Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

Bild:
<< vorherige Seite

Von den Moralischen Kräfften/ Das XIX.
sich nicht wohl einbilden kan/ wie es zugehe/ so hat man bey der Him-
mels-Kunst die Lauf-Cirkel als harte Scheiben und Reiffen erdacht/
und also die daran gehefften Planeten/ als ob sie mit Gewalt fortgezo-
gen würden/ vorgestellet; Also/ wenn sich die Leute nicht alle selbst in
den Obligations-Trieb finden können/ oder gegen ihren Macht-Ha-
ber accommodiren wollen; So hat man auf solchen Fall auch harte
Zwangs-Mittel/ ja Straff Scheiben und Reiffen ihnen anzuthun sich
resolviren müssen. Welche zwar kein Privat-Person/ sondern alle-
zeit der jenige/ welcher über die gantze Gemeine regieret/ (bey deme sol-
che Fesselung erst anzubringen/ und zuerhalten/) oder dessen hierzu bestäl-
te Ampt-Leute/ ihnen an den Hals werffen dörffen.

§. 4. Zwischen denen zweyen Qualitäten/ dadurch einer dem andern
verbunden ist/ nehmlich zwischen der Obligation und Potestät/ tritt
mitten ein die Libertet und Freyheit/ welches eine solche Moralische
Qualität des Menschen ist/ dadurch der Mensch in gewissen Stücken
ungebunden/ ledig/ loß und frey daher gehet/ daß er sich in denenselben
wohin er will/ vor sich und zurück/ zur rechten oder zur lincken wenden
darff. Wiewohl solche Freyheit bißweilen nur auff eine oder etliche/
nicht auff alle Gegenden gerichtet/ wie solches bey der Prax mit Exem-
peln am besten zuerklären seyn wird.

§. 5. Sonst wird das Moralische Vermögen auch auff viererley
Weiß betrachtet/ und eingetheilet.

1. Nach seinem Subject, worinnen es zu finden/ daß es entweder
denen Personen zukomme/ oder gewissen Sachen.
2. Nach seinem Object, über welches sich das Vermögen er-
streckt/ nehmlich entweder über Personen/ oder über gewisse
Sachen.
3. Nach seiner Form/ daß es sey ein thueliches oder ein leidliches
Vermögen.
4. Nach seinem Gegenspiel/ welches ist das Unvermögen.

§. 6. Das Vermögen einer Person ist

Seiner innerlichen Quantität nach
1. entweder unvollkommen/ und wird Habilitas, aptitudo, die
Anständigkeit/ und habilitet, und nicht ein Recht/ genannt.
Also ist einem armen/ sonst unschuldigen/ Mann anständig
eine Gabe zu empfangen: Aber mit bürgerlichem Recht kan
ers nicht herauß pochen.
2. Oder

Von den Moraliſchen Kraͤfften/ Das XIX.
ſich nicht wohl einbilden kan/ wie es zugehe/ ſo hat man bey der Him-
mels-Kunſt die Lauf-Cirkel als harte Scheiben und Reiffen erdacht/
und alſo die daran gehefften Planeten/ als ob ſie mit Gewalt fortgezo-
gen wuͤrden/ vorgeſtellet; Alſo/ wenn ſich die Leute nicht alle ſelbſt in
den Obligations-Trieb finden koͤnnen/ oder gegen ihren Macht-Ha-
ber accommodiren wollen; So hat man auf ſolchen Fall auch harte
Zwangs-Mittel/ ja Straff Scheiben und Reiffen ihnen anzuthun ſich
reſolviren muͤſſen. Welche zwar kein Privat-Perſon/ ſondern alle-
zeit der jenige/ welcher uͤber die gantze Gemeine regieret/ (bey deme ſol-
che Feſſelung erſt anzubꝛingen/ und zuerhalten/) oder deſſen hierzu beſtaͤl-
te Ampt-Leute/ ihnen an den Hals werffen doͤrffen.

§. 4. Zwiſchen denen zweyen Qualitaͤten/ dadurch einer dem andern
verbunden iſt/ nehmlich zwiſchen der Obligation und Poteſtaͤt/ tritt
mitten ein die Libertet und Freyheit/ welches eine ſolche Moraliſche
Qualitaͤt des Menſchen iſt/ dadurch der Menſch in gewiſſen Stuͤcken
ungebunden/ ledig/ loß und frey daher gehet/ daß er ſich in denenſelben
wohin er will/ vor ſich und zuruͤck/ zur rechten oder zur lincken wenden
darff. Wiewohl ſolche Freyheit bißweilen nur auff eine oder etliche/
nicht auff alle Gegenden gerichtet/ wie ſolches bey der Prax mit Exem-
peln am beſten zuerklaͤren ſeyn wird.

