogen wurden, an die Fabel
der Giganten zu denken, welche einst den Ossa,
Pelion und Olimp auf einander thürmten. Allein
die Gegenanstalten mangelten auch hier nicht.
Der Feind ward nicht dazu gelassen, die Festung
unterhöhlen zu können. Weit hinaus vor den
Festungswerken liefen Straßen unter der Erde
hin, an Größe und Dauer vergleichbar den alt¬
römischen Wasserleitungen. Von ihnen gingen
kleinere Gassen aus, welche mit ihren Neben¬
steigen ein weitläuftiges Gewebe bildeten. Hier
zogen die Streifwachen rastlos umher, und er¬
spähten zeitig, was der Gegner unter dem Erd¬
horizont beabsichtete. Dann drückte man, nach
ihm hin, die Erde ein, seine Arbeiter erstickend.
Warf der Feind einen Berg auf die Festung, so
war diese reichlich genug mit dem Ammoniak- und
Knallsilber-Pulver versehn, um sich davon zu
befreien, indem sein Schutt wieder auf der
Feinde Häupter geschleudert wurde. Diese hat¬
ten daher auch auf Laufgräben zu denken, welche
in der Tiefe Sicherheit gewährten.

ſchiefer Richtung an, warf durch ſie Maſſen von
Erde dahin, und bedeckte die Feſtung in kurzer
Zeit mit einem ganzen Berg, wobei die Alter¬
thumskundigen bewogen wurden, an die Fabel
der Giganten zu denken, welche einſt den Oſſa,
Pelion und Olimp auf einander thuͤrmten. Allein
die Gegenanſtalten mangelten auch hier nicht.
Der Feind ward nicht dazu gelaſſen, die Feſtung
unterhoͤhlen zu koͤnnen. Weit hinaus vor den
Feſtungswerken liefen Straßen unter der Erde
hin, an Groͤße und Dauer vergleichbar den alt¬
roͤmiſchen Waſſerleitungen. Von ihnen gingen
kleinere Gaſſen aus, welche mit ihren Neben¬
ſteigen ein weitlaͤuftiges Gewebe bildeten. Hier
zogen die Streifwachen raſtlos umher, und er¬
ſpaͤhten zeitig, was der Gegner unter dem Erd¬
horizont beabſichtete. Dann druͤckte man, nach
ihm hin, die Erde ein, ſeine Arbeiter erſtickend.
Warf der Feind einen Berg auf die Feſtung, ſo
war dieſe reichlich genug mit dem Ammoniak- und
Knallſilber-Pulver verſehn, um ſich davon zu
befreien, indem ſein Schutt wieder auf der
Feinde Haͤupter geſchleudert wurde. Dieſe hat¬
ten daher auch auf Laufgraͤben zu denken, welche
in der Tiefe Sicherheit gewaͤhrten.

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[75/0087] ſchiefer Richtung an, warf durch ſie Maſſen von Erde dahin, und bedeckte die Feſtung in kurzer Zeit mit einem ganzen Berg, wobei die Alter¬ thumskundigen bewogen wurden, an die Fabel der Giganten zu denken, welche einſt den Oſſa, Pelion und Olimp auf einander thuͤrmten. Allein die Gegenanſtalten mangelten auch hier nicht. Der Feind ward nicht dazu gelaſſen, die Feſtung unterhoͤhlen zu koͤnnen. Weit hinaus vor den Feſtungswerken liefen Straßen unter der Erde hin, an Groͤße und Dauer vergleichbar den alt¬ roͤmiſchen Waſſerleitungen. Von ihnen gingen kleinere Gaſſen aus, welche mit ihren Neben¬ ſteigen ein weitlaͤuftiges Gewebe bildeten. Hier zogen die Streifwachen raſtlos umher, und er¬ ſpaͤhten zeitig, was der Gegner unter dem Erd¬ horizont beabſichtete. Dann druͤckte man, nach ihm hin, die Erde ein, ſeine Arbeiter erſtickend. Warf der Feind einen Berg auf die Feſtung, ſo war dieſe reichlich genug mit dem Ammoniak- und Knallſilber-Pulver verſehn, um ſich davon zu befreien, indem ſein Schutt wieder auf der Feinde Haͤupter geſchleudert wurde. Dieſe hat¬ ten daher auch auf Laufgraͤben zu denken, welche in der Tiefe Sicherheit gewaͤhrten.

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/87>, abgerufen am 24.04.2024.