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Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.

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wirtschaftskammer, Handwerkskammer, Arbeitskammer, Arbeit-
geberverbänden usw., oder geeignete kommunale Stellungen in
Betracht kommen. Weiteres läßt sich über die äußere Seite
nichts sagen als nur dies: daß der Parteibeamte mit dem
Journalisten das Odium der "Deklassiertheit" trägt. "Lohn-
schreiber" dort - "Lohnredner" hier wird es leider immer, sei es
noch so unausgesprochen, in die Ohren klingen; wer dagegen
innerlich wehrlos ist und sich selbst nicht die richtige Antwort
zu geben vermag, bleibe dieser Laufbahn fern, die in jedem
Falle neben schweren Versuchungen ein Weg ist, der fort-
währende Enttäuschungen bringen kann. Was vermag sie
nun an inneren Freuden zu bieten, und welche persönlichen
Vorbedingungen setzt sie bei dem voraus, der sich ihr zu-
wendet?

Nun, sie gewährt zunächst: Machtgefühl. Selbst in den
formell bescheidenen Stellungen vermag den Berufspolitiker
das Bewußtsein von Einfluß auf Menschen, von Teilnahme
an der Macht über sie, vor allem aber: das Gefühl, einen
Nervenstrang historisch wichtigen Geschehens mit in Händen zu
halten, über den Alltag hinauszuheben. Aber die Frage ist nun
für ihn: durch welche Qualitäten kann er hoffen, dieser (sei es auch
im Einzelfall noch so eng umschriebenen) Macht und also der
Verantwortung, die sie auf ihn legt, gerecht zu werden? Damit
betreten wir das Gebiet ethischer Fragen; denn dahin ge-
hört die Frage: was für ein Mensch man sein muß, um seine
Hand in die Speichen des Rades der Geschichte legen
zu dürfen.

Man kann sagen, daß drei Qualitäten vornehmlich ent-
scheidend sind für den Politiker: Leidenschaft - Verantwortungs-
gefühl - Augenmaß. Leidenschaft im Sinn von Sachlichkeit:
leidenschaftliche Hingabe an eine "Sache", an den Gott oder
Dämon, der ihr Gebieter ist. Nicht im Sinne jenes inneren
Gebarens, welches mein verstorbener Freund Georg Simmel
als "sterile Aufgeregtheit" zu bezeichnen pflegte, wie sie einem
bestimmten Typus vor allem russischer Jntellektueller (nicht
etwa: allen von ihnen!) eignete und welches jetzt in diesem
Karneval, den man mit dem stolzen Namen einer "Revolution"

Weber, Geistige Arbeit als Beruf. II. 4

wirtſchaftskammer, Handwerkskammer, Arbeitskammer, Arbeit-
geberverbänden uſw., oder geeignete kommunale Stellungen in
Betracht kommen. Weiteres läßt ſich über die äußere Seite
nichts ſagen als nur dies: daß der Parteibeamte mit dem
Journaliſten das Odium der „Deklaſſiertheit“ trägt. „Lohn-
ſchreiber“ dort – „Lohnredner“ hier wird es leider immer, ſei es
noch ſo unausgeſprochen, in die Ohren klingen; wer dagegen
innerlich wehrlos iſt und ſich ſelbſt nicht die richtige Antwort
zu geben vermag, bleibe dieſer Laufbahn fern, die in jedem
Falle neben ſchweren Verſuchungen ein Weg iſt, der fort-
währende Enttäuſchungen bringen kann. Was vermag ſie
nun an inneren Freuden zu bieten, und welche perſönlichen
Vorbedingungen ſetzt ſie bei dem voraus, der ſich ihr zu-
wendet?

