Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.Unser Gefühl war rein wie das weiße Licht der Und wenn dann der Mond hervortrat und die Einsmals nahm Hilarion mich an der Hand Unſer Gefuͤhl war rein wie das weiße Licht der Und wenn dann der Mond hervortrat und die Einsmals nahm Hilarion mich an der Hand <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0040" n="40"/> <p>Unſer Gefuͤhl war rein wie das weiße Licht der<lb/> Sonne. Die ganze Schoͤne des griechiſchen Him-<lb/> mels hatte ſich abgedruͤckt in Theonens Koͤrper und<lb/> Seele.</p><lb/> <p>Und wenn dann der Mond hervortrat und die<lb/> beſchneyten Gipfel des Taygetos im blaſſen daͤm-<lb/> mernden Lichte glaͤnzten, wie zartgehauchte Wolken-<lb/> bilder, da ſchwiegen wir und lauſchten der Nachti-<lb/> gall, die ihre Lieder in den Akazien aus der melo-<lb/> diſchen Kehle wogte, und wandelten Hand in Hand<lb/> wieder unſern Felſen zu.</p><lb/> <p>Einsmals nahm Hilarion mich an der Hand<lb/> und fuͤhrte mich zu Theone. Dann gieng er<lb/> ſchweigend mit uns aus dem Hauſe. Die Sonne<lb/> ſtand am Mittagshimmel. Der Alte blickte die<lb/> junge Tochter an und dann mich und ſagte: Liebe<lb/> Kinder! ihr liebt euch! Das Maͤdchen erroͤthete,<lb/> mein Auge gluͤhte. Jch warf mich zu des Vaters<lb/> Fuͤßen; auch das Maͤdchen ſank auf ihre Kniee.<lb/> Hilarion legte unſ’re Haͤnde in einander, gab uns<lb/> ſeinen Segen und gieng ins Haus. Dann ſahen<lb/> wir einander an auf den Knieen und unſere Lippen<lb/> kuͤßten ſich zum ewigen Bunde.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [40/0040]
Unſer Gefuͤhl war rein wie das weiße Licht der
Sonne. Die ganze Schoͤne des griechiſchen Him-
mels hatte ſich abgedruͤckt in Theonens Koͤrper und
Seele.
Und wenn dann der Mond hervortrat und die
beſchneyten Gipfel des Taygetos im blaſſen daͤm-
mernden Lichte glaͤnzten, wie zartgehauchte Wolken-
bilder, da ſchwiegen wir und lauſchten der Nachti-
gall, die ihre Lieder in den Akazien aus der melo-
diſchen Kehle wogte, und wandelten Hand in Hand
wieder unſern Felſen zu.
Einsmals nahm Hilarion mich an der Hand
und fuͤhrte mich zu Theone. Dann gieng er
ſchweigend mit uns aus dem Hauſe. Die Sonne
ſtand am Mittagshimmel. Der Alte blickte die
junge Tochter an und dann mich und ſagte: Liebe
Kinder! ihr liebt euch! Das Maͤdchen erroͤthete,
mein Auge gluͤhte. Jch warf mich zu des Vaters
Fuͤßen; auch das Maͤdchen ſank auf ihre Kniee.
Hilarion legte unſ’re Haͤnde in einander, gab uns
ſeinen Segen und gieng ins Haus. Dann ſahen
wir einander an auf den Knieen und unſere Lippen
kuͤßten ſich zum ewigen Bunde.
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Zitationshilfe: | Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/40>, abgerufen am 05.06.2023. |