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Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zu nahe ans Fenster zu treten und deiner Schwester nicht ins Gesicht zu sehen. Die Beschimpfung des Namens Habermus steht dort in Flammenschrift zu lesen.

Friederike . . . stammelte der Bruder und faltete rathlos die Hände.

Du schämst dich! hob sie abermals an, bleibe nur in deinem Hinterhalt stehen, und laß die Reue den Flecken fortbrennen, der unsern Namen von heute an beschmutzt hat.

Friederike! sagte der Küster von Neuem.

Nenne mich nicht! wiederholte die Schwester, mit wachsender Heftigkeit die Brille des Oheims in die Höhe haltend. So wahr ich jetzt in jungfräulichem Schmerz diese Reliquie deines untadeligen Vorgängers gen Himmel hebe, so wahr wird, was ich durch sie erblicken mußte, gegen dich zeugen und Wehe über dich rufen, wenn du einst dahin berufen sein wirst, wo -- sie schloß ihre Rede mit einer Geberde, die dem Küster bedeutete, ihr versage der Athem, und sie werde die Schmach nicht überleben.

Ehe indessen seine Antwort auf der Zunge war, hatte sie von Neuem Kraft genug, um ihre Meinung über seine ewige Verdammniß, über das wuchernde Unheil, das er angerichtet habe, über den Fluch, den er auf alle seine Geschwister lade, über die Entweihung des kirchlichen Kleides und das Heraufbeschwören des göttlichen Zorns mit so lebhaften Farben dem Gemüthe des

zu nahe ans Fenster zu treten und deiner Schwester nicht ins Gesicht zu sehen. Die Beschimpfung des Namens Habermus steht dort in Flammenschrift zu lesen.

Friederike . . . stammelte der Bruder und faltete rathlos die Hände.

Du schämst dich! hob sie abermals an, bleibe nur in deinem Hinterhalt stehen, und laß die Reue den Flecken fortbrennen, der unsern Namen von heute an beschmutzt hat.

Friederike! sagte der Küster von Neuem.

Nenne mich nicht! wiederholte die Schwester, mit wachsender Heftigkeit die Brille des Oheims in die Höhe haltend. So wahr ich jetzt in jungfräulichem Schmerz diese Reliquie deines untadeligen Vorgängers gen Himmel hebe, so wahr wird, was ich durch sie erblicken mußte, gegen dich zeugen und Wehe über dich rufen, wenn du einst dahin berufen sein wirst, wo — sie schloß ihre Rede mit einer Geberde, die dem Küster bedeutete, ihr versage der Athem, und sie werde die Schmach nicht überleben.

Ehe indessen seine Antwort auf der Zunge war, hatte sie von Neuem Kraft genug, um ihre Meinung über seine ewige Verdammniß, über das wuchernde Unheil, das er angerichtet habe, über den Fluch, den er auf alle seine Geschwister lade, über die Entweihung des kirchlichen Kleides und das Heraufbeschwören des göttlichen Zorns mit so lebhaften Farben dem Gemüthe des

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[0047] zu nahe ans Fenster zu treten und deiner Schwester nicht ins Gesicht zu sehen. Die Beschimpfung des Namens Habermus steht dort in Flammenschrift zu lesen. Friederike . . . stammelte der Bruder und faltete rathlos die Hände. Du schämst dich! hob sie abermals an, bleibe nur in deinem Hinterhalt stehen, und laß die Reue den Flecken fortbrennen, der unsern Namen von heute an beschmutzt hat. Friederike! sagte der Küster von Neuem. Nenne mich nicht! wiederholte die Schwester, mit wachsender Heftigkeit die Brille des Oheims in die Höhe haltend. So wahr ich jetzt in jungfräulichem Schmerz diese Reliquie deines untadeligen Vorgängers gen Himmel hebe, so wahr wird, was ich durch sie erblicken mußte, gegen dich zeugen und Wehe über dich rufen, wenn du einst dahin berufen sein wirst, wo — sie schloß ihre Rede mit einer Geberde, die dem Küster bedeutete, ihr versage der Athem, und sie werde die Schmach nicht überleben. Ehe indessen seine Antwort auf der Zunge war, hatte sie von Neuem Kraft genug, um ihre Meinung über seine ewige Verdammniß, über das wuchernde Unheil, das er angerichtet habe, über den Fluch, den er auf alle seine Geschwister lade, über die Entweihung des kirchlichen Kleides und das Heraufbeschwören des göttlichen Zorns mit so lebhaften Farben dem Gemüthe des

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:58:19Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/47>, abgerufen am 19.04.2024.