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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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Schätze sammt dem Sarg auf einen Wagen. Zu
Calamata schifften wir uns ein.

Mit heißen Thränen sah ich die schönen Ufer
im Meer verschwimmen, tröstete Cäcilien und hatte
für mich keinen Trost.

Unsere Reise war glücklich. Wir wählten uns
diesen Platz und bauten unsere Häuser.

O Kinder, ich konnte nicht leben ohne Begei-
sterung, und hatte doch nichts mehr, das mich be-
geistern könnte.

Mein Schmerz war unermeßlich.

Cäciliens zarte Seele versteht ihn: eine wun-
dersame Freundschaft schließt unsere Herzen zusam-
men, seit wir unser Griechenland verließen. Jn
diesem Gewölbe betrauert' ich mein Vaterland und
meine Theone. Jhre Hülle ruht im Sarkophage.

Du wuchsest auf, liebe Atalanta, und wußtest
nicht, daß ich dein Vater bin und Griechenland
deine Heimath. Jch wollte dir den Schmerz erspa-
ren, und lieber eine Mutter dir geben, als einen
Vater. Du solltest, durftest es nicht wissen. Fra-
ge mich nicht.

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Schaͤtze ſammt dem Sarg auf einen Wagen. Zu
Calamata ſchifften wir uns ein.

Mit heißen Thraͤnen ſah ich die ſchoͤnen Ufer
im Meer verſchwimmen, troͤſtete Caͤcilien und hatte
fuͤr mich keinen Troſt.

Unſere Reiſe war gluͤcklich. Wir waͤhlten uns
dieſen Platz und bauten unſere Haͤuſer.

O Kinder, ich konnte nicht leben ohne Begei-
ſterung, und hatte doch nichts mehr, das mich be-
geiſtern koͤnnte.

Mein Schmerz war unermeßlich.

Caͤciliens zarte Seele verſteht ihn: eine wun-
derſame Freundſchaft ſchließt unſere Herzen zuſam-
men, ſeit wir unſer Griechenland verließen. Jn
dieſem Gewoͤlbe betrauert’ ich mein Vaterland und
meine Theone. Jhre Huͤlle ruht im Sarkophage.

Du wuchſeſt auf, liebe Atalanta, und wußteſt
nicht, daß ich dein Vater bin und Griechenland
deine Heimath. Jch wollte dir den Schmerz erſpa-
ren, und lieber eine Mutter dir geben, als einen
Vater. Du ſollteſt, durfteſt es nicht wiſſen. Fra-
ge mich nicht.

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[49/0049] Schaͤtze ſammt dem Sarg auf einen Wagen. Zu Calamata ſchifften wir uns ein. Mit heißen Thraͤnen ſah ich die ſchoͤnen Ufer im Meer verſchwimmen, troͤſtete Caͤcilien und hatte fuͤr mich keinen Troſt. Unſere Reiſe war gluͤcklich. Wir waͤhlten uns dieſen Platz und bauten unſere Haͤuſer. O Kinder, ich konnte nicht leben ohne Begei- ſterung, und hatte doch nichts mehr, das mich be- geiſtern koͤnnte. Mein Schmerz war unermeßlich. Caͤciliens zarte Seele verſteht ihn: eine wun- derſame Freundſchaft ſchließt unſere Herzen zuſam- men, ſeit wir unſer Griechenland verließen. Jn dieſem Gewoͤlbe betrauert’ ich mein Vaterland und meine Theone. Jhre Huͤlle ruht im Sarkophage. Du wuchſeſt auf, liebe Atalanta, und wußteſt nicht, daß ich dein Vater bin und Griechenland deine Heimath. Jch wollte dir den Schmerz erſpa- ren, und lieber eine Mutter dir geben, als einen Vater. Du ſollteſt, durfteſt es nicht wiſſen. Fra- ge mich nicht. 4

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/49>, abgerufen am 25.04.2024.