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Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

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Vom Unterscheid derer Moralischen Das XI.
sie lassen sich auch eusserlich durch ordentliche Setzung und Stellung
derer Personen auff gewisse Weise gestalten und figuriren. Da dann
sonderlich auch die Quadrat-Figur/ wie man im Krieg und bey ordent-
lichen Proceßionen und Versamlungen spühret/ sich hervor thut. Wie
dann sonst auch die Theilbarkeit/ und Untheilbarkeit (dividuum, indi-
viduum,
) die Gleich- und Ungleichtheilbarkeit/ (in capita, oder stir-
pes,
) als gewisse Geschickligkeiten und Gestaltsamkeiten derer Personen
und ihrer Sachen/ iederman bekant. Welche Thätigkeiten stracks
folgen und herfliessen auß der allerersten Moralischen Eigenschafft und
Beschaffenheit derer Personen und Sachen/ nemlich aus dem Stand.
Und sind nichts anders als Geschickligkeiten/ welche in Ansehen des
Standes denen Personen und Sachen zukommen/ dadurch nicht der
blosse Stand selbst/ welcher gleichsam ausser denen Personen und Sa-
chen oder doch nur dazwischen fällt/ sondern die Geschicklichkeit zu ge-
wissen Stand/ oder gar die würckliche Stellung in demselben/ welche
denen Personen und Sachen selbst anhängig und beywohnend ist/ be-
trachtet und vorgestellet wird.

§. 3. Ferner so haben zwar die Zahlen an und vor sich auch kei-
ne eusserliche Fühlbarkeit an sich/ innerlich aber können sie den Ver-
stand auff gewisse weise/ gantz unvermerckt also kräfftig rühren/ daß er
ostmahls selbst nicht weiß/ wie ihm geschicht/ die Ursach aber ist/ weil sie
die Proportion/ welche der Verstand in allen Dingen mit sonderlichen
Wohl- oder Wehe-geschehen empfindet/ einig und allein an sich haben
und vorstellen. Welches vor allen Dingen durch die Harmonten/ so
von lauter Zahlen bestehen/ und vermittels derselben (nicht nur bloß
mit dem Gethön) den vernünftigen Menschen bald lustig/ bald traurig/
bald zornig/ bald mitleidig/ bald liebreich/ bald widersinnisch/ ja/ wie
bey denen von einer Tarantula gebissenen Patienten mit Verwunderung
zusehen/ bald tod/ bald lebendig zumachen pflegen/ handgreifflich zuer-
kennen: daß man sich höchstes verwundern muß/ warumb die neuern
Schul-Lehrer/ wider aller alten Weltweisen Bekräfftigung/ den Zah-
len und Figuren unter dem Nahmen der Quantitäten alle sonderbare
Würckung abgesprochen/ ob sie gleich in beweglichen Dingen sich
gründen: da doch die Alten/ mit dem Spruch rerum mathematica-
rum nulla est efficacia,
nur den blossen Raum und die Zahlen/ die kein

beweglich

Vom Unterſcheid derer Moraliſchen Das XI.
ſie laſſen ſich auch euſſerlich durch ordentliche Setzung und Stellung
derer Perſonen auff gewiſſe Weiſe geſtalten und figuriren. Da dann
ſonderlich auch die Quadrat-Figur/ wie man im Krieg und bey ordent-
lichen Proceßionen und Verſamlungen ſpuͤhret/ ſich hervor thut. Wie
dann ſonſt auch die Theilbarkeit/ und Untheilbarkeit (dividuum, indi-
viduum,
) die Gleich- und Ungleichtheilbarkeit/ (in capita, oder ſtir-
pes,
) als gewiſſe Geſchickligkeiten und Geſtaltſamkeiten derer Perſonen
und ihrer Sachen/ iederman bekant. Welche Thaͤtigkeiten ſtracks
folgen und herflieſſen auß der allererſten Moraliſchen Eigenſchafft und
Beſchaffenheit derer Perſonen und Sachen/ nemlich aus dem Stand.
Und ſind nichts anders als Geſchickligkeiten/ welche in Anſehen des
Standes denen Perſonen und Sachen zukommen/ dadurch nicht der
bloſſe Stand ſelbſt/ welcher gleichſam auſſer denen Perſonen und Sa-
chen oder doch nur dazwiſchen faͤllt/ ſondern die Geſchicklichkeit zu ge-
wiſſen Stand/ oder gar die wuͤrckliche Stellung in demſelben/ welche
denen Perſonen und Sachen ſelbſt anhaͤngig und beywohnend iſt/ be-
trachtet und vorgeſtellet wird.

