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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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Theodor! am Sternenhimmel blüht meine
einzige Wonne. Die Gottheit steht nie so groß,
so klar, so überschwänglich da in ihrer Fülle vor
mir, als wenn ich zum nächtlichen Himmel hin-
aufblicke.

Manchmal faß' ich wieder diese Ordnung und
Einheit.

Ewig bewegen sich die Welten, ewig! und
doch nach einem Gesetze! Jm Riesenschwunge, den
unsere Sinne nicht fassen, und doch nach Regel
und Ordnung!

Ueberall Seyn und Werden! im ganzen uner-
meßlichen All! Welten dämmern, wie blasse Nebel-
flecken, wie milchweiße verschwimmende Streifen,
werdend, sich gestaltend, in allmählich reifendem
Entfalten .. sich sammelnd aus dem unendlichen
Stoß in die riesigen Formen .. Welten sind gewor-
den, wurden gebildet aus dem gewaltigen Element,
wie volle, blühende Blumen aus dem Keime ....
schwimmen im ewigen Aether, in Jugend und Voll-
endung .... Welten schwinden zusammen, ver-
trocknend, erstarrend, alternd, sich lösend vom
Wasser, dem Nährenden, Tränkenden, .... abge-
spiegelt der Mensch mit seinem Werden,

Theodor! am Sternenhimmel bluͤht meine
einzige Wonne. Die Gottheit ſteht nie ſo groß,
ſo klar, ſo uͤberſchwaͤnglich da in ihrer Fuͤlle vor
mir, als wenn ich zum naͤchtlichen Himmel hin-
aufblicke.

Manchmal faß’ ich wieder dieſe Ordnung und
Einheit.

Ewig bewegen ſich die Welten, ewig! und
doch nach einem Geſetze! Jm Rieſenſchwunge, den
unſere Sinne nicht faſſen, und doch nach Regel
und Ordnung!

Ueberall Seyn und Werden! im ganzen uner-
meßlichen All! Welten daͤmmern, wie blaſſe Nebel-
flecken, wie milchweiße verſchwimmende Streifen,
werdend, ſich geſtaltend, in allmaͤhlich reifendem
Entfalten .. ſich ſammelnd aus dem unendlichen
Stoß in die rieſigen Formen .. Welten ſind gewor-
den, wurden gebildet aus dem gewaltigen Element,
wie volle, bluͤhende Blumen aus dem Keime ....
ſchwimmen im ewigen Aether, in Jugend und Voll-
endung .... Welten ſchwinden zuſammen, ver-
trocknend, erſtarrend, alternd, ſich loͤſend vom
Waſſer, dem Naͤhrenden, Traͤnkenden, .... abge-
ſpiegelt der Menſch mit ſeinem Werden,

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[106/0106] Theodor! am Sternenhimmel bluͤht meine einzige Wonne. Die Gottheit ſteht nie ſo groß, ſo klar, ſo uͤberſchwaͤnglich da in ihrer Fuͤlle vor mir, als wenn ich zum naͤchtlichen Himmel hin- aufblicke. Manchmal faß’ ich wieder dieſe Ordnung und Einheit. Ewig bewegen ſich die Welten, ewig! und doch nach einem Geſetze! Jm Rieſenſchwunge, den unſere Sinne nicht faſſen, und doch nach Regel und Ordnung! Ueberall Seyn und Werden! im ganzen uner- meßlichen All! Welten daͤmmern, wie blaſſe Nebel- flecken, wie milchweiße verſchwimmende Streifen, werdend, ſich geſtaltend, in allmaͤhlich reifendem Entfalten .. ſich ſammelnd aus dem unendlichen Stoß in die rieſigen Formen .. Welten ſind gewor- den, wurden gebildet aus dem gewaltigen Element, wie volle, bluͤhende Blumen aus dem Keime .... ſchwimmen im ewigen Aether, in Jugend und Voll- endung .... Welten ſchwinden zuſammen, ver- trocknend, erſtarrend, alternd, ſich loͤſend vom Waſſer, dem Naͤhrenden, Traͤnkenden, .... abge- ſpiegelt der Menſch mit ſeinem Werden,

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/106>, abgerufen am 25.04.2024.