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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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Phaethon sprach kein Wort. Mit fliegenden,
vom Wind gewirbelten Haaren rannt' er besinn-
ungslos die Straße dahin!

Zwey Nächte durch schliefen wir nicht.

Am dritten Tag waren wir in der Nähe des
Schlosses. Phaethon sprang vom Pferde, stürzte
mir wüthend um den Hals, und preßte mich rie-
senmäßig an seine klopfende Brust.

Da stand ich einst .... rief er fürchterlich wei-
nend .... Gott! Gott! verlaß mich nicht! Seine
Lippen schäumten. Es war das letzte vernünftige
Wort, das ich von ihm hörte.

Wir stürmten durch's Schloßthor hinein. Es
war ein heiterer schöner Abend. Der Westen
brannte von wallendem Golde.

Ein Diener lief uns entgegen. Seyd ihr da?
rief er schluchzend, sie stirbt! sie stirbt!

Wir rannten die Treppen hinauf. Phaethon
riß eine Thüre auf. O Gott! Jch muß aufhören,
die Worte schwimmen vor meinen Augen.

Phaethon ſprach kein Wort. Mit fliegenden,
vom Wind gewirbelten Haaren rannt’ er beſinn-
ungslos die Straße dahin!

Zwey Naͤchte durch ſchliefen wir nicht.

Am dritten Tag waren wir in der Naͤhe des
Schloſſes. Phaethon ſprang vom Pferde, ſtuͤrzte
mir wuͤthend um den Hals, und preßte mich rie-
ſenmaͤßig an ſeine klopfende Bruſt.

Da ſtand ich einſt .... rief er fuͤrchterlich wei-
nend .... Gott! Gott! verlaß mich nicht! Seine
Lippen ſchaͤumten. Es war das letzte vernuͤnftige
Wort, das ich von ihm hoͤrte.

Wir ſtuͤrmten durch’s Schloßthor hinein. Es
war ein heiterer ſchoͤner Abend. Der Weſten
brannte von wallendem Golde.

Ein Diener lief uns entgegen. Seyd ihr da?
rief er ſchluchzend, ſie ſtirbt! ſie ſtirbt!

Wir rannten die Treppen hinauf. Phaethon
riß eine Thuͤre auf. O Gott! Jch muß aufhoͤren,
die Worte ſchwimmen vor meinen Augen.

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[142/0142] Phaethon ſprach kein Wort. Mit fliegenden, vom Wind gewirbelten Haaren rannt’ er beſinn- ungslos die Straße dahin! Zwey Naͤchte durch ſchliefen wir nicht. Am dritten Tag waren wir in der Naͤhe des Schloſſes. Phaethon ſprang vom Pferde, ſtuͤrzte mir wuͤthend um den Hals, und preßte mich rie- ſenmaͤßig an ſeine klopfende Bruſt. Da ſtand ich einſt .... rief er fuͤrchterlich wei- nend .... Gott! Gott! verlaß mich nicht! Seine Lippen ſchaͤumten. Es war das letzte vernuͤnftige Wort, das ich von ihm hoͤrte. Wir ſtuͤrmten durch’s Schloßthor hinein. Es war ein heiterer ſchoͤner Abend. Der Weſten brannte von wallendem Golde. Ein Diener lief uns entgegen. Seyd ihr da? rief er ſchluchzend, ſie ſtirbt! ſie ſtirbt! Wir rannten die Treppen hinauf. Phaethon riß eine Thuͤre auf. O Gott! Jch muß aufhoͤren, die Worte ſchwimmen vor meinen Augen.

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/142>, abgerufen am 28.03.2024.