§. 5. Sonſt wird das Moraliſche Vermoͤgen auch auff viererley
Weiß betrachtet/ und eingetheilet.

1. Nach ſeinem Subject, worinnen es zu finden/ daß es entweder
denen Perſonen zukomme/ oder gewiſſen Sachen.
2. Nach ſeinem Object, uͤber welches ſich das Vermoͤgen er-
ſtreckt/ nehmlich entweder uͤber Perſonen/ oder uͤber gewiſſe
Sachen.
3. Nach ſeiner Form/ daß es ſey ein thueliches oder ein leidliches
Vermoͤgen.
4. Nach ſeinem Gegenſpiel/ welches iſt das Unvermoͤgen.

§. 6. Das Vermoͤgen einer Perſon iſt

♈ Seiner innerlichen Quantitaͤt nach
1. entweder unvollkommen/ und wird Habilitas, aptitudo, die
Anſtaͤndigkeit/ und habilitet, und nicht ein Recht/ genañt.
Alſo iſt einem armen/ ſonſt unſchuldigen/ Mann anſtaͤndig
eine Gabe zu empfangen: Aber mit buͤꝛgeꝛlichem Recht kan
ers nicht herauß pochen.
2. Oder
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0146" n="136"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von den Morali&#x017F;chen Kra&#x0364;fften/ Das <hi rendition="#aq">XIX.</hi></hi></fw><lb/>
&#x017F;ich nicht wohl einbilden kan/ wie es zugehe/ &#x017F;o hat man bey der Him-<lb/>
mels-Kun&#x017F;t die Lauf-Cirkel als harte Scheiben und Reiffen erdacht/<lb/>
und al&#x017F;o die daran gehefften Planeten/ als ob &#x017F;ie mit Gewalt fortgezo-<lb/>
gen wu&#x0364;rden/ vorge&#x017F;tellet; Al&#x017F;o/ wenn &#x017F;ich die Leute nicht alle &#x017F;elb&#x017F;t in<lb/>
den <hi rendition="#aq">Obligations-</hi>Trieb finden ko&#x0364;nnen/ oder gegen ihren Macht-Ha-<lb/>
ber <hi rendition="#aq">accommodi</hi>ren wollen; So hat man auf &#x017F;olchen Fall auch harte<lb/>
Zwangs-Mittel/ ja Straff Scheiben und Reiffen ihnen anzuthun &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#aq">re&#x017F;olvi</hi>ren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Welche zwar kein Privat-Per&#x017F;on/ &#x017F;ondern alle-<lb/>
zeit der jenige/ welcher u&#x0364;ber die gantze Gemeine regieret/ (bey deme &#x017F;ol-<lb/>
che Fe&#x017F;&#x017F;elung er&#x017F;t anzub&#xA75B;ingen/ und zuerhalten/) oder de&#x017F;&#x017F;en hierzu be&#x017F;ta&#x0364;l-<lb/>
te Ampt-Leute/ ihnen an den Hals werffen do&#x0364;rffen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 4. Zwi&#x017F;chen denen zweyen Qualita&#x0364;ten/ dadurch einer dem andern<lb/>
verbunden i&#x017F;t/ nehmlich zwi&#x017F;chen der <hi rendition="#aq">Obligation</hi> und Pote&#x017F;ta&#x0364;t/ tritt<lb/>
mitten ein die <hi rendition="#aq">Libertet</hi> und Freyheit/ welches eine &#x017F;olche Morali&#x017F;che<lb/>
Qualita&#x0364;t des Men&#x017F;chen i&#x017F;t/ dadurch der Men&#x017F;ch in gewi&#x017F;&#x017F;en Stu&#x0364;cken<lb/>
ungebunden/ ledig/ loß und frey daher gehet/ daß er &#x017F;ich in denen&#x017F;elben<lb/>
wohin er will/ vor &#x017F;ich und zuru&#x0364;ck/ zur rechten oder zur lincken wenden<lb/>
darff. Wiewohl &#x017F;olche Freyheit bißweilen nur auff eine oder etliche/<lb/>
nicht auff alle Gegenden gerichtet/ wie &#x017F;olches bey der Prax mit Exem-<lb/>
peln am be&#x017F;ten zuerkla&#x0364;ren &#x017F;eyn wird.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 5. Son&#x017F;t wird das Morali&#x017F;che Vermo&#x0364;gen auch auff viererley<lb/>
Weiß betrachtet/ und eingetheilet.</p><lb/>
          <list>
            <item>1. Nach &#x017F;einem <hi rendition="#aq">Subject,</hi> worinnen es zu finden/ daß es entweder<lb/>
denen Per&#x017F;onen zukomme/ oder gewi&#x017F;&#x017F;en Sachen.</item><lb/>
            <item>2. Nach &#x017F;einem <hi rendition="#aq">Object,</hi> u&#x0364;ber welches &#x017F;ich das Vermo&#x0364;gen er-<lb/>
