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Weigel, Valentin: Gnothi seavton Oder cognosce teipsum genandt. Das Newe Erkenne dich selbst. Bd. 3. Neustadt, 1618.

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Gnothi Seavton.
aliorum lingua schmecken/ das ist wir lassen vns vnsere ei-
gene Augen außstechen/ vnd sehen wie andere Leute gese-
hen haben/ gedencken nicht weiter zu sehen/ als vnsere Le-
rer gesehen vnd geschrieben haben/ das ist/ wir gedenckens
nicht zuerprüfen/ ob es recht oder falsch sey/ ist so viel: Nos
acquiescimus aliorum judicio & non nostro, imonos
caremus judicio nos regimur & ducimur authoritate
Praeceptorum,
vnnd das ist ein elend Ding/ das ein jeder
auff anderer Leute ansehen beruhet/ vnnd die Sache nicht
selber erforschet vndprobiret. Wir sagen fast alle qui va-
lemus judicio: Antiquissimum quodq; Verissimum.

Soldiß gelten/ so wird meine Philosophia die erste vnnd
warhafftigste seyn vnd bleiben. Dann ich sie nenne vnnd
fuhre auß deme/ das da von Anfang wahre/ daß wir ge-
sehen vnd gehört haben/ was vnsere Hände gedastet haben/
das Wort deß Lebens/ das da ist erschienen im Fleische/
das da ist ein Anfang aller dingen/ das Mittel vnd das En-
de/ vnd ist gefast in die Biblia. Wer diese lernet vnd ver-
stehet/ der lernet sich selber/ denn er kennet den/ der aller
Schrifft vnd aller Creaturen Wesen vnd Leben ist. So
kömmet nun dieser Grund/ ex Vera Theologia, die da ist
Magistra & Domina omnium scientiarum, facultatum
& artium in toto mundo.
Jn jhr ist alles begriffen vnd
beschlossen/ auß jhr muß kommen der Theologus, Medi-
cus, Jurisperitus, Philosophus, Astronomus,
vnnd alle
Wissenschafft. Ja alles was kunst vnnd Weißheit
begreifft/ im Himlischen vnd Jrrdischem Liechte/ das muß
auß der Theologia kommen. Jch rede aber nicht von
der licentialischen oder Doctoralischen Theologia (denn
dieselbige wird es nicht vermögen:) Sondern von der hei-

ligen
B

Gnothi Seavton.
aliorum lingua ſchmecken/ das iſt wir laſſen vns vnſere ei-
gene Augen außſtechen/ vnd ſehen wie andere Leute geſe-
hen haben/ gedencken nicht weiter zu ſehen/ als vnſere Le-
rer geſehen vnd geſchrieben haben/ das iſt/ wir gedenckens
nicht zuerpruͤfen/ ob es recht oder falſch ſey/ iſt ſo viel: Nos
acquieſcimus aliorum judicio & non noſtro, imònos
caremus judicio nos regimur & ducimur authoritate
Præceptorum,
vnnd das iſt ein elend Ding/ das ein jeder
auff anderer Leute anſehen beruhet/ vnnd die Sache nicht
ſelber erforſchet vndprobiret. Wir ſagen faſt alle qui va-
lemus judicio: Antiquiſſimum quodq; Veriſſimum.

Soldiß gelten/ ſo wird meine Philoſophia die erſte vnnd
warhafftigſte ſeyn vnd bleiben. Dann ich ſie nenne vnnd
fůhre auß deme/ das da von Anfang wahre/ daß wir ge-
ſehen vnd gehoͤrt haben/ was vnſere Haͤnde gedaſtet haben/
das Wort deß Lebens/ das da iſt erſchienen im Fleiſche/
das da iſt ein Anfang aller dingen/ das Mittel vnd das En-
de/ vnd iſt gefaſt in die Biblia. Wer dieſe lernet vnd ver-
ſtehet/ der lernet ſich ſelber/ denn er kennet den/ der aller
Schrifft vnd aller Creaturen Weſen vnd Leben iſt. So
koͤmmet nun dieſer Grund/ ex Vera Theologia, die da iſt
Magiſtra & Domina omnium ſcientiarum, facultatum
& artium in toto mundo.
Jn jhr iſt alles begriffen vnd
beſchloſſen/ auß jhr muß kommen der Theologus, Medi-
cus, Jurisperitus, Philoſophus, Aſtronomus,
vnnd alle
Wiſſenſchafft. Ja alles was kunſt vnnd Weißheit
begreifft/ im Himliſchen vnd Jrrdiſchem Liechte/ das muß
auß der Theologia kommen. Jch rede aber nicht von
der licentialiſchen oder Doctoraliſchen Theologia (deñ
dieſelbige wird es nicht vermoͤgen:) Sondern von der hei-

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[5/0009] Gnothi Seavton. aliorum lingua ſchmecken/ das iſt wir laſſen vns vnſere ei- gene Augen außſtechen/ vnd ſehen wie andere Leute geſe- hen haben/ gedencken nicht weiter zu ſehen/ als vnſere Le- rer geſehen vnd geſchrieben haben/ das iſt/ wir gedenckens nicht zuerpruͤfen/ ob es recht oder falſch ſey/ iſt ſo viel: Nos acquieſcimus aliorum judicio & non noſtro, imònos caremus judicio nos regimur & ducimur authoritate Præceptorum, vnnd das iſt ein elend Ding/ das ein jeder auff anderer Leute anſehen beruhet/ vnnd die Sache nicht ſelber erforſchet vndprobiret. Wir ſagen faſt alle qui va- lemus judicio: Antiquiſſimum quodq; Veriſſimum. Soldiß gelten/ ſo wird meine Philoſophia die erſte vnnd warhafftigſte ſeyn vnd bleiben. Dann ich ſie nenne vnnd fůhre auß deme/ das da von Anfang wahre/ daß wir ge- ſehen vnd gehoͤrt haben/ was vnſere Haͤnde gedaſtet haben/ das Wort deß Lebens/ das da iſt erſchienen im Fleiſche/ das da iſt ein Anfang aller dingen/ das Mittel vnd das En- de/ vnd iſt gefaſt in die Biblia. Wer dieſe lernet vnd ver- ſtehet/ der lernet ſich ſelber/ denn er kennet den/ der aller Schrifft vnd aller Creaturen Weſen vnd Leben iſt. So koͤmmet nun dieſer Grund/ ex Vera Theologia, die da iſt Magiſtra & Domina omnium ſcientiarum, facultatum & artium in toto mundo. Jn jhr iſt alles begriffen vnd beſchloſſen/ auß jhr muß kommen der Theologus, Medi- cus, Jurisperitus, Philoſophus, Aſtronomus, vnnd alle Wiſſenſchafft. Ja alles was kunſt vnnd Weißheit begreifft/ im Himliſchen vnd Jrrdiſchem Liechte/ das muß auß der Theologia kommen. Jch rede aber nicht von der licentialiſchen oder Doctoraliſchen Theologia (deñ dieſelbige wird es nicht vermoͤgen:) Sondern von der hei- ligen B

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Zitationshilfe: Weigel, Valentin: Gnothi seavton Oder cognosce teipsum genandt. Das Newe Erkenne dich selbst. Bd. 3. Neustadt, 1618, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_gnothi03_1618/9>, abgerufen am 18.04.2024.