§. 3. Ferner ſo haben zwar die Zahlen an und vor ſich auch kei-
ne euſſerliche Fuͤhlbarkeit an ſich/ innerlich aber koͤnnen ſie den Ver-
ſtand auff gewiſſe weiſe/ gantz unvermerckt alſo kraͤfftig ruͤhren/ daß er
oſtmahls ſelbſt nicht weiß/ wie ihm geſchicht/ die Urſach aber iſt/ weil ſie
die Proportion/ welche der Verſtand in allen Dingen mit ſonderlichen
Wohl- oder Wehe-geſchehen empfindet/ einig und allein an ſich haben
und vorſtellen. Welches vor allen Dingen durch die Harmonten/ ſo
von lauter Zahlen beſtehen/ und vermittels derſelben (nicht nur bloß
mit dem Gethoͤn) den vernuͤnftigen Menſchen bald luſtig/ bald traurig/
bald zornig/ bald mitleidig/ bald liebreich/ bald widerſinniſch/ ja/ wie
bey denen von einer Tarantula gebiſſenẽ Patienten mit Verwunderung
zuſehen/ bald tod/ bald lebendig zumachen pflegen/ handgreifflich zuer-
kennen: daß man ſich hoͤchſtes verwundern muß/ warumb die neuern
Schul-Lehrer/ wider aller alten Weltweiſen Bekraͤfftigung/ den Zah-
len und Figuren unter dem Nahmen der Quantitaͤten alle ſonderbare
Wuͤrckung abgeſprochen/ ob ſie gleich in beweglichen Dingen ſich
gruͤnden: da doch die Alten/ mit dem Spruch rerum mathematica-
rum nulla eſt efficacia,
nur den bloſſen Raum und die Zahlen/ die kein

beweglich
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[74/0084] Vom Unterſcheid derer Moraliſchen Das XI. ſie laſſen ſich auch euſſerlich durch ordentliche Setzung und Stellung derer Perſonen auff gewiſſe Weiſe geſtalten und figuriren. Da dann ſonderlich auch die Quadrat-Figur/ wie man im Krieg und bey ordent- lichen Proceßionen und Verſamlungen ſpuͤhret/ ſich hervor thut. Wie dann ſonſt auch die Theilbarkeit/ und Untheilbarkeit (dividuum, indi- viduum,) die Gleich- und Ungleichtheilbarkeit/ (in capita, oder ſtir- pes,) als gewiſſe Geſchickligkeiten und Geſtaltſamkeiten derer Perſonen und ihrer Sachen/ iederman bekant. Welche Thaͤtigkeiten ſtracks folgen und herflieſſen auß der allererſten Moraliſchen Eigenſchafft und Beſchaffenheit derer Perſonen und Sachen/ nemlich aus dem Stand. Und ſind nichts anders als Geſchickligkeiten/ welche in Anſehen des Standes denen Perſonen und Sachen zukommen/ dadurch nicht der bloſſe Stand ſelbſt/ welcher gleichſam auſſer denen Perſonen und Sa- chen oder doch nur dazwiſchen faͤllt/ ſondern die Geſchicklichkeit zu ge- wiſſen Stand/ oder gar die wuͤrckliche Stellung in demſelben/ welche denen Perſonen und Sachen ſelbſt anhaͤngig und beywohnend iſt/ be- trachtet und vorgeſtellet wird. §. 3. Ferner ſo haben zwar die Zahlen an und vor ſich auch kei- ne euſſerliche Fuͤhlbarkeit an ſich/ innerlich aber koͤnnen ſie den Ver- ſtand auff gewiſſe weiſe/ gantz unvermerckt alſo kraͤfftig ruͤhren/ daß er oſtmahls ſelbſt nicht weiß/ wie ihm geſchicht/ die Urſach aber iſt/ weil ſie die Proportion/ welche der Verſtand in allen Dingen mit ſonderlichen Wohl- oder Wehe-geſchehen empfindet/ einig und allein an ſich haben und vorſtellen. Welches vor allen Dingen durch die Harmonten/ ſo von lauter Zahlen beſtehen/ und vermittels derſelben (nicht nur bloß mit dem Gethoͤn) den vernuͤnftigen Menſchen bald luſtig/ bald traurig/ bald zornig/ bald mitleidig/ bald liebreich/ bald widerſinniſch/ ja/ wie bey denen von einer Tarantula gebiſſenẽ Patienten mit Verwunderung zuſehen/ bald tod/ bald lebendig zumachen pflegen/ handgreifflich zuer- kennen: daß man ſich hoͤchſtes verwundern muß/ warumb die neuern Schul-Lehrer/ wider aller alten Weltweiſen Bekraͤfftigung/ den Zah- len und Figuren unter dem Nahmen der Quantitaͤten alle ſonderbare Wuͤrckung abgeſprochen/ ob ſie gleich in beweglichen Dingen ſich gruͤnden: da doch die Alten/ mit dem Spruch rerum mathematica- rum nulla eſt efficacia, nur den bloſſen Raum und die Zahlen/ die kein beweglich

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Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/84>, abgerufen am 25.04.2024.