Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weber, Max: Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Freiburg (Breisgau) u. a., 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

die Kreisdurchschnitte schwanken zwischen 43/4 und 33 2/3 Mk.
pro ha.

Gegensätze ferner in der sozialen Schichtung der Be-
völkerung, die diesen Boden bebaut. Wie im Osten überhaupt,
kennen auch hier die amtlichen Aufnahmen neben der "Land-
gemeinde" eine zweite dem Süden unbekannte Form der kommu-
nalen Einheit: den "Gutsbezirk". Und dem entsprechend heben
sich im Landschaftsbilde zwischen den Dörfern der Bauern die
Rittergüter ab, die Sitze der Klasse, welche dem Osten sein
soziales Gepräge giebt: der Junker -, Herrenhöfe, umgeben
von den einstöckigen Kathen, welche der Gutsherr nebst Acker-
stücken und Weide den Tagelöhnern anweist, die das Jahr über
zur Arbeit auf dem Hofe verpflichtet sind. Etwa je zur Hälfte
ist die Fläche der Provinz zwischen beide verteilt. Aber in
den einzelnen Regionen schwankt der Anteil der Gutsbezirke von
wenigen Prozenten bis zu 2/3 der Fläche der Kreise.

Endlich innerhalb dieser dergestalt in zweifacher Art sozial
geschichteten Bevölkerung der dritte Gegensatz: derjenige der
Nationalitäten. Und auch die nationale Zusammensetzung
der Bevölkerung der einzelnen Gemeindeeinheiten ist regional eine
verschiedene. Diese Verschiedenheit ist es, welche uns inter-
essiert. Dichter wird das Polentum zunächst - natürlich - mit
Annäherung an die Grenze. Es nimmt aber ferner, wie jede
Sprachenkarte zeigt, zu mit abnehmender Güte des Bodens.
Das wird man - nicht überall mit Unrecht - zunächst histo-
risch erklären wollen aus der Art der deutschen Okkupation,
welche zuerst das fruchtbare Weichselthal überflutete. Allein
wenn man nun weiter fragt: welche sozialen Schichten sind
auf dem Lande die Träger des Deutschtums und des Polen-

die Kreisdurchſchnitte ſchwanken zwiſchen 4¾ und 33⅔ Mk.
pro ha.

Gegenſätze ferner in der sozialen Schichtung der Be-
völkerung, die dieſen Boden bebaut. Wie im Oſten überhaupt,
kennen auch hier die amtlichen Aufnahmen neben der „Land-
gemeinde” eine zweite dem Süden unbekannte Form der kommu-
nalen Einheit: den „Gutsbezirk“. Und dem entſprechend heben
ſich im Landſchaftsbilde zwiſchen den Dörfern der Bauern die
Rittergüter ab, die Sitze der Klaſſe, welche dem Oſten ſein
ſoziales Gepräge giebt: der Junker –, Herrenhöfe, umgeben
von den einſtöckigen Kathen, welche der Gutsherr nebſt Acker-
ſtücken und Weide den Tagelöhnern anweiſt, die das Jahr über
zur Arbeit auf dem Hofe verpflichtet ſind. Etwa je zur Hälfte
iſt die Fläche der Provinz zwiſchen beide verteilt. Aber in
den einzelnen Regionen ſchwankt der Anteil der Gutsbezirke von
wenigen Prozenten bis zu ⅔ der Fläche der Kreiſe.

