Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Odüßee. Zehnter Gesang.
Wieder hinab die Stufen der langen Treppe zu steigen;
Sondern er stürzte sich grade vom Dache hinunter; der Nacken
Brach aus seinem Gelenk, und die Seele fuhr in die Tiefe. 560

Zu der versammelten Schaar der Uebrigen sprach ich im Gehen:
Freunde, ihr wähnt vielleicht, zur lieben heimischen Insel
Hinzugehn; doch Kirkä gebeut eine andere Reise,
Hin zu Aidäs Reich und der strengen Persefoneia,
Um des thebaiischen Greises Teiresias Seele zu fragen. 565

Als sie dieses vernommen, da brach ihr Herz vor Betrübniß;
Jammernd sezten sie sich in den Staub, und rauften ihr Haupthaar:
Aber sie konnten ja nichts mit ihrer Klage gewinnen.

Während wir nun zu dem rüstigen Schiff am Strande des Meeres
Herzlichbekümmert gingen, und viele Thränen vergießend; 570
Ging auch Kirkä dahin, und band bei dem schwärzlichen Schiffe
Einen Bock und ein Schaf von ungezeichneter Schwärze,
Leicht uns vorüberschlüpfend. Denn welches Sterblichen Auge
Mag des Unsterblichen Gang, der sich verhüllet, entdecken?



Oduͤßee. Zehnter Geſang.
Wieder hinab die Stufen der langen Treppe zu ſteigen;
Sondern er ſtuͤrzte ſich grade vom Dache hinunter; der Nacken
Brach aus ſeinem Gelenk, und die Seele fuhr in die Tiefe. 560

Zu der verſammelten Schaar der Uebrigen ſprach ich im Gehen:
Freunde, ihr waͤhnt vielleicht, zur lieben heimiſchen Inſel
Hinzugehn; doch Kirkaͤ gebeut eine andere Reiſe,
Hin zu Aïdaͤs Reich und der ſtrengen Perſefoneia,
Um des thebaiiſchen Greiſes Teireſias Seele zu fragen. 565

Als ſie dieſes vernommen, da brach ihr Herz vor Betruͤbniß;
Jammernd ſezten ſie ſich in den Staub, und rauften ihr Haupthaar:
Aber ſie konnten ja nichts mit ihrer Klage gewinnen.

Waͤhrend wir nun zu dem ruͤſtigen Schiff am Strande des Meeres
Herzlichbekuͤmmert gingen, und viele Thraͤnen vergießend; 570
Ging auch Kirkaͤ dahin, und band bei dem ſchwaͤrzlichen Schiffe
Einen Bock und ein Schaf von ungezeichneter Schwaͤrze,
Leicht uns voruͤberſchluͤpfend. Denn welches Sterblichen Auge
Mag des Unſterblichen Gang, der ſich verhuͤllet, entdecken?



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0210" n="204"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee. Zehnter Ge&#x017F;ang.</hi></fw><lb/>
Wieder hinab die Stufen der langen Treppe zu &#x017F;teigen;<lb/>
Sondern er &#x017F;tu&#x0364;rzte &#x017F;ich grade vom Dache hinunter; der Nacken<lb/>
Brach aus &#x017F;einem Gelenk, und die Seele fuhr in die Tiefe. <note place="right">560</note></p><lb/>
        <p>Zu der ver&#x017F;ammelten Schaar der Uebrigen &#x017F;prach ich im Gehen:<lb/>
Freunde, ihr wa&#x0364;hnt vielleicht, zur lieben heimi&#x017F;chen In&#x017F;el<lb/>
Hinzugehn; doch Kirka&#x0364; gebeut eine andere Rei&#x017F;e,<lb/>
Hin zu Aïda&#x0364;s Reich und der &#x017F;trengen Per&#x017F;efoneia,<lb/>
Um des thebaii&#x017F;chen Grei&#x017F;es Teire&#x017F;ias Seele zu fragen. <note place="right">565</note></p><lb/>
        <p>Als &#x017F;ie die&#x017F;es vernommen, da brach ihr Herz vor Betru&#x0364;bniß;<lb/>
Jammernd &#x017F;ezten &#x017F;ie &#x017F;ich in den Staub, und rauften ihr Haupthaar:<lb/>
Aber &#x017F;ie konnten ja nichts mit ihrer Klage gewinnen.</p><lb/>
        <p>Wa&#x0364;hrend wir nun zu dem ru&#x0364;&#x017F;tigen Schiff am Strande des Meeres<lb/>
Herzlichbeku&#x0364;mmert gingen, und viele Thra&#x0364;nen vergießend; <note place="right">570</note><lb/>
Ging auch Kirka&#x0364; dahin, und band bei dem &#x017F;chwa&#x0364;rzlichen Schiffe<lb/>
Einen Bock und ein Schaf von ungezeichneter Schwa&#x0364;rze,<lb/>
Leicht uns voru&#x0364;ber&#x017F;chlu&#x0364;pfend. Denn welches Sterblichen Auge<lb/>
Mag des Un&#x017F;terblichen Gang, der &#x017F;ich verhu&#x0364;llet, entdecken?</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[204/0210] Oduͤßee. Zehnter Geſang. Wieder hinab die Stufen der langen Treppe zu ſteigen; Sondern er ſtuͤrzte ſich grade vom Dache hinunter; der Nacken Brach aus ſeinem Gelenk, und die Seele fuhr in die Tiefe. 560 Zu der verſammelten Schaar der Uebrigen ſprach ich im Gehen: Freunde, ihr waͤhnt vielleicht, zur lieben heimiſchen Inſel Hinzugehn; doch Kirkaͤ gebeut eine andere Reiſe, Hin zu Aïdaͤs Reich und der ſtrengen Perſefoneia, Um des thebaiiſchen Greiſes Teireſias Seele zu fragen. 565 Als ſie dieſes vernommen, da brach ihr Herz vor Betruͤbniß; Jammernd ſezten ſie ſich in den Staub, und rauften ihr Haupthaar: Aber ſie konnten ja nichts mit ihrer Klage gewinnen. Waͤhrend wir nun zu dem ruͤſtigen Schiff am Strande des Meeres Herzlichbekuͤmmert gingen, und viele Thraͤnen vergießend; Ging auch Kirkaͤ dahin, und band bei dem ſchwaͤrzlichen Schiffe Einen Bock und ein Schaf von ungezeichneter Schwaͤrze, Leicht uns voruͤberſchluͤpfend. Denn welches Sterblichen Auge Mag des Unſterblichen Gang, der ſich verhuͤllet, entdecken? 570

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/210
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/210>, abgerufen am 19.04.2024.