Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.beamten regiertes "Volk", und die für die Politik des Be- Wir fragen vielmehr nun nach der typischen Eigenart der "Berufspolitiker" haben sich in der Vergangenheit, wie wir Gegen die Stände stützte sich der Fürst auf politisch ver- Ein zweite derartige Schicht waren die humanistisch ge- beamten regiertes „Volk“, und die für die Politik des Be- Wir fragen vielmehr nun nach der typiſchen Eigenart der „Berufspolitiker“ haben ſich in der Vergangenheit, wie wir Gegen die Stände ſtützte ſich der Fürſt auf politiſch ver- Ein zweite derartige Schicht waren die humaniſtiſch ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0021" n="21"/> beamten regiertes „Volk“, und die für die Politik des Be-<lb/> triebes ausſchlaggebenden Perſönlichkeiten, der von Banken<lb/> beherrſchte „Aufſichtsrat“, geben nur die wirtſchaftlichen Direk-<lb/> tiven und <choice><sic>lieſt</sic><corr>leſen</corr></choice> die Perſönlichkeiten für die Verwaltung aus, ohne<lb/> aber ſelbſt imſtande zu ſein, den Betrieb techniſch zu leiten. Jn-<lb/> ſofern bedeutet auch die jetzige Struktur des Revolutionsſtaates,<lb/> welcher abſoluten Dilettanten, kraft ihrer Verfügung über die<lb/> Maſchinengewehre, die Macht über die Verwaltung in die<lb/> Hand gibt und die fachgeſchulten Beamten nur als ausführende<lb/> Köpfe und Hände benutzen möchte, keine grundsätzliche Neue-<lb/> rung. Die Schwierigkeiten dieſes jetzigen Syſtems liegen<lb/> anderswo als darin, ſollen uns aber heute nichts angehen. –</p><lb/> <p>Wir fragen vielmehr nun nach der typiſchen Eigenart der<lb/> Berufspolitiker, ſowohl der „Führer“ wie ihrer Gefolgſchaft.<lb/> Sie hat gewechſelt und iſt auch heute ſehr verſchieden.</p><lb/> <p>„Berufspolitiker“ haben ſich in der Vergangenheit, wie wir<lb/> ſahen, im Kampf der Fürſten mit den Ständen entwickelt im<lb/> Dienſt der erſteren. Sehen wir uns ihre Haupttypen kurz an.</p><lb/> <p>Gegen die Stände ſtützte ſich der Fürſt auf politiſch ver-<lb/> wertbare Schichten nichtſtändiſchen Charakters. Dahin gehörten<lb/> in Vorder- und Hinterindien, im buddhiſtiſchen China und<lb/> Japan und in der lamaiſtiſchen Mongolei ganz ebenſo wie in<lb/> den chriſtlichen Gebieten des Mittelalters zunächſt: die Kleriker.<lb/> Techniſch deshalb, weil ſie ſchriftkundig waren. Überall iſt<lb/> der Jmport von Brahmanen, buddhiſtiſchen Prieſtern, Lamas<lb/> und die Verwendung von Biſchöfen und Prieſtern als poli-<lb/> tiſche Berater unter dem Geſichtspunkt erfolgt, ſchreibkundige<lb/> Verwaltungskräfte zu bekommen, die im Kampf des Kaiſers<lb/> oder Fürſten oder Khans gegen die Ariſtokratie verwertet<lb/> werden konnten. Der Kleriker, zumal der zölibatäre Kleriker,<lb/> ſtand außerhalb des Getriebes der normalen politiſchen und<lb/> ökonomiſchen Jntereſſen und kam nicht in Verſuchung, für<lb/> ſeine Nachfahren eigene politiſche Macht gegenüber ſeinem<lb/> Herrn zu erſtreben, wie es der Lehnsmann tat. Er war von<lb/> den Betriebsmitteln der fürſtlichen Verwaltung durch ſeine<lb/> eigenen ſtändiſchen Qualitäten „getrennt“.</p><lb/> <p>Ein zweite derartige Schicht waren die humaniſtiſch ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0021]
beamten regiertes „Volk“, und die für die Politik des Be-
triebes ausſchlaggebenden Perſönlichkeiten, der von Banken
beherrſchte „Aufſichtsrat“, geben nur die wirtſchaftlichen Direk-
tiven und leſen die Perſönlichkeiten für die Verwaltung aus, ohne
aber ſelbſt imſtande zu ſein, den Betrieb techniſch zu leiten. Jn-
ſofern bedeutet auch die jetzige Struktur des Revolutionsſtaates,
welcher abſoluten Dilettanten, kraft ihrer Verfügung über die
Maſchinengewehre, die Macht über die Verwaltung in die
Hand gibt und die fachgeſchulten Beamten nur als ausführende
Köpfe und Hände benutzen möchte, keine grundsätzliche Neue-
rung. Die Schwierigkeiten dieſes jetzigen Syſtems liegen
anderswo als darin, ſollen uns aber heute nichts angehen. –
Wir fragen vielmehr nun nach der typiſchen Eigenart der
Berufspolitiker, ſowohl der „Führer“ wie ihrer Gefolgſchaft.
Sie hat gewechſelt und iſt auch heute ſehr verſchieden.
„Berufspolitiker“ haben ſich in der Vergangenheit, wie wir
ſahen, im Kampf der Fürſten mit den Ständen entwickelt im
Dienſt der erſteren. Sehen wir uns ihre Haupttypen kurz an.
Gegen die Stände ſtützte ſich der Fürſt auf politiſch ver-
wertbare Schichten nichtſtändiſchen Charakters. Dahin gehörten
in Vorder- und Hinterindien, im buddhiſtiſchen China und
Japan und in der lamaiſtiſchen Mongolei ganz ebenſo wie in
den chriſtlichen Gebieten des Mittelalters zunächſt: die Kleriker.
Techniſch deshalb, weil ſie ſchriftkundig waren. Überall iſt
der Jmport von Brahmanen, buddhiſtiſchen Prieſtern, Lamas
und die Verwendung von Biſchöfen und Prieſtern als poli-
tiſche Berater unter dem Geſichtspunkt erfolgt, ſchreibkundige
Verwaltungskräfte zu bekommen, die im Kampf des Kaiſers
oder Fürſten oder Khans gegen die Ariſtokratie verwertet
werden konnten. Der Kleriker, zumal der zölibatäre Kleriker,
ſtand außerhalb des Getriebes der normalen politiſchen und
ökonomiſchen Jntereſſen und kam nicht in Verſuchung, für
ſeine Nachfahren eigene politiſche Macht gegenüber ſeinem
Herrn zu erſtreben, wie es der Lehnsmann tat. Er war von
den Betriebsmitteln der fürſtlichen Verwaltung durch ſeine
eigenen ſtändiſchen Qualitäten „getrennt“.
Ein zweite derartige Schicht waren die humaniſtiſch ge-
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Zitationshilfe: | Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/21>, abgerufen am 08.02.2025. |