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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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Am Jsthmos standen wir den Türken gegen-
über.

Jch lag auf meinen Knieen wie die Sonne
emporstieg, und flehte zum allbarmherzigen Gott,
Richter zu seyn des entscheidungsvollen Kampfes.

Wir stürzten in die Schlacht und wurden ge-
schlagen.

Jch weinte blutige Thränen, aber noch ver-
zweifelt' ich nicht. Der Seraskier war bis nach
Messenien gedrungen. Jch eilte durch den Pelo-
ponnes: neue Schaaren kampflustiger Mainotten
strömten zusammen.

Wir kämpften, wie Rasende.

Umsonst. Die geschlagenen Brüder flohen aus-
einander und verloren sich in den Gebirgen des
Pente-daktylon.

Da stand ich allein wieder auf der Erde, allein
in meinem Vaterland, wie einst, als ich den Pelo-
ponnes durchwandelte.

Ueberall hört' ich von dem Rauben und Mor-
den der zügellosen Griechen. Jch eilte auf ein

Am Jſthmos ſtanden wir den Tuͤrken gegen-
uͤber.

Jch lag auf meinen Knieen wie die Sonne
emporſtieg, und flehte zum allbarmherzigen Gott,
Richter zu ſeyn des entſcheidungsvollen Kampfes.

Wir ſtuͤrzten in die Schlacht und wurden ge-
ſchlagen.

Jch weinte blutige Thraͤnen, aber noch ver-
zweifelt’ ich nicht. Der Seraskier war bis nach
Meſſenien gedrungen. Jch eilte durch den Pelo-
ponnes: neue Schaaren kampfluſtiger Mainotten
ſtroͤmten zuſammen.

Wir kaͤmpften, wie Raſende.

Umſonſt. Die geſchlagenen Bruͤder flohen aus-
einander und verloren ſich in den Gebirgen des
Pente-daktylon.

Da ſtand ich allein wieder auf der Erde, allein
in meinem Vaterland, wie einſt, als ich den Pelo-
ponnes durchwandelte.

Ueberall hoͤrt’ ich von dem Rauben und Mor-
den der zuͤgelloſen Griechen. Jch eilte auf ein

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[45/0045] Am Jſthmos ſtanden wir den Tuͤrken gegen- uͤber. Jch lag auf meinen Knieen wie die Sonne emporſtieg, und flehte zum allbarmherzigen Gott, Richter zu ſeyn des entſcheidungsvollen Kampfes. Wir ſtuͤrzten in die Schlacht und wurden ge- ſchlagen. Jch weinte blutige Thraͤnen, aber noch ver- zweifelt’ ich nicht. Der Seraskier war bis nach Meſſenien gedrungen. Jch eilte durch den Pelo- ponnes: neue Schaaren kampfluſtiger Mainotten ſtroͤmten zuſammen. Wir kaͤmpften, wie Raſende. Umſonſt. Die geſchlagenen Bruͤder flohen aus- einander und verloren ſich in den Gebirgen des Pente-daktylon. Da ſtand ich allein wieder auf der Erde, allein in meinem Vaterland, wie einſt, als ich den Pelo- ponnes durchwandelte. Ueberall hoͤrt’ ich von dem Rauben und Mor- den der zuͤgelloſen Griechen. Jch eilte auf ein

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/45>, abgerufen am 29.03.2024.