Nun, ſie gewährt zunächſt: Machtgefühl. Selbſt in den
formell beſcheidenen Stellungen vermag den Berufspolitiker
das Bewußtſein von Einfluß auf Menſchen, von Teilnahme
an der Macht über ſie, vor allem aber: das Gefühl, einen
Nervenſtrang hiſtoriſch wichtigen Geſchehens mit in Händen zu
halten, über den Alltag hinauszuheben. Aber die Frage iſt nun
für ihn: durch welche Qualitäten kann er hoffen, dieſer (ſei es auch
im Einzelfall noch ſo eng umſchriebenen) Macht und alſo der
Verantwortung, die ſie auf ihn legt, gerecht zu werden? Damit
betreten wir das Gebiet ethiſcher Fragen; denn dahin ge-
hört die Frage: was für ein Menſch man ſein muß, um ſeine
Hand in die Speichen des Rades der Geſchichte legen
zu dürfen.

Man kann ſagen, daß drei Qualitäten vornehmlich ent-
ſcheidend ſind für den Politiker: Leidenſchaft – Verantwortungs-
gefühl - Augenmaß. Leidenſchaft im Sinn von Sachlichkeit:
leidenſchaftliche Hingabe an eine „Sache“, an den Gott oder
Dämon, der ihr Gebieter iſt. Nicht im Sinne jenes inneren
Gebarens, welches mein verſtorbener Freund Georg Simmel
als „ſterile Aufgeregtheit“ zu bezeichnen pflegte, wie ſie einem
beſtimmten Typus vor allem ruſſiſcher Jntellektueller (nicht
etwa: allen von ihnen!) eignete und welches jetzt in dieſem
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[49/0049] wirtſchaftskammer, Handwerkskammer, Arbeitskammer, Arbeit- geberverbänden uſw., oder geeignete kommunale Stellungen in Betracht kommen. Weiteres läßt ſich über die äußere Seite nichts ſagen als nur dies: daß der Parteibeamte mit dem Journaliſten das Odium der „Deklaſſiertheit“ trägt. „Lohn- ſchreiber“ dort – „Lohnredner“ hier wird es leider immer, ſei es noch ſo unausgeſprochen, in die Ohren klingen; wer dagegen innerlich wehrlos iſt und ſich ſelbſt nicht die richtige Antwort zu geben vermag, bleibe dieſer Laufbahn fern, die in jedem Falle neben ſchweren Verſuchungen ein Weg iſt, der fort- währende Enttäuſchungen bringen kann. Was vermag ſie nun an inneren Freuden zu bieten, und welche perſönlichen Vorbedingungen ſetzt ſie bei dem voraus, der ſich ihr zu- wendet? Nun, ſie gewährt zunächſt: Machtgefühl. Selbſt in den formell beſcheidenen Stellungen vermag den Berufspolitiker das Bewußtſein von Einfluß auf Menſchen, von Teilnahme an der Macht über ſie, vor allem aber: das Gefühl, einen Nervenſtrang hiſtoriſch wichtigen Geſchehens mit in Händen zu halten, über den Alltag hinauszuheben. Aber die Frage iſt nun für ihn: durch welche Qualitäten kann er hoffen, dieſer (ſei es auch im Einzelfall noch ſo eng umſchriebenen) Macht und alſo der Verantwortung, die ſie auf ihn legt, gerecht zu werden? Damit betreten wir das Gebiet ethiſcher Fragen; denn dahin ge- hört die Frage: was für ein Menſch man ſein muß, um ſeine Hand in die Speichen des Rades der Geſchichte legen zu dürfen. Man kann ſagen, daß drei Qualitäten vornehmlich ent- ſcheidend ſind für den Politiker: Leidenſchaft – Verantwortungs- gefühl - Augenmaß. Leidenſchaft im Sinn von Sachlichkeit: leidenſchaftliche Hingabe an eine „Sache“, an den Gott oder Dämon, der ihr Gebieter iſt. Nicht im Sinne jenes inneren Gebarens, welches mein verſtorbener Freund Georg Simmel als „ſterile Aufgeregtheit“ zu bezeichnen pflegte, wie ſie einem beſtimmten Typus vor allem ruſſiſcher Jntellektueller (nicht etwa: allen von ihnen!) eignete und welches jetzt in dieſem Karneval, den man mit dem ſtolzen Namen einer „Revolution“ Weber, Geiſtige Arbeit als Beruf. II. 4

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Zitationshilfe: Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/49>, abgerufen am 29.03.2024.