Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

dachte und des Risses, den der Hausverkauf in das ganze Gedanken- und Hoffnungsnetz der letzten Tage gebracht hatte, da gingen ihm die Augen über, und er hörte im Geiste die Stimme seiner kugelrunden Schwägerin, wie sie, den Gegensatz zu seiner Unselbständigkeit, Halbheit, Unmännlichkeit scharf betonend, auf seinen Bruder mit den Worten deutete: Das ist mein Mann!

Die Worte waren's freilich nicht, die eben jetzt zu seinem Ohre klangen, aber die nämliche Stimme war's. Als der Küster aufschaute, kam die Meierin keuchend heran, die Wangen geröthet und die Stirn voll Schweißperlen.

Lauft Ihr doch wie ein Faßbinder! rief sie, und habt die Ohren unter dem Filzhut, daß man sich die Lunge nach Euch ausschreien möchte! Was habt Ihr nicht gewartet, bis der Käufer genannt wurde? Botet Ihr denn nicht mit, oder that's der Zimmergeselle neben Euch?

Fragt nicht, Schwägerin! sagte der Küster, seine Bewegung mühsam meisternd. Der Wolfenbütteler Meister hat mich überboten. Alles ist zu Ende.

Ihr verdient's nicht besser, versetzte die Meierin, ihr Oberkleid aufnehmend und sich auf einen Stein am Wege setzend. Vom Thurm blasen und zur Predigt orgeln, das könnt Ihr; aber was Ihr weiter könnt, das hab' ich noch nicht herausgebracht. Ihr seid, weiß Gott, ein abschreckend Exempel für Jeden, der, wie Ihr, mit einem alten Weibe neben sich und einer kärglichen

dachte und des Risses, den der Hausverkauf in das ganze Gedanken- und Hoffnungsnetz der letzten Tage gebracht hatte, da gingen ihm die Augen über, und er hörte im Geiste die Stimme seiner kugelrunden Schwägerin, wie sie, den Gegensatz zu seiner Unselbständigkeit, Halbheit, Unmännlichkeit scharf betonend, auf seinen Bruder mit den Worten deutete: Das ist mein Mann!

Die Worte waren's freilich nicht, die eben jetzt zu seinem Ohre klangen, aber die nämliche Stimme war's. Als der Küster aufschaute, kam die Meierin keuchend heran, die Wangen geröthet und die Stirn voll Schweißperlen.

Lauft Ihr doch wie ein Faßbinder! rief sie, und habt die Ohren unter dem Filzhut, daß man sich die Lunge nach Euch ausschreien möchte! Was habt Ihr nicht gewartet, bis der Käufer genannt wurde? Botet Ihr denn nicht mit, oder that's der Zimmergeselle neben Euch?

Fragt nicht, Schwägerin! sagte der Küster, seine Bewegung mühsam meisternd. Der Wolfenbütteler Meister hat mich überboten. Alles ist zu Ende.

Ihr verdient's nicht besser, versetzte die Meierin, ihr Oberkleid aufnehmend und sich auf einen Stein am Wege setzend. Vom Thurm blasen und zur Predigt orgeln, das könnt Ihr; aber was Ihr weiter könnt, das hab' ich noch nicht herausgebracht. Ihr seid, weiß Gott, ein abschreckend Exempel für Jeden, der, wie Ihr, mit einem alten Weibe neben sich und einer kärglichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="7">
        <p><pb facs="#f0079"/>
dachte und des Risses, den der      Hausverkauf in das ganze Gedanken- und Hoffnungsnetz der letzten Tage gebracht hatte, da gingen      ihm die Augen über, und er hörte im Geiste die Stimme seiner kugelrunden Schwägerin, wie sie,      den Gegensatz zu seiner Unselbständigkeit, Halbheit, Unmännlichkeit scharf betonend, auf seinen      Bruder mit den Worten deutete: Das ist mein Mann!</p><lb/>
        <p>Die Worte waren's freilich nicht, die eben jetzt zu seinem Ohre klangen, aber die nämliche      Stimme war's. Als der Küster aufschaute, kam die Meierin keuchend heran, die Wangen geröthet      und die Stirn voll Schweißperlen.</p><lb/>
        <p>Lauft Ihr doch wie ein Faßbinder! rief sie, und habt die Ohren unter dem Filzhut, daß man      sich die Lunge nach Euch ausschreien möchte! Was habt Ihr nicht gewartet, bis der Käufer      genannt wurde? Botet Ihr denn nicht mit, oder that's der Zimmergeselle neben Euch?</p><lb/>
        <p>Fragt nicht, Schwägerin! sagte der Küster, seine Bewegung mühsam meisternd. Der      Wolfenbütteler Meister hat mich überboten. Alles ist zu Ende.</p><lb/>
        <p>Ihr verdient's nicht besser, versetzte die Meierin, ihr Oberkleid aufnehmend und sich auf      einen Stein am Wege setzend. Vom Thurm blasen und zur Predigt orgeln, das könnt Ihr; aber was      Ihr weiter könnt, das hab' ich noch nicht herausgebracht. Ihr seid, weiß Gott, ein abschreckend      Exempel für Jeden, der, wie Ihr, mit einem alten Weibe neben sich und einer kärglichen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0079] dachte und des Risses, den der Hausverkauf in das ganze Gedanken- und Hoffnungsnetz der letzten Tage gebracht hatte, da gingen ihm die Augen über, und er hörte im Geiste die Stimme seiner kugelrunden Schwägerin, wie sie, den Gegensatz zu seiner Unselbständigkeit, Halbheit, Unmännlichkeit scharf betonend, auf seinen Bruder mit den Worten deutete: Das ist mein Mann! Die Worte waren's freilich nicht, die eben jetzt zu seinem Ohre klangen, aber die nämliche Stimme war's. Als der Küster aufschaute, kam die Meierin keuchend heran, die Wangen geröthet und die Stirn voll Schweißperlen. Lauft Ihr doch wie ein Faßbinder! rief sie, und habt die Ohren unter dem Filzhut, daß man sich die Lunge nach Euch ausschreien möchte! Was habt Ihr nicht gewartet, bis der Käufer genannt wurde? Botet Ihr denn nicht mit, oder that's der Zimmergeselle neben Euch? Fragt nicht, Schwägerin! sagte der Küster, seine Bewegung mühsam meisternd. Der Wolfenbütteler Meister hat mich überboten. Alles ist zu Ende. Ihr verdient's nicht besser, versetzte die Meierin, ihr Oberkleid aufnehmend und sich auf einen Stein am Wege setzend. Vom Thurm blasen und zur Predigt orgeln, das könnt Ihr; aber was Ihr weiter könnt, das hab' ich noch nicht herausgebracht. Ihr seid, weiß Gott, ein abschreckend Exempel für Jeden, der, wie Ihr, mit einem alten Weibe neben sich und einer kärglichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:58:19Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/79
Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/79>, abgerufen am 18.04.2024.