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Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.

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dazu, die nach fester Konvention bei einem Wechsel der Par-
lamentsmehrheit und also des Kabinetts aus den Ämtern
scheiden. Besonders diejenigen pflegen dahin zu rechnen, deren
Kompetenz die Besorgung der allgemeinen "inneren Verwal-
tung" umfaßt; und der "politische" Bestandteil daran ist vor
allem die Aufgabe der Erhaltung der "Ordnung" im Lande,
also: der bestehenden Herrschaftsverhältnisse. Jn Preußen
hatten diese Beamten nach dem Puttkamerschen Erlaß, bei
Vermeidung der Maßregelung, die Pflicht, "die Politik der
Regierung zu vertreten", und wurden, ebenso wie in Frank-
reich die Präfekten, als amtlicher Apparat zur Beeinflussung
der Wahlen benutzt. Die meisten "politischen" Beamten teilten
zwar nach deutschem System - im Gegensatz zu anderen
Ländern - die Qualität aller anderen insofern, als die Er-
langung auch dieser Ämter an akademisches Studium, Fach-
prüfungen und einen bestimmten Vorbereitungsdienst gebunden
war. Dieses spezifische Merkmal des modernen Fachbeamten-
tums fehlt bei uns nur den Chefs des politischen Apparates:
den Ministern. Preußischer Kultusminister konnte man schon
unter dem alten Regime sein, ohne selbst jemals eine höhere
Unterrichtsanstalt besucht zu haben, während man Vortragen-
der Rat grundsätzlich nur auf Grund der vorgeschriebenen
Prüfungen werden konnte. Der fachgeschulte Dezernent und
Vortragende Rat war selbstverständlich - z. B. unter Althoff
im preußischen Unterrichtsministerium - unendlich viel infor-
mierter über die eigentlichen technischen Probleme des Faches
als sein Chef. Jn England stand es damit nicht anders. Er
war infolgedessen auch für alle Alltagsbedürfnisse der Mäch-
tigere. Das war auch nichts an sich Widersinniges. Der
Minister war eben der Repräsentant der politischen Macht-
konstellation, hatte diese politischen Maßstäbe zu vertreten und
an die Vorschläge seiner unterstellten Fachbeamten anzulegen
oder ihnen die entsprechenden Direktiven politischer Art zu
geben.

Ganz ähnlich steht es ja in einem privaten Wirtschafts-
betrieb: der eigentliche "Souverän", die Aktionärversammlung,
ist in der Betriebsführung ebenso einflußlos wie ein von Fach-

dazu, die nach feſter Konvention bei einem Wechſel der Par-
lamentsmehrheit und alſo des Kabinetts aus den Ämtern
ſcheiden. Beſonders diejenigen pflegen dahin zu rechnen, deren
Kompetenz die Beſorgung der allgemeinen „inneren Verwal-
tung“ umfaßt; und der „politiſche“ Beſtandteil daran iſt vor
allem die Aufgabe der Erhaltung der „Ordnung“ im Lande,
alſo: der beſtehenden Herrſchaftsverhältniſſe. Jn Preußen
hatten dieſe Beamten nach dem Puttkamerſchen Erlaß, bei
Vermeidung der Maßregelung, die Pflicht, „die Politik der
Regierung zu vertreten“, und wurden, ebenſo wie in Frank-
reich die Präfekten, als amtlicher Apparat zur Beeinfluſſung
der Wahlen benutzt. Die meiſten „politiſchen“ Beamten teilten
zwar nach deutſchem Syſtem – im Gegenſatz zu anderen
Ländern – die Qualität aller anderen inſofern, als die Er-
langung auch dieſer Ämter an akademiſches Studium, Fach-
prüfungen und einen beſtimmten Vorbereitungsdienſt gebunden
war. Dieſes ſpezifiſche Merkmal des modernen Fachbeamten-
tums fehlt bei uns nur den Chefs des politiſchen Apparates:
den Miniſtern. Preußiſcher Kultusminiſter konnte man ſchon
unter dem alten Regime ſein, ohne ſelbſt jemals eine höhere
Unterrichtsanſtalt beſucht zu haben, während man Vortragen-
der Rat grundsätzlich nur auf Grund der vorgeſchriebenen
Prüfungen werden konnte. Der fachgeſchulte Dezernent und
Vortragende Rat war ſelbſtverſtändlich – z. B. unter Althoff
im preußiſchen Unterrichtsminiſterium – unendlich viel infor-
mierter über die eigentlichen techniſchen Probleme des Faches
als ſein Chef. Jn England ſtand es damit nicht anders. Er
war infolgedeſſen auch für alle Alltagsbedürfniſſe der Mäch-
tigere. Das war auch nichts an ſich Widerſinniges. Der
Miniſter war eben der Repräſentant der politiſchen Macht-
konſtellation, hatte dieſe politiſchen Maßſtäbe zu vertreten und
an die Vorſchläge ſeiner unterſtellten Fachbeamten anzulegen
oder ihnen die entſprechenden Direktiven politiſcher Art zu
geben.

