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Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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gebracht hatten, den Tod des vorigen Herrn Pfarrers etwa ausgenommen. Das Wittwenhaus lag der Küsterei schräg gegenüber. Die Obstgärten grenzten aneinander. Das braune Hinterstübchen hatte den Blick auf den weinumrankten, vielgefürchteten Giebel. Das ganze Leben des Herrn Florian Habermus, je weniger die Außenwelt es berührte, hing mit unzähligen Gefühls- und Gewohnheitsfäden mit seiner nächsten Umgebung zusammen. Schmerzte es ihn schon, wenn im Herbst das Obst im Wittwengarten von den Bäumen geschüttelt wurde, einzig, weil diese Lese eine plötzliche Aussichtsveränderung mit sich brachte, ein wie viel größeres Stück gewohnter Behaglichkeit wurde ihm entrissen, wenn das Wittwenhaus plötzlich fremde Bewohner, nie gesehene Gesichter bekam oder wenn man etwa Anbaue, Stützungen, Veränderungen an dem alten Giebelhause vornehmen sollte! Die Möglichkeit, ein modisches Haus an die Stelle des alten treten zu sehen, mochte er gar nicht in seinen Gedanken aufkommen lassen.

Als er das Blatt mit der verhängnißvollen Anzeige wieder auf den Tisch gelegt hatte, klappte er das Bierglas zu, zog einen Groschen mit darauf geprägtem galoppirendem Pferde aus dem Tabacksbeutel und ging, ohne der Wirthin Rückkehr abzuwarten, aus dem Kruge.

gebracht hatten, den Tod des vorigen Herrn Pfarrers etwa ausgenommen. Das Wittwenhaus lag der Küsterei schräg gegenüber. Die Obstgärten grenzten aneinander. Das braune Hinterstübchen hatte den Blick auf den weinumrankten, vielgefürchteten Giebel. Das ganze Leben des Herrn Florian Habermus, je weniger die Außenwelt es berührte, hing mit unzähligen Gefühls- und Gewohnheitsfäden mit seiner nächsten Umgebung zusammen. Schmerzte es ihn schon, wenn im Herbst das Obst im Wittwengarten von den Bäumen geschüttelt wurde, einzig, weil diese Lese eine plötzliche Aussichtsveränderung mit sich brachte, ein wie viel größeres Stück gewohnter Behaglichkeit wurde ihm entrissen, wenn das Wittwenhaus plötzlich fremde Bewohner, nie gesehene Gesichter bekam oder wenn man etwa Anbaue, Stützungen, Veränderungen an dem alten Giebelhause vornehmen sollte! Die Möglichkeit, ein modisches Haus an die Stelle des alten treten zu sehen, mochte er gar nicht in seinen Gedanken aufkommen lassen.

Als er das Blatt mit der verhängnißvollen Anzeige wieder auf den Tisch gelegt hatte, klappte er das Bierglas zu, zog einen Groschen mit darauf geprägtem galoppirendem Pferde aus dem Tabacksbeutel und ging, ohne der Wirthin Rückkehr abzuwarten, aus dem Kruge.

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[0030] gebracht hatten, den Tod des vorigen Herrn Pfarrers etwa ausgenommen. Das Wittwenhaus lag der Küsterei schräg gegenüber. Die Obstgärten grenzten aneinander. Das braune Hinterstübchen hatte den Blick auf den weinumrankten, vielgefürchteten Giebel. Das ganze Leben des Herrn Florian Habermus, je weniger die Außenwelt es berührte, hing mit unzähligen Gefühls- und Gewohnheitsfäden mit seiner nächsten Umgebung zusammen. Schmerzte es ihn schon, wenn im Herbst das Obst im Wittwengarten von den Bäumen geschüttelt wurde, einzig, weil diese Lese eine plötzliche Aussichtsveränderung mit sich brachte, ein wie viel größeres Stück gewohnter Behaglichkeit wurde ihm entrissen, wenn das Wittwenhaus plötzlich fremde Bewohner, nie gesehene Gesichter bekam oder wenn man etwa Anbaue, Stützungen, Veränderungen an dem alten Giebelhause vornehmen sollte! Die Möglichkeit, ein modisches Haus an die Stelle des alten treten zu sehen, mochte er gar nicht in seinen Gedanken aufkommen lassen. Als er das Blatt mit der verhängnißvollen Anzeige wieder auf den Tisch gelegt hatte, klappte er das Bierglas zu, zog einen Groschen mit darauf geprägtem galoppirendem Pferde aus dem Tabacksbeutel und ging, ohne der Wirthin Rückkehr abzuwarten, aus dem Kruge.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:58:19Z)

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Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/30>, abgerufen am 20.04.2024.