Endlich innerhalb dieſer dergeſtalt in zweifacher Art ſozial
geſchichteten Bevölkerung der dritte Gegenſatz: derjenige der
Nationalitäten. Und auch die nationale Zuſammenſetzung
der Bevölkerung der einzelnen Gemeindeeinheiten iſt regional eine
verſchiedene. Dieſe Verſchiedenheit iſt es, welche uns inter-
eſſiert. Dichter wird das Polentum zunächſt – natürlich – mit
Annäherung an die Grenze. Es nimmt aber ferner, wie jede
Sprachenkarte zeigt, zu mit abnehmender Güte des Bodens.
Das wird man – nicht überall mit Unrecht – zunächſt hiſto-
riſch erklären wollen aus der Art der deutſchen Okkupation,
welche zuerſt das fruchtbare Weichſelthal überflutete. Allein
wenn man nun weiter fragt: welche sozialen Schichten ſind
auf dem Lande die Träger des Deutſchtums und des Polen-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0008" n="2"/>
die Kreisdurch&#x017F;chnitte &#x017F;chwanken zwi&#x017F;chen 4¾ und 33&#x2154; Mk.<lb/>
pro <hi rendition="#aq">ha</hi>.</p><lb/>
        <p>Gegen&#x017F;ätze ferner in der <hi rendition="#g">sozialen Schichtung</hi> der Be-<lb/>
völkerung, die die&#x017F;en Boden bebaut. Wie im O&#x017F;ten überhaupt,<lb/>
kennen auch hier die amtlichen Aufnahmen neben der &#x201E;Land-<lb/>
gemeinde&#x201D; eine zweite dem Süden unbekannte Form der kommu-<lb/>
nalen Einheit: den &#x201E;Gutsbezirk&#x201C;. Und dem ent&#x017F;prechend heben<lb/>
&#x017F;ich im Land&#x017F;chaftsbilde zwi&#x017F;chen den Dörfern der Bauern die<lb/>
Rittergüter ab, die Sitze der Kla&#x017F;&#x017F;e, welche dem O&#x017F;ten &#x017F;ein<lb/>
&#x017F;oziales Gepräge giebt: der Junker &#x2013;, Herrenhöfe, umgeben<lb/>
von den ein&#x017F;töckigen Kathen, welche der Gutsherr neb&#x017F;t Acker-<lb/>
&#x017F;tücken und Weide den Tagelöhnern anwei&#x017F;t, die das Jahr über<lb/>
zur Arbeit auf dem Hofe verpflichtet &#x017F;ind. Etwa je zur Hälfte<lb/>
i&#x017F;t die Fläche der Provinz zwi&#x017F;chen beide verteilt. Aber in<lb/>
den einzelnen Regionen &#x017F;chwankt der Anteil der Gutsbezirke von<lb/>
wenigen Prozenten bis zu &#x2154; der Fläche der Krei&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Endlich innerhalb die&#x017F;er derge&#x017F;talt in zweifacher Art &#x017F;ozial<lb/>
ge&#x017F;chichteten Bevölkerung der dritte Gegen&#x017F;atz: derjenige der<lb/><hi rendition="#g">Nationalitäten</hi>. Und auch die nationale Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung<lb/>
der Bevölkerung der einzelnen Gemeindeeinheiten i&#x017F;t regional eine<lb/>
ver&#x017F;chiedene. <hi rendition="#g">Die&#x017F;e</hi> Ver&#x017F;chiedenheit i&#x017F;t es, welche uns inter-<lb/>
e&#x017F;&#x017F;iert. Dichter wird das Polentum zunäch&#x017F;t &#x2013; natürlich &#x2013; mit<lb/>
Annäherung an die Grenze. Es nimmt aber ferner, wie jede<lb/>
Sprachenkarte zeigt, <hi rendition="#g">zu</hi> mit <hi rendition="#g">ab</hi>nehmender Güte des Bodens.<lb/>
Das wird man &#x2013; nicht überall mit Unrecht &#x2013; zunäch&#x017F;t hi&#x017F;to-<lb/>
ri&#x017F;ch erklären wollen aus der Art der deut&#x017F;chen Okkupation,<lb/>
welche zuer&#x017F;t das fruchtbare Weich&#x017F;elthal überflutete. Allein<lb/>
wenn man nun weiter fragt: welche <hi rendition="#g">sozialen Schichten</hi> &#x017F;ind<lb/>
auf dem Lande die Träger des Deut&#x017F;chtums und des Polen-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0008] die Kreisdurchſchnitte ſchwanken zwiſchen 4¾ und 33⅔ Mk. pro ha. Gegenſätze ferner in der sozialen Schichtung der Be- völkerung, die dieſen Boden bebaut. Wie im Oſten überhaupt, kennen auch hier die amtlichen Aufnahmen neben der „Land- gemeinde” eine zweite dem Süden unbekannte Form der kommu- nalen Einheit: den „Gutsbezirk“. Und dem entſprechend heben ſich im Landſchaftsbilde zwiſchen den Dörfern der Bauern die Rittergüter ab, die Sitze der Klaſſe, welche dem Oſten ſein ſoziales Gepräge giebt: der Junker –, Herrenhöfe, umgeben von den einſtöckigen Kathen, welche der Gutsherr nebſt Acker- ſtücken und Weide den Tagelöhnern anweiſt, die das Jahr über zur Arbeit auf dem Hofe verpflichtet ſind. Etwa je zur Hälfte iſt die Fläche der Provinz zwiſchen beide verteilt. Aber in den einzelnen Regionen ſchwankt der Anteil der Gutsbezirke von wenigen Prozenten bis zu ⅔ der Fläche der Kreiſe. Endlich innerhalb dieſer dergeſtalt in zweifacher Art ſozial geſchichteten Bevölkerung der dritte Gegenſatz: derjenige der Nationalitäten. Und auch die nationale Zuſammenſetzung der Bevölkerung der einzelnen Gemeindeeinheiten iſt regional eine verſchiedene. Dieſe Verſchiedenheit iſt es, welche uns inter- eſſiert. Dichter wird das Polentum zunächſt – natürlich – mit Annäherung an die Grenze. Es nimmt aber ferner, wie jede Sprachenkarte zeigt, zu mit abnehmender Güte des Bodens. Das wird man – nicht überall mit Unrecht – zunächſt hiſto- riſch erklären wollen aus der Art der deutſchen Okkupation, welche zuerſt das fruchtbare Weichſelthal überflutete. Allein wenn man nun weiter fragt: welche sozialen Schichten ſind auf dem Lande die Träger des Deutſchtums und des Polen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-06T09:08:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-06T09:08:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-06T09:08:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Bogensignaturen: übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weber_nationalstaat_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weber_nationalstaat_1895/8
Zitationshilfe: Weber, Max: Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Freiburg (Breisgau) u. a., 1895, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_nationalstaat_1895/8>, abgerufen am 24.04.2024.