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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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liens, weinte über die Raubhorden der Schluchten
von Manina, und goß meine Thränen in den al-
ten weißen Acheloos. Wie eine Furie trieb mich
der Geist des alten Hellas durch die Länder, eine
wilde Unruhe jagte mich über die Berge und mein
Volk stand in seiner ganzen Niedrigkeit vor meiner
Seele. Jch schiffte ab von Teniadä, stieg zu Dy-
ma ans Land und wandelte ins schöne Elis. Kin-
der! da ward vollendet das Bild! Wildverwobe-
nes Gesträuche, Säulenstümpfe, Mauerstücke, zer-
broch'ne Basreliefs, Schilder, Trophäen bedeckten
das Thal von Olympia. Der Alpheus wälzte sich
wie eine blaue Schlange, mit kühner Windung
durch die Eb'ne, wo nur der Tod und die Zerstör-
ung wehte, die Wölfe des Pholoe und des Eryman-
thos in der Wildniß hausen und nur hie und da
ein einsamer Mann in der schweigenden Gegend
gräbt, dem Boden seine Schätze abzugewinnen.

Mein Leben war Ein Schmerz geworden. Jch
versank in Schwermuth wie der Mond in Wolken
und die Freyheit war mir zu einem fernen ver-
schwebenden Luftbild geworden.

Die Donner, die wilden Vorboten des Win-
ters, erschollen am Himmel und ich war wieder in
Arkadien.

liens, weinte uͤber die Raubhorden der Schluchten
von Manina, und goß meine Thraͤnen in den al-
ten weißen Acheloos. Wie eine Furie trieb mich
der Geiſt des alten Hellas durch die Laͤnder, eine
wilde Unruhe jagte mich uͤber die Berge und mein
Volk ſtand in ſeiner ganzen Niedrigkeit vor meiner
Seele. Jch ſchiffte ab von Teniadaͤ, ſtieg zu Dy-
ma ans Land und wandelte ins ſchoͤne Elis. Kin-
der! da ward vollendet das Bild! Wildverwobe-
nes Geſtraͤuche, Saͤulenſtuͤmpfe, Mauerſtuͤcke, zer-
broch’ne Basreliefs, Schilder, Trophaͤen bedeckten
das Thal von Olympia. Der Alpheus waͤlzte ſich
wie eine blaue Schlange, mit kuͤhner Windung
durch die Eb’ne, wo nur der Tod und die Zerſtoͤr-
ung wehte, die Woͤlfe des Pholoe und des Eryman-
thos in der Wildniß hauſen und nur hie und da
ein einſamer Mann in der ſchweigenden Gegend
graͤbt, dem Boden ſeine Schaͤtze abzugewinnen.

Mein Leben war Ein Schmerz geworden. Jch
verſank in Schwermuth wie der Mond in Wolken
und die Freyheit war mir zu einem fernen ver-
ſchwebenden Luftbild geworden.

Die Donner, die wilden Vorboten des Win-
ters, erſchollen am Himmel und ich war wieder in
Arkadien.

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[29/0029] liens, weinte uͤber die Raubhorden der Schluchten von Manina, und goß meine Thraͤnen in den al- ten weißen Acheloos. Wie eine Furie trieb mich der Geiſt des alten Hellas durch die Laͤnder, eine wilde Unruhe jagte mich uͤber die Berge und mein Volk ſtand in ſeiner ganzen Niedrigkeit vor meiner Seele. Jch ſchiffte ab von Teniadaͤ, ſtieg zu Dy- ma ans Land und wandelte ins ſchoͤne Elis. Kin- der! da ward vollendet das Bild! Wildverwobe- nes Geſtraͤuche, Saͤulenſtuͤmpfe, Mauerſtuͤcke, zer- broch’ne Basreliefs, Schilder, Trophaͤen bedeckten das Thal von Olympia. Der Alpheus waͤlzte ſich wie eine blaue Schlange, mit kuͤhner Windung durch die Eb’ne, wo nur der Tod und die Zerſtoͤr- ung wehte, die Woͤlfe des Pholoe und des Eryman- thos in der Wildniß hauſen und nur hie und da ein einſamer Mann in der ſchweigenden Gegend graͤbt, dem Boden ſeine Schaͤtze abzugewinnen. Mein Leben war Ein Schmerz geworden. Jch verſank in Schwermuth wie der Mond in Wolken und die Freyheit war mir zu einem fernen ver- ſchwebenden Luftbild geworden. Die Donner, die wilden Vorboten des Win- ters, erſchollen am Himmel und ich war wieder in Arkadien.

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/29>, abgerufen am 25.04.2024.