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[20/0020] dazu, die nach feſter Konvention bei einem Wechſel der Par- lamentsmehrheit und alſo des Kabinetts aus den Ämtern ſcheiden. Beſonders diejenigen pflegen dahin zu rechnen, deren Kompetenz die Beſorgung der allgemeinen „inneren Verwal- tung“ umfaßt; und der „politiſche“ Beſtandteil daran iſt vor allem die Aufgabe der Erhaltung der „Ordnung“ im Lande, alſo: der beſtehenden Herrſchaftsverhältniſſe. Jn Preußen hatten dieſe Beamten nach dem Puttkamerſchen Erlaß, bei Vermeidung der Maßregelung, die Pflicht, „die Politik der Regierung zu vertreten“, und wurden, ebenſo wie in Frank- reich die Präfekten, als amtlicher Apparat zur Beeinfluſſung der Wahlen benutzt. Die meiſten „politiſchen“ Beamten teilten zwar nach deutſchem Syſtem – im Gegenſatz zu anderen Ländern – die Qualität aller anderen inſofern, als die Er- langung auch dieſer Ämter an akademiſches Studium, Fach- prüfungen und einen beſtimmten Vorbereitungsdienſt gebunden war. Dieſes ſpezifiſche Merkmal des modernen Fachbeamten- tums fehlt bei uns nur den Chefs des politiſchen Apparates: den Miniſtern. Preußiſcher Kultusminiſter konnte man ſchon unter dem alten Regime ſein, ohne ſelbſt jemals eine höhere Unterrichtsanſtalt beſucht zu haben, während man Vortragen- der Rat grundsätzlich nur auf Grund der vorgeſchriebenen Prüfungen werden konnte. Der fachgeſchulte Dezernent und Vortragende Rat war ſelbſtverſtändlich – z. B. unter Althoff im preußiſchen Unterrichtsminiſterium – unendlich viel infor- mierter über die eigentlichen techniſchen Probleme des Faches als ſein Chef. Jn England ſtand es damit nicht anders. Er war infolgedeſſen auch für alle Alltagsbedürfniſſe der Mäch- tigere. Das war auch nichts an ſich Widerſinniges. Der Miniſter war eben der Repräſentant der politiſchen Macht- konſtellation, hatte dieſe politiſchen Maßſtäbe zu vertreten und an die Vorſchläge ſeiner unterſtellten Fachbeamten anzulegen oder ihnen die entſprechenden Direktiven politiſcher Art zu geben. Ganz ähnlich ſteht es ja in einem privaten Wirtſchafts- betrieb: der eigentliche „Souverän“, die Aktionärverſammlung, iſt in der Betriebsführung ebenſo einflußlos wie ein von Fach-

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Zitationshilfe: Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/20>, abgerufen am 25.04.2024.