&#x017F;treckt/ nehmlich entweder u&#x0364;ber Per&#x017F;onen/ oder u&#x0364;ber gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Sachen.</item><lb/>
            <item>3. Nach &#x017F;einer Form/ daß es &#x017F;ey ein thueliches oder ein leidliches<lb/>
Vermo&#x0364;gen.</item><lb/>
            <item>4. Nach &#x017F;einem Gegen&#x017F;piel/ welches i&#x017F;t das Unvermo&#x0364;gen.</item>
          </list><lb/>
          <p>§. 6. Das Vermo&#x0364;gen einer Per&#x017F;on i&#x017F;t</p><lb/>
          <list>
            <item>&#x2648; Seiner innerlichen Quantita&#x0364;t nach<lb/><list><item>1. entweder unvollkommen/ und wird <hi rendition="#aq">Habilitas, aptitudo,</hi> die<lb/>
An&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit/ und <hi rendition="#aq">habilitet,</hi> und nicht ein Recht/ genan&#x0303;t.<lb/>
Al&#x017F;o i&#x017F;t einem armen/ &#x017F;on&#x017F;t un&#x017F;chuldigen/ Mann an&#x017F;ta&#x0364;ndig<lb/>
eine Gabe zu empfangen: Aber mit bu&#x0364;&#xA75B;ge&#xA75B;lichem Recht kan<lb/>
ers nicht herauß pochen.</item><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">2. Oder</fw><lb/></list></item>
          </list>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0146] Von den Moraliſchen Kraͤfften/ Das XIX. ſich nicht wohl einbilden kan/ wie es zugehe/ ſo hat man bey der Him- mels-Kunſt die Lauf-Cirkel als harte Scheiben und Reiffen erdacht/ und alſo die daran gehefften Planeten/ als ob ſie mit Gewalt fortgezo- gen wuͤrden/ vorgeſtellet; Alſo/ wenn ſich die Leute nicht alle ſelbſt in den Obligations-Trieb finden koͤnnen/ oder gegen ihren Macht-Ha- ber accommodiren wollen; So hat man auf ſolchen Fall auch harte Zwangs-Mittel/ ja Straff Scheiben und Reiffen ihnen anzuthun ſich reſolviren muͤſſen. Welche zwar kein Privat-Perſon/ ſondern alle- zeit der jenige/ welcher uͤber die gantze Gemeine regieret/ (bey deme ſol- che Feſſelung erſt anzubꝛingen/ und zuerhalten/) oder deſſen hierzu beſtaͤl- te Ampt-Leute/ ihnen an den Hals werffen doͤrffen. §. 4. Zwiſchen denen zweyen Qualitaͤten/ dadurch einer dem andern verbunden iſt/ nehmlich zwiſchen der Obligation und Poteſtaͤt/ tritt mitten ein die Libertet und Freyheit/ welches eine ſolche Moraliſche Qualitaͤt des Menſchen iſt/ dadurch der Menſch in gewiſſen Stuͤcken ungebunden/ ledig/ loß und frey daher gehet/ daß er ſich in denenſelben wohin er will/ vor ſich und zuruͤck/ zur rechten oder zur lincken wenden darff. Wiewohl ſolche Freyheit bißweilen nur auff eine oder etliche/ nicht auff alle Gegenden gerichtet/ wie ſolches bey der Prax mit Exem- peln am beſten zuerklaͤren ſeyn wird. §. 5. Sonſt wird das Moraliſche Vermoͤgen auch auff viererley Weiß betrachtet/ und eingetheilet. 1. Nach ſeinem Subject, worinnen es zu finden/ daß es entweder denen Perſonen zukomme/ oder gewiſſen Sachen. 2. Nach ſeinem Object, uͤber welches ſich das Vermoͤgen er- ſtreckt/ nehmlich entweder uͤber Perſonen/ oder uͤber gewiſſe Sachen. 3. Nach ſeiner Form/ daß es ſey ein thueliches oder ein leidliches Vermoͤgen. 4. Nach ſeinem Gegenſpiel/ welches iſt das Unvermoͤgen. §. 6. Das Vermoͤgen einer Perſon iſt ♈ Seiner innerlichen Quantitaͤt nach 1. entweder unvollkommen/ und wird Habilitas, aptitudo, die Anſtaͤndigkeit/ und habilitet, und nicht ein Recht/ genañt. Alſo iſt einem armen/ ſonſt unſchuldigen/ Mann anſtaͤndig eine Gabe zu empfangen: Aber mit buͤꝛgeꝛlichem Recht kan ers nicht herauß pochen. 2. Oder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/146
Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/146>, abgerufen am 20.04.2024.