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Weckherlin, Georg Rodolf: Oden vnd Gesäng. Bd. 2. Stuttgart, 1619.

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Das ander Buch.

Dan Er kan ja der verstorbnen gesicht
Weder liecht noch trost geben:
Jch nu bin tod zu aller fraid/
Allein lebendig zu dem laid.

Auch vermeid ich williglich deinen schein/
Als ab dem liecht verdrossen;
Vnd lig alhie in der einöd allein/
Als in ein grab beschlossen;
Alda mich angst/ sorg/ pein vnd plag/
Wie würm verzöhren nacht vnd tag.
Nu weiß ich recht/ wie schmertzlich der wollust
Die gedechtnus berühret/
Wan man allein ohn der begird verlust
Die genüessung verlieret:
Vnd wie besser zu jeder frist
Nichts haben dan verlieren ist.
Alle die frewd/ deren in gutem glück
Jch so lieblich genossen/
Jst wie die flut in einem augenblick
Mit vngestüm verflossen;
Vnd ließ mir nichts dan finsternuß
Vnd des verlohrnen guts verdruß.
Ach

Das ander Buch.

Dan Er kan ja der verſtorbnen geſicht
Weder liecht noch troſt geben:
Jch nu bin tod zu aller fraid/
Allein lebendig zu dem laid.

Auch vermeid ich williglich deinen ſchein/
Als ab dem liecht verdroſſen;
Vnd lig alhie in der einoͤd allein/
Als in ein grab beſchloſſen;
Alda mich angſt/ ſorg/ pein vnd plag/
Wie wuͤrm verzoͤhren nacht vnd tag.
Nu weiß ich recht/ wie ſchmertzlich der wolluſt
Die gedechtnus beruͤhret/
Wan man allein ohn der begird verluſt
Die genuͤeſſung verlieret:
Vnd wie beſſer zu jeder friſt
Nichts haben dan verlieren iſt.
Alle die frewd/ deren in gutem gluͤck
Jch ſo lieblich genoſſen/
Jſt wie die flut in einem augenblick
Mit vngeſtuͤm verfloſſen;
Vnd ließ mir nichts dan finſternuß
Vnd des verlohrnen guts verdruß.
Ach
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[70/0074] Das ander Buch. Dan Er kan ja der verſtorbnen geſicht Weder liecht noch troſt geben: Jch nu bin tod zu aller fraid/ Allein lebendig zu dem laid. Auch vermeid ich williglich deinen ſchein/ Als ab dem liecht verdroſſen; Vnd lig alhie in der einoͤd allein/ Als in ein grab beſchloſſen; Alda mich angſt/ ſorg/ pein vnd plag/ Wie wuͤrm verzoͤhren nacht vnd tag. Nu weiß ich recht/ wie ſchmertzlich der wolluſt Die gedechtnus beruͤhret/ Wan man allein ohn der begird verluſt Die genuͤeſſung verlieret: Vnd wie beſſer zu jeder friſt Nichts haben dan verlieren iſt. Alle die frewd/ deren in gutem gluͤck Jch ſo lieblich genoſſen/ Jſt wie die flut in einem augenblick Mit vngeſtuͤm verfloſſen; Vnd ließ mir nichts dan finſternuß Vnd des verlohrnen guts verdruß. Ach

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Zitationshilfe: Weckherlin, Georg Rodolf: Oden vnd Gesäng. Bd. 2. Stuttgart, 1619, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weckherlin_oden02_1619/74>, abgerufen am 16.04.2024.