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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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brauchen wir einen Körper, daß unser Geist nicht
erblinde vom allreinen Licht, von der heiligen, all-
durchdringlichen Schöne Gottes. Jmmer reiner
aber wird der ewige zur Reife schwellende Geist,
immer mehr Festigkeit erhält er durch die in immer
größern Erscheinungen geoffenbarte Gottheit, immer
riesenmäßiger werden die Flügel, je mehr sie ge-
tränkt werden von der zarten wallenden Morgen-
schöne des unendlichen Vaters. Unsere Körper wer-
den immer feiner, ätherischer, farbloser, reiner,
bis wir endlich gar keine Hülle mehr brauchen,
Geist und Geist mit der Gottheit zusammenfließen,
und in ihr, im Anschau'n unserer Vollkommenheit,
in alle Ewigkeit fortleben.

Jch schwieg. Schön! rief Caton. Du hast
dich gezeigt, wie ich's erwartete. Schwärmerisch ..

Aber beseligend, lispelte Atalanta, und drückte
mir die Hand mit einem Blicke, der mir ihre tiefe
schöne Seele in ihrer unendlichen Durchsichtigkeit
zeigte.

Cäcilie weinte, und sagte endlich zum blauen
Himmel blickend, mit thränenvollem Auge: Jch
werde euch wiedersehen, Vater und Schwester!
Caton sah sie schmerzlich an.

brauchen wir einen Koͤrper, daß unſer Geiſt nicht
erblinde vom allreinen Licht, von der heiligen, all-
durchdringlichen Schoͤne Gottes. Jmmer reiner
aber wird der ewige zur Reife ſchwellende Geiſt,
immer mehr Feſtigkeit erhaͤlt er durch die in immer
groͤßern Erſcheinungen geoffenbarte Gottheit, immer
rieſenmaͤßiger werden die Fluͤgel, je mehr ſie ge-
traͤnkt werden von der zarten wallenden Morgen-
ſchoͤne des unendlichen Vaters. Unſere Koͤrper wer-
den immer feiner, aͤtheriſcher, farbloſer, reiner,
bis wir endlich gar keine Huͤlle mehr brauchen,
Geiſt und Geiſt mit der Gottheit zuſammenfließen,
und in ihr, im Anſchau’n unſerer Vollkommenheit,
in alle Ewigkeit fortleben.

Jch ſchwieg. Schoͤn! rief Caton. Du haſt
dich gezeigt, wie ich’s erwartete. Schwaͤrmeriſch ..

Aber beſeligend, liſpelte Atalanta, und druͤckte
mir die Hand mit einem Blicke, der mir ihre tiefe
ſchoͤne Seele in ihrer unendlichen Durchſichtigkeit
zeigte.

Caͤcilie weinte, und ſagte endlich zum blauen
Himmel blickend, mit thraͤnenvollem Auge: Jch
werde euch wiederſehen, Vater und Schweſter!
Caton ſah ſie ſchmerzlich an.

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[59/0059] brauchen wir einen Koͤrper, daß unſer Geiſt nicht erblinde vom allreinen Licht, von der heiligen, all- durchdringlichen Schoͤne Gottes. Jmmer reiner aber wird der ewige zur Reife ſchwellende Geiſt, immer mehr Feſtigkeit erhaͤlt er durch die in immer groͤßern Erſcheinungen geoffenbarte Gottheit, immer rieſenmaͤßiger werden die Fluͤgel, je mehr ſie ge- traͤnkt werden von der zarten wallenden Morgen- ſchoͤne des unendlichen Vaters. Unſere Koͤrper wer- den immer feiner, aͤtheriſcher, farbloſer, reiner, bis wir endlich gar keine Huͤlle mehr brauchen, Geiſt und Geiſt mit der Gottheit zuſammenfließen, und in ihr, im Anſchau’n unſerer Vollkommenheit, in alle Ewigkeit fortleben. Jch ſchwieg. Schoͤn! rief Caton. Du haſt dich gezeigt, wie ich’s erwartete. Schwaͤrmeriſch .. Aber beſeligend, liſpelte Atalanta, und druͤckte mir die Hand mit einem Blicke, der mir ihre tiefe ſchoͤne Seele in ihrer unendlichen Durchſichtigkeit zeigte. Caͤcilie weinte, und ſagte endlich zum blauen Himmel blickend, mit thraͤnenvollem Auge: Jch werde euch wiederſehen, Vater und Schweſter! Caton ſah ſie ſchmerzlich an.

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/59>, abgerufen am 19.04.2024.