Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

in Wolfenbüttel wird's ein gefundenes Fressen sein! Dacht' mir's schon, daß er's nicht fahren ließe!

Für den Wolfenbüttler Zimmermeister? fragte der Küster, noch kaum fassend, was er versäumt hatte, und daß nun Alles zu spät sei.

I freilich! gab der Geselle zur Antwort. Der würd' sich auch solch Geschäft aus der Nase gehen lassen; fünf Fuhren brauchbar Holz sind in dem alten Kasten und mindestens zweimal so viel an Backsteinen. Wer's zum Abbrechen verkauft, kann sich einen neuen Rock dabei anziehen. Garten und Obstbäume hat er dann noch umsonst. Der Meister weiß aber schon, daß ein neu Haus noch mehr Grütze abwirft. Ihr sollt das blaue Wunder kriegen. Der macht eine ganze Straße daraus.

Des blauen Wunders bedurfte der Küster nicht mehr. Der Pfeifenqualm erstickte ihn fast. Ohne das spöttische Gesicht der Frau Dorothee zu bemerken, bahnte er sich den Weg ins Freie und fühlte erst ganz, mit welcher Geschäftsunerfahrenheit er sich an eine wichtige Sache gewagt hatte, als der Giebel voller blauer Trauben ihn von fern durch die Obstbäume grüßte, als wolle er fragen: Nun, wie steht's? warst du ein ganzer Kerl und zur rechten Stunde in der Bresche? Hundert Jahr halt' ich den Nacken noch brav, verlaß dich darauf! Komm herein und laß die Frau Anna nicht in ungewisser Sorge.

Ja, so redete ihn der "alte Schmaucher" an und

in Wolfenbüttel wird's ein gefundenes Fressen sein! Dacht' mir's schon, daß er's nicht fahren ließe!

Für den Wolfenbüttler Zimmermeister? fragte der Küster, noch kaum fassend, was er versäumt hatte, und daß nun Alles zu spät sei.

I freilich! gab der Geselle zur Antwort. Der würd' sich auch solch Geschäft aus der Nase gehen lassen; fünf Fuhren brauchbar Holz sind in dem alten Kasten und mindestens zweimal so viel an Backsteinen. Wer's zum Abbrechen verkauft, kann sich einen neuen Rock dabei anziehen. Garten und Obstbäume hat er dann noch umsonst. Der Meister weiß aber schon, daß ein neu Haus noch mehr Grütze abwirft. Ihr sollt das blaue Wunder kriegen. Der macht eine ganze Straße daraus.

Des blauen Wunders bedurfte der Küster nicht mehr. Der Pfeifenqualm erstickte ihn fast. Ohne das spöttische Gesicht der Frau Dorothee zu bemerken, bahnte er sich den Weg ins Freie und fühlte erst ganz, mit welcher Geschäftsunerfahrenheit er sich an eine wichtige Sache gewagt hatte, als der Giebel voller blauer Trauben ihn von fern durch die Obstbäume grüßte, als wolle er fragen: Nun, wie steht's? warst du ein ganzer Kerl und zur rechten Stunde in der Bresche? Hundert Jahr halt' ich den Nacken noch brav, verlaß dich darauf! Komm herein und laß die Frau Anna nicht in ungewisser Sorge.

Ja, so redete ihn der „alte Schmaucher“ an und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="7">
        <p><pb facs="#f0077"/>
in Wolfenbüttel wird's ein gefundenes Fressen sein! Dacht' mir's schon, daß er's nicht      fahren ließe!</p><lb/>
        <p>Für den Wolfenbüttler Zimmermeister? fragte der Küster, noch kaum fassend, was er versäumt      hatte, und daß nun Alles zu spät sei.</p><lb/>
        <p>I freilich! gab der Geselle zur Antwort. Der würd' sich auch solch Geschäft aus der Nase      gehen lassen; fünf Fuhren brauchbar Holz sind in dem alten Kasten und mindestens zweimal so      viel an Backsteinen. Wer's zum Abbrechen verkauft, kann sich einen neuen Rock dabei anziehen.      Garten und Obstbäume hat er dann noch umsonst. Der Meister weiß aber schon, daß ein neu Haus      noch mehr Grütze abwirft. Ihr sollt das blaue Wunder kriegen. Der macht eine ganze Straße      daraus.</p><lb/>
        <p>Des blauen Wunders bedurfte der Küster nicht mehr. Der Pfeifenqualm erstickte ihn fast. Ohne      das spöttische Gesicht der Frau Dorothee zu bemerken, bahnte er sich den Weg ins Freie und      fühlte erst ganz, mit welcher Geschäftsunerfahrenheit er sich an eine wichtige Sache gewagt      hatte, als der Giebel voller blauer Trauben ihn von fern durch die Obstbäume grüßte, als wolle      er fragen: Nun, wie steht's? warst du ein ganzer Kerl und zur rechten Stunde in der Bresche?      Hundert Jahr halt' ich den Nacken noch brav, verlaß dich darauf! Komm herein und laß die Frau      Anna nicht in ungewisser Sorge.</p><lb/>
        <p>Ja, so redete ihn der &#x201E;alte Schmaucher&#x201C; an und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0077] in Wolfenbüttel wird's ein gefundenes Fressen sein! Dacht' mir's schon, daß er's nicht fahren ließe! Für den Wolfenbüttler Zimmermeister? fragte der Küster, noch kaum fassend, was er versäumt hatte, und daß nun Alles zu spät sei. I freilich! gab der Geselle zur Antwort. Der würd' sich auch solch Geschäft aus der Nase gehen lassen; fünf Fuhren brauchbar Holz sind in dem alten Kasten und mindestens zweimal so viel an Backsteinen. Wer's zum Abbrechen verkauft, kann sich einen neuen Rock dabei anziehen. Garten und Obstbäume hat er dann noch umsonst. Der Meister weiß aber schon, daß ein neu Haus noch mehr Grütze abwirft. Ihr sollt das blaue Wunder kriegen. Der macht eine ganze Straße daraus. Des blauen Wunders bedurfte der Küster nicht mehr. Der Pfeifenqualm erstickte ihn fast. Ohne das spöttische Gesicht der Frau Dorothee zu bemerken, bahnte er sich den Weg ins Freie und fühlte erst ganz, mit welcher Geschäftsunerfahrenheit er sich an eine wichtige Sache gewagt hatte, als der Giebel voller blauer Trauben ihn von fern durch die Obstbäume grüßte, als wolle er fragen: Nun, wie steht's? warst du ein ganzer Kerl und zur rechten Stunde in der Bresche? Hundert Jahr halt' ich den Nacken noch brav, verlaß dich darauf! Komm herein und laß die Frau Anna nicht in ungewisser Sorge. Ja, so redete ihn der „alte Schmaucher“ an und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:58:19Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/77
Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/77>, abgerufen am 24.04.2024.