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Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891.

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Zweite Scene.
Wohnzimmer.
Frau Bergmann (den Hut auf, die Mantille um, einen Korb am Arm,
mit strahlendem Gesicht durch die Mittelthür eintretend).
Wendla! -- Wendla!
Wendla (erscheint in Unterröckchen und Corset in der Seitenthür rechts).
Was giebts, Mutter?
Frau Bergmann. Du bist schon auf, Kind? -- Sieh,
das ist schön von dir!
Wendla. Du warst schon ausgegangen?
Frau Bergmann. Zieh dich nun nur flink an! -- Du
mußt gleich zu Ina hinunter. Du mußt ihr den Korb da bringen!
Wendla (sich während des Folgenden vollends ankleidend). Du warst
bei Ina? -- Wie geht es Ina? -- Will's noch immer nicht bessern?
Frau Bergmann. Denke dir, Wendla, diese Nacht war
der Storch bei ihr und hat ihr einen kleinen Jungen gebracht.
Wendla. Einen Jungen? -- Einen Jungen! -- O das
ist herrlich! -- -- Deshalb die langwierige Influenza!
Frau Bergmann. Einen prächtigen Jungen!
Wendla. Den muß ich sehen, Mutter! -- So bin ich
nun zum dritten Mal Tante geworden -- Tante von einem
Mädchen und zwei Jungens!
Frau Bergmann. Und was für Jungens! -- So geht's
eben, wenn man so dicht beim Kirchendach wohnt! -- Morgen
sind's erst zwei Jahr, daß sie in ihrem Mullkleid die Stufen
hinanstieg.
Wendla. Warst du dabei, als er ihn brachte?
Frau Bergmann. Er war eben wieder fortgeflogen. --
Willst du dir nicht eine Rose vorstecken?
Wendla. Warum kamst du nicht etwas früher hin, Mutter?
Zweite Scene.
Wohnzimmer.
Frau Bergmann (den Hut auf, die Mantille um, einen Korb am Arm,
mit ſtrahlendem Geſicht durch die Mittelthür eintretend).
Wendla! — Wendla!
Wendla (erſcheint in Unterröckchen und Corſet in der Seitenthür rechts).
Was giebts, Mutter?
Frau Bergmann. Du biſt ſchon auf, Kind? — Sieh,
das iſt ſchön von dir!
Wendla. Du warſt ſchon ausgegangen?
Frau Bergmann. Zieh dich nun nur flink an! — Du
mußt gleich zu Ina hinunter. Du mußt ihr den Korb da bringen!
Wendla (ſich während des Folgenden vollends ankleidend). Du warſt
bei Ina? — Wie geht es Ina? — Will's noch immer nicht beſſern?
Frau Bergmann. Denke dir, Wendla, dieſe Nacht war
der Storch bei ihr und hat ihr einen kleinen Jungen gebracht.
Wendla. Einen Jungen? — Einen Jungen! — O das
iſt herrlich! — — Deshalb die langwierige Influenza!
Frau Bergmann. Einen prächtigen Jungen!
Wendla. Den muß ich ſehen, Mutter! — So bin ich
nun zum dritten Mal Tante geworden — Tante von einem
Mädchen und zwei Jungens!
Frau Bergmann. Und was für Jungens! — So geht's
eben, wenn man ſo dicht beim Kirchendach wohnt! — Morgen
ſind's erſt zwei Jahr, daß ſie in ihrem Mullkleid die Stufen
hinanſtieg.
Wendla. Warſt du dabei, als er ihn brachte?
Frau Bergmann. Er war eben wieder fortgeflogen. —
Willſt du dir nicht eine Roſe vorſtecken?
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[31/0047] Zweite Scene. Wohnzimmer. Frau Bergmann (den Hut auf, die Mantille um, einen Korb am Arm, mit ſtrahlendem Geſicht durch die Mittelthür eintretend). Wendla! — Wendla! Wendla (erſcheint in Unterröckchen und Corſet in der Seitenthür rechts). Was giebts, Mutter? Frau Bergmann. Du biſt ſchon auf, Kind? — Sieh, das iſt ſchön von dir! Wendla. Du warſt ſchon ausgegangen? Frau Bergmann. Zieh dich nun nur flink an! — Du mußt gleich zu Ina hinunter. Du mußt ihr den Korb da bringen! Wendla (ſich während des Folgenden vollends ankleidend). Du warſt bei Ina? — Wie geht es Ina? — Will's noch immer nicht beſſern? Frau Bergmann. Denke dir, Wendla, dieſe Nacht war der Storch bei ihr und hat ihr einen kleinen Jungen gebracht. Wendla. Einen Jungen? — Einen Jungen! — O das iſt herrlich! — — Deshalb die langwierige Influenza! Frau Bergmann. Einen prächtigen Jungen! Wendla. Den muß ich ſehen, Mutter! — So bin ich nun zum dritten Mal Tante geworden — Tante von einem Mädchen und zwei Jungens! Frau Bergmann. Und was für Jungens! — So geht's eben, wenn man ſo dicht beim Kirchendach wohnt! — Morgen ſind's erſt zwei Jahr, daß ſie in ihrem Mullkleid die Stufen hinanſtieg. Wendla. Warſt du dabei, als er ihn brachte? Frau Bergmann. Er war eben wieder fortgeflogen. — Willſt du dir nicht eine Roſe vorſtecken? Wendla. Warum kamſt du nicht etwas früher hin, Mutter?

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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/47>, abgerufen am 29.03.2024.