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Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Entschluß verzögert, und durch die Verschleppung ist die Klärung des Nachlasses nur noch schwieriger geworden; sie mag kaum noch daran denken.

So hatte die Bedrängniß der Wittib des wohlseligen Herrn, heißt es in den Denkwürdigkeiten, diejenige Höhe erreicht, von welcher der Prophet Elisa redet, und die der König von Syrien verspottete, als er dem Weibe antwortete: hilft dir der Herr nicht, woher soll ich dir helfen? Von der Tenne oder von der Kelter?

Der Küster hatte indessen zu jener Zeit wenig Ahnung von der Stimmung, in welcher er die Pfarrerswittwe fand. Er brauchte sogar eine Weile Sammlung, um sich auf die Veranlassung seines Besuchs zu besinnen. Als er den Inhalt der Verkaufsanzeige endlich zusammengefunden und in möglichst amtsmäßiger Weise vorgetragen hatte, wartete er auf eine Aeußerung seiner Zuhörerin, die ihrerseits aber durch das Vernommene so sehr betroffen worden war, daß sie keine Antwort zu geben vermochte.

Das Haus ist alt, sagte er endlich, um nur etwas zu sagen, und ich thue vielleicht Unrecht, wenn ich es erhalten wünsche. Nur habe ich mich seit manchem Jahr an seine Nachbarschaft gewöhnt und kann mir nicht vorstellen, wie die Küsterei drüben sich ausnehmen wird, wenn hier abgerissen und aufgeräumt werden sollte. -- Er machte Anstalten, sich zum Rückzüge vorzubereiten, immer mehr der Vermuthung Raum gebend, er habe sich eine

Entschluß verzögert, und durch die Verschleppung ist die Klärung des Nachlasses nur noch schwieriger geworden; sie mag kaum noch daran denken.

So hatte die Bedrängniß der Wittib des wohlseligen Herrn, heißt es in den Denkwürdigkeiten, diejenige Höhe erreicht, von welcher der Prophet Elisa redet, und die der König von Syrien verspottete, als er dem Weibe antwortete: hilft dir der Herr nicht, woher soll ich dir helfen? Von der Tenne oder von der Kelter?

Der Küster hatte indessen zu jener Zeit wenig Ahnung von der Stimmung, in welcher er die Pfarrerswittwe fand. Er brauchte sogar eine Weile Sammlung, um sich auf die Veranlassung seines Besuchs zu besinnen. Als er den Inhalt der Verkaufsanzeige endlich zusammengefunden und in möglichst amtsmäßiger Weise vorgetragen hatte, wartete er auf eine Aeußerung seiner Zuhörerin, die ihrerseits aber durch das Vernommene so sehr betroffen worden war, daß sie keine Antwort zu geben vermochte.

Das Haus ist alt, sagte er endlich, um nur etwas zu sagen, und ich thue vielleicht Unrecht, wenn ich es erhalten wünsche. Nur habe ich mich seit manchem Jahr an seine Nachbarschaft gewöhnt und kann mir nicht vorstellen, wie die Küsterei drüben sich ausnehmen wird, wenn hier abgerissen und aufgeräumt werden sollte. — Er machte Anstalten, sich zum Rückzüge vorzubereiten, immer mehr der Vermuthung Raum gebend, er habe sich eine

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[0038] Entschluß verzögert, und durch die Verschleppung ist die Klärung des Nachlasses nur noch schwieriger geworden; sie mag kaum noch daran denken. So hatte die Bedrängniß der Wittib des wohlseligen Herrn, heißt es in den Denkwürdigkeiten, diejenige Höhe erreicht, von welcher der Prophet Elisa redet, und die der König von Syrien verspottete, als er dem Weibe antwortete: hilft dir der Herr nicht, woher soll ich dir helfen? Von der Tenne oder von der Kelter? Der Küster hatte indessen zu jener Zeit wenig Ahnung von der Stimmung, in welcher er die Pfarrerswittwe fand. Er brauchte sogar eine Weile Sammlung, um sich auf die Veranlassung seines Besuchs zu besinnen. Als er den Inhalt der Verkaufsanzeige endlich zusammengefunden und in möglichst amtsmäßiger Weise vorgetragen hatte, wartete er auf eine Aeußerung seiner Zuhörerin, die ihrerseits aber durch das Vernommene so sehr betroffen worden war, daß sie keine Antwort zu geben vermochte. Das Haus ist alt, sagte er endlich, um nur etwas zu sagen, und ich thue vielleicht Unrecht, wenn ich es erhalten wünsche. Nur habe ich mich seit manchem Jahr an seine Nachbarschaft gewöhnt und kann mir nicht vorstellen, wie die Küsterei drüben sich ausnehmen wird, wenn hier abgerissen und aufgeräumt werden sollte. — Er machte Anstalten, sich zum Rückzüge vorzubereiten, immer mehr der Vermuthung Raum gebend, er habe sich eine

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:58:19Z)

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Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/38>, abgerufen am 25.04.2024.